in der Welt der Orridi - ist der Mensch so klein ...


Publiziert von Felix , 12. Oktober 2012 um 20:55.

Region: Welt » Italien » Piemont
Tour Datum: 9 Oktober 2012
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Aufstieg: 640 m
Abstieg: 560 m
Strecke:Crodo Terme - Braccio - Verampio - Majesso - Ponte Marmitti dei Giganti - Orrido Sud - Oratorio di Santa Lucia - Orrido Nord-Est - Uriezzo - Orrido Ovest - Scalinata "ad Zanin" - P. 705 - P. 665 - P. 654 - Baceno - P. 623 - Graglia - P. 801 - Ponte Marmitte di Cròveo - Cròveo - P. 752 - Baceno - P. 654 - P. 538 - Verampio - P. 520 - Braccio - Crodo Paese
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Wyssachen, Abzw. Roggengrat via Langenthal, Bern, Visp nach cff logo Domodossola, Bus nach Crodo Terme
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Bus ab Crodo Paese
Kartennummer:1290; www.map.geo.admin.ch

Archaische und aktuelle Wasserläufe, Stromgewinnung, viele Brücken, Kirchen, Kapellen und Bildstöcke, Pilze und Kastanien – bei stimmungsvoll-schönen Wetter im Süden: die Tagesreise ins nördliche Italien bot Eindrücke der aussergewöhnlichen Art!

 

Zu Beginn will ich bidi35 herzlich danken – er hat mich mit seinen attraktiven Berichten auf diese Gegend und die Naturschönheiten um Uriezzo aufmerksamgemacht - und im gleichen Atemzug auch adrimiglio, dem ich weitere Hinweise auf die Region verdanke: so hat er hier in seinem Artikel mir den imposanten Wasserfall bei Cròveo aufgezeigt.

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Und doch, trotz fünfminütiger Verspätung bei der Abfahrt in Bern, schaffte es der moderne, beinahe bis auf den letzten Platz gefüllte Schnellzug der SBB, mit nur zwei Minuten Rückstand auf die Fahrplanvorgabe in  Domodossola einzutreffen – so reichte es gut, den Bus Richtung Alpe Dèvero zu besteigen.

 

Nach der Fahrt durchs Zentrum der Stadt gewinnt er ausserhalb doch etwas an Höhe; in Crodo Terme steige ich aus. Entlang der vielbefahrenen Strasse wandere ich an der wohl stillgelegten Terme (teilweise recht baufällig) vorbei – rechterhand macht jedoch die dazugehörige Parkanlage nahe des Fiume Toce einen ansprechenden Eindruck; sie wirkt jedoch zu dieser Jahreszeit verlassen, umso mehr als es bis vor kurzen auch hier geregnet haben muss. Über mir öffnet sich jedoch bereits die Wolkendecke und gibt blauen Himmel frei.

 

Ausgangs Braccio, bis hier immer der Strasse, meist ohne Trottoir, entlang, zweigt eine kleinere ab und führt mich zur schlossähnlichen grossen Anlage der enel, der Stromproduktionsanlage (mittels Wasserkraft) in Verampio.

Kurz vor der Einmündung des Torrente Dèvero in den Fiume Toce schreite ich über die kleine Brücke und gelange zur kleinen Siedlung bei Majesso. Nach wenigen Metern aufwärts  erreiche ich so den Ponte Marmitti dei Giganti – und ein wirklich gigantisches ausgewaschenes, eingeschnittenes Flussbett mit zahlreichen Wasserfällen, Wassermühlen und stilleren Wasserbecken, welches sich gegen oben zu einer Schlucht verengt, gegen unten flacher weitet. Gerade rechtzeitig dringt die Sonne durch und beleuchtet die urtümliche Szenereie, welche bei mir viel Bewunderung – und Achtung vor der Natur hervorruft; zum ersten, nicht zum letzten Male heute …

 

Nach einer Kurzrast wandere ich auf dem Fahrsträsschen sanft ansteigend weiter; nebst den Dutzenden von herabgefallenen Kastanien, und dem sich weit ausbreitenden apartem Geschmack des Herbstes sichte ich ab hier ebenfalls ein Unzahl von vielerlei Pilzen – der vergangene Regen hat sie mächtig wachsen lassen.

Knappe 100 Meter links von P. 652, nach einer kleinen Brücke, weisen Wegweiser und eine grosse Informationstafel auf den Eingang des Orrido Sud hin; eine unvorstellbar eindrückliche Reise ins Erdaltertum beginnt nun – wie dankbar bin ich, dass ich den Hinweisen gefolgt bin, und nun Erdgeschichte hautnah erleben darf!

Zwischen 10-15 Meter hohen senkrechten Felswänden marschiere ich, einem Rinnsal entlang, sanft aufwärts; die teils scharfkantigen, teils wie Gletschermühlen gerundeten, massiven Gesteine bewundernd, manchmal vor meist schmalen „Schlitzen“ zum Himmel noch Pflanzen und Bäume erblickend. Es erscheint mir, als wandere ich vor Millionen von Jahren – urtümlich die Ambiance, ergreifend die Stille; ich könnte mich stundenlang hier drin bewegen!

Einmal, in einer engen Kaverne, ist eine Eisentreppe eingerichtet, die mich auf die nächste Etage der Klamm, des Orrido, bringt. Oft etwas feucht, doch meist mit Steinen bedeckt, ist der Untergrund; später liegen auch hier viele Kastanien – dann gelange ich zum Ausgang aus dem fantastischen Kunstwerk der Natur, und wandere nun wieder in vertrauterer Landschaft weiter, zum Wald hinaus, auf eine schöne Ebene mit alten Stadeln und einem Kleinod von Rustico (mit grossem, gepflegten Umschwung).

 

Bevor ich dem Wegweiser zum nächsten Orrido folge, mache ich den kurzen Abstecher zum kleinen, doch sehr hübschen Oratorio di Santa Lucia (von der Gegenseite her kann man mit dem Auto herauffahren); leider verschlossen, doch auch so sehenswert.

 

Wenige Meter nur gehe ich zurück und erblicke bald den Wegweiser, welcher wieder in den Wald zum Orrido Nord-Est leitet. Dieser, anfänglich in lieblich-lichtem Wald, präsentiert sich erst etwas weniger eindrucksvoll als der erste. Doch beim Durchschreiten wachsen auch hier die Felswände in die Höhe – enge Durchlässe prägen auch ihn. Schliesslich leitet eine kunstvolle Treppenstufe zum niedrigeren Ausgang; hier, wieder auf dem flachen Waldboden, ist gut zu erkennen, wie die enge Klamm in den Felsen eingearbeitet ist: über den Waldboden blickend, ist kaum etwas vom beachtlichen Einschnitt zu erkennen.

 

Wenige Meter flach geradeaus durch den, die Sonne durchscheinen lassenden, Wald und anschliessend auf dem Fahrweg im offenen Gelände schreitend, erreiche die Häuser bei Uriezzo; nachher gilt es den kleinen Bach zu überqueren, welcher dem unteren Teil von Pioda entspringt. Hier nehme ich den mit einer Warnung ausgestatteten Bergweg ("sehr ausgesetzt, nur für Experten“) zum Eingang des Orrido Ovest. Tatsächlich darf ich hier einen ausnehmend schönen, effektiv ausgesetzten Bänderweg beschreiten; an der, unterhalb beinahe senkrechten, Felswand ist ein Fixseil montiert, die Passage jedoch unproblematisch. Auch anschliessend, wo das Gelände auf den ersten Blick flacher scheint, sind zur Linken, talseitig, Geländer mit Drahtseilen eingerichtet – beinahe etwas versteckt sind unterhalb doch auch einige Meter hohe Abbrüche auszumachen.

Die letzte von mir begangene Schlucht wartet auch wieder mit exklusiven Schönheiten auf; die Szenerie ähnelt den vorgegangenen: enge Passagen wechseln ab mit ovalen „Wassermühlen“ und schönen Treppenaufgängen; die letzte ist sogar mit Eisenbügeln, Kette und Geländer ausgestattet.

 

Beinahe nahtlos geht es anschliessend zur Scalinata „da Zanin“ über: anstatt den Höhenweg nach Baceno zu benutzen, beschliesse ich, diese letzte Stufe unterhalb eines Felsbandes auf dem bestens  eingerichteten und ebenfalls mit Geländern gesicherten Weg zu begehen. Nach einigen Kehren gelange ich bei P. 705 auf die Staatsstrasse, welche von Baceno her kommend nach Pioda und Premia führt.

 

An einem ersten farbigen Bildstock vorbei wandere ich an der wärmenden Sonne der Strasse entlang abwärts bis zu P. 665, wo eine Nebenstrasse Richtung der von weitem sichtbaren Kirche führt. Auf dem grosszügigem Kirch-Vor- und Dorfplatz angekommen, geniesse ich die Sicht über das Dorf talaufwärts, und auf die grosse, „monumentale“, Kirche, welche erste Bauten aus dem 10. Jahrhundert aufweist - die Chiesa Parrocchiale di San Gaudenzio besticht mit ihrer Grösse und Einfachheit.

 

Ich habe von hier aus Einblick in die Fortsetzung meiner Wanderung – sie wird noch etwas andauern … Erst einmal schlendere ich gemütlich durch den unteren Dorfteil von Baceno hinab zum Torrente Dèvero . Kurz nach dessen Überquerung steigt der hier kunstvolle Weg an, an einem weiteren Bildstock (es werden nun noch viele folgen) vorbei, und gewinnt über Weide- und Landwirtschaftsgelände die Anhöhe meines nächsten Etappenziels.

 

Das kleine und schmucke Graglia zeichnet sich durch die wohlgefallende kleine Kirche, ein kleines um den Dorfplatz gruppiertes Häuserensemble und einen historischen, überdeckten Waschbrunnen aus. Bei diesem steigt der nun kurz der schmale Weg weiter an und führt in den lichten Wald oberhalb des Dörfchens. Hier erscheint mir der laubbedeckte und terrassierte Boden besonders stimmungsvoll. An weiteren Bildstöcken vorbei gewinne ich die Einsattelung bei P. 801, wo ich kurz wieder auf offenes Weidegebiet trete.

 

Im unbedeutenden Abstieg Richtung Tal des Torrente Dèvero erblicke ich einmal mehr die schneebedeckten Berge gegen den Talschluss hin. Originell wird der Rio Ghendola überquert: eine flache Furt ist mit Betonsockeln und Granitplatten trockenen Fusses zu begehen. Abwechselnd flach, dann wieder etwas ansteigend, nähere ich mich, zur Rechten immer abschüssigere Talflanken, auf besten und schönen Weg meinem nächsten Ziel, welches ich mir dank des Beitrages von adrimiglio ausgesucht habe.

Und wiederum gelange ich ins beinahe ungläubige Staunen ob eines weiteren Natur-Kunstwerkes: beim Ponte di Osso stellen die Marmitti di Cròveo ein weiteres Highlight meiner Wanderung dar!

Die Kessel, wie sie Adri in seinem Bericht in der Zeitschrift OSSOLA.it nennt, lösen in mir noch einmal ein „bekömmliches Schaudern“ aus: zwischen zwei riesigen, gegeneinander aufgestellten Felsblöcken fliesst der Torrente Dèvero  hindurch und fällt mächtig (geschätzte 12-15 Meter) in die Tiefe des Kessels, welcher ringsum von dem über Millionen Jahre geflossenen Wasser eindrückliche Spuren und Formen aufweist. Unter der Brücke hindurch zwängt er sich in einem tiefen, engen Spalt in sein weiteres Flussbett.

Am linken Ufer führen gut mit Geländern gesicherte Treppen zu einem Aussichts-, Einsichtspunkt hinab.

 

Nach dem genussvollen Betrachten und Verweilen setze ich meine Wanderung fort und gelange schnell ins Quartier mit den Kirchenbauten von Cròveo. Nach einem Dorfrundgang (in den autofreien oberen Teil) wandere ich durch das überraschend gut erhaltene Dorf an der Strasse zum Park bei der Alpe Dèvero zum Ristorante Cistella. Hier geniesse ich ein Bier an der Sonne – erst im Nachhinein realisiere ich, dass dies das Lokal ist, wo bidi35 öfters hinpilgert und schlemmt; auch die beiden Töchter der Besitzerin habe ich nachträglich zuordnen können …

 

Mein Rückweg beginnt nun auf der Strasse, zweigt jedoch bei der ersten markanten Linkskurve gleich nach einem Bildstock ab; ein schmaler, steiler Pfad, auch er gesichert, leitet mich in Richtung Fluss, biegt jedoch noch oberhalb ab in flaches Gelände. Nun wieder mit Weitblick auf Baceno erreiche ich dieses, immer in der Nähe des Flusses, in dessen nördlichen Aussenbezirken.

 

Noch einmal mache ich kurz Halt bei der Chiesa Parrocchiale di San Gaudenzio, bevor ich nun weiter talauswärts wandere. Dazu nehme ich den ausgeschilderten Weg, welcher unmittelbar bei der Kirche beginnt und mich wieder an Bildstöcken vorbei auf lauschige Wald- und Wiesenpartien führt. Ich bewege mich hier wohl auf dem Höhenweg, welcher wohl bidi35 jeweils mit seinen Gspänlis nimmt – erkenne ich doch unterwegs die Abzweigung zu den Orridi. Danach geht es noch einmal etwas steiler hinunter zu einer schön geschwungenen Brücke bei P. 538 über den Torrente Dèvero.

 

Bald einmal erreiche ich danach Verampio und die gerade nach Braccio führende Strasse; eine beschauliche Schlussstimmung auf dieser Geraden mit dem malerischen Talausblick ergibt sich mir hier.

Erfüllt und zufrieden, beglückt ob vieler einmaliger Erlebnisse geniesse ich mit den letzten Sonnenstrahlen an den Bergflanken den kurzen Marsch nach Crodo Paese, wo ich grade noch in den Schulbus nach Domodossola einsteigen kann – diese zeitliche Abkürzung bringt mir dort eine Pause – und ein spezielles Bier … 


Tourengänger: Felix


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Kommentare (2)


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CarpeDiem hat gesagt: Die Tour...
Gesendet am 16. Oktober 2012 um 20:46
...ist notiert!!

Felix hat gesagt: RE: Die Tour...
Gesendet am 19. Oktober 2012 um 19:15
empfehle ich dir sehr, auch, oder gerade, weil sie sich mehr in den "Niederungen" (der Erdgeschichte) bewegt; auch ich gehe gern nochmals hin - wohl in Verbindung mit der Überschreitung des Geisspfad von Binn her.

Lieber Gruss, Felix


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