Kaltwasserkarspitze — Die Königin von hinten bestiegen


Publiziert von Filip , 5. Oktober 2012 um 23:53.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Karwendel
Tour Datum:24 August 2008
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Mountainbike Schwierigkeit: L - Leicht fahrbar
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 11:00
Aufstieg: 1900 m
Abstieg: 1900 m
Kartennummer:AV-Karte 5/2, Mittleres Blatt, 1:25000

Ursprünglich hatte ich diesen Bericht im de.rec.alpinismus-Forum gepostet. Da ich selbst aber dort nicht mehr aktiv bin und hikr.org sehr schätze, dachte ich es ist durchaus sinnvoll den Bericht hier nochmals zu veröffentlichen.

Außerdem ist die von uns begangene Route hier noch gar nicht beschrieben.
Der Bericht ist etwas länger, aber diese Tour verdient diese ausführliche Beschreibung, es war bis dato eine der schönsten Besteigungen die ich jemals gemacht habe. Viel Spaß beim lesen.

///

"Die Königin von hinten bestiegen" – Nein, nein, nicht dass jemand auf

falsche Gedanken kommt, sondern nur ein erzählungswürdiger
(hoffentlich – aber nachdem ich selbst gerne die Berichte anderer lese
will ich nun auch mal was beisteuern) Erfahrungsbericht meinerseits:

Gestern, 24.08.08, ging endlich ein alter Traum in Erfüllung – die
Besteigung der Kaltwasserkarspitze, der Königin des Karwendels. Das
Wetter hat perfekt gepasst, wir waren zu zweit unterwegs, genau
richtig für diese Aktion.

Mit dem Radl sind wir, Markus R. und ich, von Scharnitz zur Kastenalm, Räder im Wald versteckt, noch Kaffee und Frühstückskuchen an der Alm (um halbzehn,
wäre nicht wirklich notwendig gewesen ;-) und dann frisch gestärkt los
Richtung Moserkar bzw. Moserkarbach. Nach ein wenig Höhengewinn dann
die bewusste (aber folgenschwere, siehe Titel) Entscheidung den linken
Abzweig (schön mit kleinem Steinmandl markiert) zum großem Heissenkopf
durch die Latschen liegen zu lassen. Also weiter hinter, immer
Richtung Rauhkarl, erst links des Moserkarbachs, dann rechts davon,
durch dichte Latschen, dann wieder auf erstaunlich deutlichem Pfad,
unglaublich schön und absolut verlassen. In einem Linksbogen nähert
man sich wieder dem Felsmassiv der Sägezähne zur Linken, um dann
wieder rechts haltend zum wirklichen Ende des erkennbaren Pfades zu
gelangen.
Spätestens hier dachten wir zum ersten mal zweifelnd darüber nach, ob
man die Kaltwasserkarspitze denn wirklich auf diesem Wege, quasi von
hinten her, ersteigen kann. Zweifel hin oder her, die Lanschaft dort
hinten in diesem verlassenen und einsamen Winkel des Karwendels (wir
haben den ganzen Tag keinen anderen getroffen, nur zwei weitere
Personen oben am Grat gesehen) war faszinierend genug um einfach mal
weglos weiter zu steigen. Nach einer steileren Stufe waren wir dann
mitten im Rauhkarl, links von uns erhob sich majestetisch die
"Arroganz in Bergform" (das hab ich mal aufgeschnappt, sehr treffend
wie ich finde, glaube es stammt von Harald Breitkreutz).
Optimistisch gestimmt vom Blick in die AV-Karte, dort ist eine
deutliche Einschartung im Gratverlauf zu erkennen, sind wir weiter
links hinter, über anstrengende und immer steiler werdende
Geröllfelder, um endlich erkennen zu können ob wir in der dort von uns
vermuteten Rinne irgendwie zum Grat aufsteigen können.
Als wir dann wirklich auf steilen, plattigen mit viel Geröll
übersähten Felsen standen und in unsere Rinne blickten war klar: das
ist einen Versuch wert!
Ich stieg die ersten Meter in die Rinne ein, eigentlich nicht so wild,
würde mal sagen alles im Zweier-Bereich mit zwei, drei leichteren Dreier-Stellen,
aber doch anstrengend weil wirklich alles mit Schutt berieselt war und
man jeden Tritt und Griff akriebisch prüfen bzw. "reinigen" musste.
Aber es ging dann doch erstaunlich gut, keine unüberwindbaren
Hindernisse, nur stetes Aufpassen dass einem nicht der Griff oder
Tritt wegbröselt. Nach einer Weile waren wir ziemlich sicher dass wir
es bis nach oben schaffen würden.
Und so war es dann auch. Äußerst erleichtert kamen wir auf dem Grat
an, genau vor der Schlüsselstelle des klassischen Anstiegs. Diese war
dann auch kein Problem mehr und kurz darauf standen wir auf dem Gipfel
der Kaltwasserkarspitze – traumhaft.

Kurz noch zum Abstieg: auf keinen Fall wollten wir dieselbe Route
wieder runter steigen, hatten wir auch nicht vor (davor wäre auch
dringend abzuraten), sondern über das östlich Birkkar hinab zum
bezeichneten Weg welcher vom Schlauchkarsattel herunter kommt. Vom
Gipfel weg steigt man nicht direkt nach westen ab (theoretisch
möglich, gestern aber unmöglich wegen, achtung, Schnee (!)), sondern
orientiert sich am Gratverlauf zurück bis zur ersten Scharte, von dort
steigt man dann westlich, immer wieder durch Steinmandl markiert, nie
wirklich schwierig hinab zum Hochjöchl und drüber ins östliche
Birkkar.

Also, die Königin von hinten zu besteigen war zwar in dieser
Ausführung nicht unbedingt geplant, aber auf jeden Fall eine
spitzenmäßige Bergtour. Etwas anspruchsvoll, auch psychisch, sehr
einsam und faszinierend. Für jemanden der sich auch ohne markierten
Pfad wohlfühlt, gerne mal neue (anstrengende) "Wege" beschreitet und
auch vor ein paar Kletterstellen nicht zurückschreckt ist diese
Variante durchaus empfehlenswert (Von Scharnitz mit Rad insgesammt ca.
11 Stunden, knapp 2000 hm).

Kennt vielleicht noch jemand diese Variante?
Ich hoffe einige interessiert dieser etwas länger geratene Bericht,
viele Grüße, Bergheil,
Filip

Tourengänger: Filip


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Kommentare (9)


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ADI hat gesagt:
Gesendet am 28. Mai 2013 um 11:58
Hallo, Filip!

Sehr interessante Variante, erstaunlich, daß das so "easy" geht!

VLG, ADI

Filip hat gesagt: RE:
Gesendet am 28. Mai 2013 um 18:39
Servus Adi,

dein Kommentar hätte kein besseres Timing haben können, ich war heute per Bike und Ski auf der Grubenkarspitze (und davor schon sehr lange nicht mehr im Hinterautal).

Ja, hab’s meinem Kumpel heute auch erzählt, die Variante war wirklich sehr interessant. Würde aber gerne auch mal den Weg über die Sägezähne gehen. Gibt es eigentlich eine Möglichkeit von der Kaltwasserkarspitze zur Birkkarspitze hinüber zu kommen?

Gruß,
Filip

ADI hat gesagt: RE:
Gesendet am 29. Mai 2013 um 11:44
Ned, schlecht, die Grubenkar ging sicher noch ganz gut, oder?
Wenn man mal von dem weiten Anmarschweg und der SKI-Tragestrecke absieht.
Ist nur was für Konditiere.......
Für mich im Moment nach der Knie-OP leider nicht zu machen!

Bei meinem ersten Besuch auf der Kawaka im Nov. 99 sind wir über die Sägezähne hoch und über die NW-Flanke wild abgestiegen.
Kann mich da noch an eine sehr ausgesetzte Querung erinnern, die war nicht ohne.
Man kann dann zum Hochjöchl rüberqueren, aber dann direkt zur Birkkar hoch geht nicht.
Meines Wissens mußt da über das östl. Birkkar zum Normalweg rüberwandern.
Andere Routen von SO zur Birkkar hoch kenn ich nicht, denke mal einen wilden, brüchigen IIIer-Weg wird's da wohl schon geben.
Ist was für Freaks und Spezialisten, muß man meinen Spezi UWE fragen.

VLG, ADI

Filip hat gesagt: RE:
Gesendet am 30. Mai 2013 um 12:10
Grubenkar ging super, viel mehr Schnee als erwartet, riesige Wechten oben am Kamm rüber zum Gipfel. Die Ski-Tragestrecke war auch nicht so weit, klar hinter radeln muss man die lange Strecke, aber das geht ganz gut mit den Skiern am Bike.

Ich hab mal ein bisserl recherchiert, es gibt wohl tatsächlich eine Möglichkeit vom Hochjöchl Richtung Schlauchkar hinüber zu queren, allerdings wirklich nicht ohne, brüchiges und sehr abschüssiges IIer-Gelände...

Wie auch immer, auf jeden Fall wünsche ich gute Besserung für dein Knie!

Grüße, Filip

ADI hat gesagt: RE:
Gesendet am 31. Mai 2013 um 16:39
Danke, Filip, sehr nett von Dir!

Stellst noch einen Tourenbericht von der Grubenkar rein?
Wär klasse, ich kenn's nämlich nur vom Sommer.

Interessant, das mit dem Hochjöchlübergang, wär ja vielleicht mal eine ganz interessante Unternehmung.

Beste Grüße vom ADI

Filip hat gesagt: RE:
Gesendet am 20. Juni 2013 um 17:29
Servus Adi,
jetzt hab ich endlich mal den Tourenbericht von der GKS reingestellt.
Bis man da oben dann zu Fuß herum marschieren kann dauert’s wohl noch ein paar Wochen... :-)

Grüße, Filip

ADI hat gesagt: RE:
Gesendet am 22. Juni 2013 um 12:32
hab's gesehen, klasse!

Schnee ohne Ende, man glaubt's kaum!

VLG, ADI

stefanl78 hat gesagt: RE:
Gesendet am 30. August 2018 um 02:45
Direkt zum Birkkar nicht, aber vom Hochjöchl zum Schlauchkar und dann auf die Birkkarspitze. Klettertechnisch leicht, aber extrem mühsam. Habe ich heute gemacht, Bericht folgt im Verlauf des Tages.

stefanl78 hat gesagt: RE:
Gesendet am 30. August 2018 um 02:46
Ja geht, habe ich heute gemacht, werd bald den Bericht reinstellen.


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