Kälbelespitze-Kastenkopf-Überschreitung vom Kirchdachsattel und Lärchwand-Glasfelderkopf


Publiziert von quacamozza , 19. September 2012 um 21:28.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum:17 September 2012
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D   A 
Zeitbedarf: 7:45
Aufstieg: 1800 m
Strecke:E-Werk Auele-Schrecksee-Kirchdachsattel-Kirchdach-Kirchturm-Kälbelespitze-Kastenkopf-Lahnerscharte-Jubiläumsweg-Lärchwand-Glasfelderkopf-Prinz Luitpold-Haus-Giebelhaus
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit Auto nach Hinterstein/Ortsende Parkplatz "Auf der Höh" (Tagesgebühr 2,50 €), dann mit Mountainbike oder Bus Richtung Giebelhaus bis zum E-Werk, zurück mit Bus vom Giebelhaus
Kartennummer:Topographische Karte Allgäuer Alpen 1:50 000

Der Nordgrat der Kälbelespitze-bisher ein großes Rätsel. Der alte AVF spricht von "einigen schwierigen Steilabsätzen". Die Fotos sowie meine bisherigen Eindrücke deuteten sehr darauf hin, dass bei Begehung dieses Grates die Kletterfertigkeiten im III. Grad, vielleicht sogar mehr, einer ernsthaften Prüfung unterzogen werden. Dazu das bekannt brüchige Gestein der Kälbelespitze...

Die Überschreitung ist ebenso wie die Fortsetzung über den Verbindungsgrat vom Sattelkopf zum Glasfelderkopf landschaftlich einmalig. Die Umgebung ist großartig. Der Schrecksee etwa gilt nicht umsonst als einer der malerischsten Orte in den Allgäuer Alpen. Hier lässt sich's stundenlang verweilen, wenn man denn keine großen bergsteigerischen Ambitionen besitzt. Ansonsten nähert man sich peu à peu dem Hochvogel. Und das Beste: Während auf dem Wanderweg der Teufel los ist, darf man auf den Graten und Gipfeln in der Regel eine wohltuende Einsamkeit genießen. 


Zur Schwierigkeit:

Kälbelespitze-Nordgrat:

Einige Stellen in den Gipfelfelsen III in brüchigem Fels, Kirchdach T 3-4, Kirchturm T 5-6, erster Steilaufschwung II, im Übrigen II und zwischendurch Gehgelände
Der große Turm in Gratmitte kann erklettert werden (II+), der Abstieg ist allerdings sehr schwierig (IV-). Abseilstelle wäre 8 Meter, ist aber nicht eingerichtet. Ich war zu faul, um alles einzurichten, daher kletterte ich wieder runter und umging den Turm schlussendlich in dessen Ostflanke (T 5).

Übergang Kälbelespitze-Kastenkopf:
Eine Stelle II+ im Abstieg
(5m an der tiefsten Scharte; deutlich schwerer als im Aufstieg, kleingriffig), vor allem aber ausgesetztes und sehr steiles Schrofengelände T 6, teilweise heikel, am Kastenkopf ausgesetzter und brüchiger Grat (I-II)

Übergang Sattelkopf-Glasfelderkopf:
Beim Zustieg auf den Grat und bis zur Lärchwand T 5 und einige Kletterpassagen I-II, beim Übergang zum Glasfelderkopf muss ein Turm überklettert (III im Abstieg, Markierung mit Pfeilen) oder rechts umgangen werden (T 5)


Zur Ausrüstung:

Mein Rucksack war voll von "Hardware": Sozusagen "bis an die Zähne bewaffnet" machte ich mich auf...gebraucht habe ich dann zwar nur den Kletterhelm, ABER...wer in IIIer- und brüchigem, ausgesetztem IIer-Gelände nicht absolut sattelfest und erfahren ist, dem empfehle ich dringend Seilsicherung. Die Überschreitung der Kälbelespitze verzeiht auf ihrer kompletten Länge keinen Fehltritt!



Vom Bad Hindelanger E-Werk Auele (935m) auf dem markierten Wanderweg steil und teilweise mühsam hoch zum Schrecksee (Wegweiser auf 1824m) und zunächst links steil, an einer weiteren Wegverzweigung rechts die Südflanke des Knappenkopfes querend, in den Kirchdachsattel (1927m; bis hierher 1 Std 45 min).

Direkt über steiles Gras südlich auf das Kirchdach (1991m) und in herrlicher Gratwanderung bis an den Kirchturm (2013m) heran. Zunächst auf einem grasigen Band nach links bis an sein Ende, danach gibt's zwei Möglichkeiten: 1. direkt über Steilschrofen (II; T 5-6) auf den Gipfel oder 2. (meine Variante) um die Ecke auf ein schmales weiteres Band und dieses bald nach rechts verlassen und von Süden steil auf den Gipfel (ausgesetzt, T 5-6).

Von hier sieht der erste Steilaufschwung schon eher machbar aus als etwa vom Kastenkopf. Aber zunächst muss der sehr steile Abstieg in die nächste Scharte bewältigt werden (T 5-6 im oberen Teil). 
Dann in erstaunlich anregender Kletterei (II; vergleichsweise guter Fels) über den ersten Steilabsatz. Anschließend in leichter Kletterei (I) und überraschend ausgesetztem Gehgelände weiter. Also doch alles etwas anders, als ich es mir vorgestellt hatte. 
  
Es folgt ein kurzer Abstieg (II) in die Scharte vor dem markanten Gratturm. Die "Turmbesteigung" ist II+. Wie oben erwähnt, entschied ich mich fürs Zurückklettern. Die Umgehung ist anspruchsvolles Gehgelände, danach besteht eine einfache Abstiegsmöglichkeit Richtung Schrecksee, und auch auf der anderen Seite kann wenig später gefahrlos Richtung Landsberger Hütte abgestiegen werden. 

Über weitere einfache Schrofen nähert man sich langsam den steilen, dunklen und brüchigen Gipfelfelsen. Diese verlangen Kletterfertigkeiten, sind doch einige kurze Passagen im III. Grad zu meistern, dazu klettert man in einem unheimlich wilden Ambiente aus gezackten Türmchen, Steilabbrüchen und dem Blick in wildes, unzugängliches Gelände. Nicht zu vergessen das stets brüchige Gestein. Es versteht sich von selbst, dass hier absolute Kletterfitness, Schwindelfreiheit und Trittsicherheit das A und O des erfolgreichen Aufstiegs sind. Ständig im Blick bereits der steinerne, weiße Grenzpfahl, der auf dem Gipfel der Kälbelespitze (2135m) steht.
Oben befindet sich immer noch kein GB...also, ich werde bei der nächsten Besteigung dran denken...

Zeitbedarf für den Grat: 1 Std inklusive Abstecher auf den Turm


Vom Gipfel schräg rechts über Schrofen abwärts, dann die Südflanke unter der Gratscharte und unter einer markanten Platte queren (T 6) und über sehr steile Schrofen (T 6) auf den Vorgipfel oder etwas weiter westlich auf den Grat. Über den Grat und rechts hinunter an die Schlüsselstelle. Die kleingriffige Stufe abklettern (II+, größere Personen sind hier eindeutig im Vorteil, die brauchen den Reibungstritt nicht, letztes Jahr im Aufstieg kam mir alles so einfach vor), dann befindet man sich in der tiefsten Scharte zwischen Kälbelespitze und Kastenkopf. Der Rest ist vergleichsweise harmlos. Über den ausgesetzten, aber nun einfacheren Grat (I-II) auf den Kastenkopf (2129m).

Zeitbedarf für den Übergang: 45 min



Damit ist's mit dem anspruchsvollen Gelände erstmal vorbei. Über Wegspuren schnell hinab in die Lahnerscharte (1985m) und auf dem Jubiläumsweg Richtung Prinz Luitpold-Haus. An Schänzlespitze, Schänzlekopf und Sattelkopf vorbei (vor dem Sattelkopf zweigt nach rechts der Notabstieg zum Giebelhaus ab), sodann in zunächst flachem, dann merklich steiler werdendem Gras und Steilschrofen (T 5) ans westliche Ende des Zackengrates, der vom Sattelkopf kommt.
Ich denke, diese Variante stellt dann auch den angenehmsten Zugang zum Grat Sattelkopf-Lärchwand dar. Auf  jeden Fall ist man gut beraten, wenn man auf die Begehung und die Querung der vielen unangenehmen Rinnen unterhalb des Zackengrates verzichtet, denn lohnend ist es sowieso erst ab der tiefsten Scharte (1 Std 30 min vom Kastenkopf). Anders sieht es natürlich aus, wenn man vom Sattelkopf kommt, aber das macht das Gelände auch nicht attraktiver.

Abschließend noch ein Wort zur Besteigung des Sattelkopfes über die Ostflanke: Ob es tatsächlich, wie von Groth behauptet, eine einfache Anstiegsmöglichkeit (I) gibt, kann ich nicht abschließend beurteilen, aber sowohl von unten als auch einen Tag später vom Sattelkopfgipfel sah das erheblich anspruchsvoller aus.

In leichtem Auf und Ab über einige kleinere Felsstufen (I+) an den Beginn des grasigen Nordwestgrates der Lärchwand (2187m). Diese ist im Grunde genommen kein eigenständiger Gipfel, sondern nur die nördliche Schulter des horizontalen Grates, der vom Glasfelderkopf hinüberzieht. 
Der zur Lärchwand führende Grat muss mit T 5 bewertet werden. Zwar ist er in der Tat "gut gangbar", wie das überall geschrieben steht, aber wenn hinzugefügt wird, hier handele es sich nicht um Steilgras, dann ist das eine falsche Tatsachenbehauptung. Man muss sich zwischendurch nur mal umdrehen, da hält man den Atem an, so steil geht's hinunter.
 
Heute waren die Verhältnisse zudem nicht allzu gut, denn das Gras war komplett feucht, auf der Schatten (West-)seite lagen sogar noch Reste von Neuschnee, und jahreszeitenbedingt legt sich das Gras langsam flach. Also: Ich kann nur warnen, diese knapp 200 Höhenmeter zu unterschätzen, vor allen Dingen, wenn man schon die eine oder andere Stunde in den Beinen und keine Top-Verhältnisse hat! 

Der Verbindungsgrat zum Glasfelderkopf ist zunächst grasig. In nunmehr leichter Wanderung geht es hinüber zu einer vorgelagerten Felsbastion. Diese wird in der Regel rechts in brüchigem Gelände umgangen, kann aber auch überklettert werden. Weiter wird auf dem nun einfachen Grat noch einige Zeit bis zum Gipfel des Glasfelderkopfs (2270m) gekraxelt.

Zeitbedarf: gut 1 Std ab Beginn des Zackengrates



Vom Glasfelderkopf auf unmarkiertem Wanderweg in die nahe und schon von oben sichtbare Bockkarscharte (2164m; von hier könnte man die Tour noch um die Kesselspitze und den Übergang zur Nördlichen Fuchskarspitze erweitern) und wieder auf dem Jubiläumsweg zur verdienten Einkehr im Prinz Luitpold-Haus (1846m).

Zeitbedarf: 30 Min vom Glasfelderkopf


Schließlich in 1 Std 15 min zum Giebelhaus (1065m) und mit dem Bus zurück.  



Tourengänger: quacamozza


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Kommentare (7)


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83_Stefan hat gesagt:
Gesendet am 19. September 2012 um 21:52
Seawas Ulf, Gratulation zur typischen, schwierigen quacamozza-Tour! Die Kälbelespitze (bis zu deinem ersten Bericht kannte ich sie gar nicht) avanciert wohl auch langsam zu deinem Lieblingsgipfel...
Übrigens war ich tags zuvor direkt in der Nachbarschaft unterwegs - allerdings war die Tour um Welten einfacher als deine.

Beste Grüße vom Kochelsee!

quacamozza hat gesagt: RE:
Gesendet am 19. September 2012 um 22:36
Hallo Stefan,

wo hast Du Dich denn am Sonntag rumgetrieben? Da kommt doch wohl auch noch ein Bericht, oder? Deine Touren sind ja nun wirklich auch keine Sonntagsspaziergänge...

Ja, die Kälbelespitze ist wirklich ein außergewöhnlicher Gipfel, ganz selten besucht. Aber mein Lieblingsgipfel...Du weißt ja...

Viele Grüße aus dem Ländle von Ulf


mabon hat gesagt: RE:
Gesendet am 19. September 2012 um 22:41
Ich tippe mal auf den Hochvogel. :-)

quacamozza hat gesagt: Da war ich zwar...
Gesendet am 19. September 2012 um 22:49
...auch schon dreimal oben, aber immerhin fängt mein Lieblingsberg auch mit H an ;-)

Und am häufigsten besucht im Allgäu habe ich einen Berg mit I wie immer fair...;-)

mabon hat gesagt: RE:Da war ich zwar...
Gesendet am 19. September 2012 um 22:54
Same here! Habe nur mal eben gerätselt, wo Stefan nun war.

83_Stefan hat gesagt: RE:Da war ich zwar...
Gesendet am 19. September 2012 um 22:59
Hallo ihr beiden! Ich war zwar nicht auf dem Hochvogel, aber auf meiner Tour dürfte mindestens ebenso viel Betrieb gewesen sein. Eine klassische, markierte Wanderung in herrlicher Landschaft eben. Klar kommt noch ein Bericht - der Vollständigkeit halber...
Ich muss übrigens gestehen, dass ich noch nie auf dem Hochvogel war. Zeit wird's!

quacamozza hat gesagt: Sonntags auf dem Hochvogel...
Gesendet am 19. September 2012 um 23:04
...da waren bestimmt einige Leute oben, die Stefan heißen...aber gut, Du nicht...ich lass mich überraschen von Deinem Bericht...

Den Hochvogel darf man am Wochenende eh nicht besteigen, da ist mehr los als in mancher Fußgängerzone...ich war auch schon mal mit 65 Leuten gleichzeitig oben...


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