Strada Altissima Leventina – grossartige Grattour von Piora nach Carì


Publiziert von Daenu , 19. September 2012 um 08:34.

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Bellinzonese
Tour Datum:14 September 2012
Wandern Schwierigkeit: T6+ - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-TI   Gruppo Pizzo del Sole   Gruppo Pizzo Molare 
Aufstieg: 1900 m
Abstieg: 2050 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit Zug, Postauto und Standseilbahn nach Piora.
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Mit Postauto nach Faido.
Kartennummer:1252, 1253

Im Norden des Gotthards liegt der Schnee bis auf ca. 1800m – der Bristen präsentiert sich in einem frühwinterlichen, weissen Kleid. Schlechte Karten für meine geplante Leventina-Tour, führt sie doch auf über 2700m hinauf. Gut, habe ich einen Plan B im Südtessin vorbereitet. Bei der Ausfahrt aus dem Gotthardtunnel fällt mein Blick auf die gegenüberliegende Talseite – Nordseite, ca. 2500m, kein Schnee! Rasch packe ich meine Sachen zusammen und verlasse den Zug in Airolo. Mit Bus und Standseilbahn geht es hinauf nach Piora. Der oberste Teil des Pécianett ist weiss, mal schauen…
 
Piora - Poncione d’Arbione – T2
Die Annäherung zum Grat ist unspektakulär aber landschaftlich sehr hübsch. Auf der Strasse geht es zur Staumauer des Lago Ritóm und unterhalb dieser vorbei zum Albergo. Hier beginnt der Wanderweg durch offenen Lärchenwald, vorbei an Mooren und kleinen Seen. Wenig später erreiche ich den Passo Forca. Ab hier geht es unmarkiert weiter, am Grat kann man sich aber eher schlecht verlaufen. Auf einer Wegspur gelange ich auf den Poncione d’Arbione – respektive auf eine Art Vorgipfel, den ich für den Poncione halte. Erst auf dem Uomo d’Arbione sehe ich, dass der Poncione noch ein Stück weiter östlich gewesen wäre :-). Der Wind bläst ziemlich stark aus dem Norden – eine Mütze leistet wertvolle Dienste.
 
Poncione d’Arbione - Uomo d’Arbione - Poncione Pro do Rodùc - Passo Comasnengo – T3
Ich steige wieder auf die Wegspur ab und folge dieser südlich am Poncione d’Arbione und einem Nebengipfel vorbei, dann steige ich auf dem Grat auf unschwierigen Felsen zum Uomo d’Arbione auf. Von hier aus ist die Spur durch das steile Gras am Poncione Pro do Rodùc gut zu sehen. Ich gehe direkt ins Pässchen hinunter und beginne den Aufstieg. Dort, wo der Grat merklich steiler wird beginnt rechts die Querung in der Südflanke des Rodùc. Über eine Rippe gelange ich in eine zweite Geländekammer, kurz vor der zweiten Rippe entdecke ich zwei Wegspuren. Ich wähle die obere Spur und gleich nach der Rippe noch einmal die obere Spur, diese bringt mich in den Sattel zwischen den fast gleich hohen Erhebungen auf dem Poncione Pro do Rodùc. Ich gehe auf Nummer sicher und steige auf beide Gipfelchen :-). Anschliessend wandere ich auf dem hier fast ebenen Grat ohne Schwierigkeiten in Richtung Passo Comasnengo. Eine Stufe im Grat umgehe ich rechts, hier treffe ich wieder auf Wegspuren. Diese führen kurz vor P.2538 in die südliche Flanke hinaus. Ich folge ihnen ein Stück und steige dann links zum „Gipfel“ auf. Gleich daneben befindet sich der Passo Comasnengo.
 
Passo Comasnengo - Pécianett – T5 I
Nun beginnt ein erster spektakulärer Teil des Grates. Dieser sieht mit seinen Aufschwüngen und steilen Flanken wild und kaum begehbar aus. Von Nahe besehen ändert sich das. Ich bleibe wo immer möglich direkt auf der Gratkante oder in der Flanke dicht darunter. Man sollte sich nicht zu weit vom Grat entfernen, da die Wiese sehr steil und mit losem Geröll bedeckt ist. Nach einiger Zeit stehe ich in einer recht markanten Scharte. Hier geht es auf einem Band einige Meter nach links auf die Nordseite, dann über eine kurze Kletterstelle (I, plattig, Riss) wieder auf den Grat. Im Aufstieg wirkt die Stelle nicht sehr ausgesetzt. Nun bewege ich mich so lange wie möglich auf der Gratkante, die meisten Schwierigkeiten umgehe ich rechts, einige links. Am Gipfelaufbau des Pécianett wäre die leichtere Linie diejenige auf Wegspuren durch die Südwestflanke (ca. T4+). Wegen des Schnees scheint mir das etwas heikel, ich bevorzuge die – weitestgehend schneefreie – Kraxelei (I) direkt am Westgrat entlang bis zum Gipfel. Die Aussicht ist super, der Tiefblick auf die Laghi Chiera herrlich – der Wind zeichnet verschiedene Muster aufs Wasser.
 
Pécianett – Ostgrat – Bassa di Pos Lei – T5 I
Im Abstieg wähle ich die Route über den schmalen, felsigen Ostgrat. Der Wind wird noch stärker, die Böen sind auf dem schmalen Grat eher unangenehm. Ich bleibe auf der Gratkante, einen Aufschwung umgehe ich rechts im steilen Gras – die Hände kommen fleissig zum Einsatz. Kurz darauf stehe ich in der Bassa di Pos Lei. Alternativ könnte man die schmalsten Stellen im Grat umgehen, indem man kurz nach dem Gipfel des Pécianett über ein steiles Grasbord rechts absteigt und dann unterhalb der Felsen in die Bassa di Pos Lei quert (T4).
 
Bassa di Pos Lei - Pizzo del Sole – Bassa di Söu – T3+
Hier beginnt der Anstieg über den fotogenen Westgrat auf den Pizzo del Sole. Der Aufstieg ist um einiges einfacher, als es vom Pécianett aus aussieht. Die wenigen Schwierigkeiten umgehe ich rechts. Nun stehe ich auf dem mit 2773m höchsten Gipfel des heutigen Tages. Der Abstieg erfolgt auf Wegspuren gegen Südosten, alles auf dem Grat. Nach einem Bödeli geht es rechts einige Meter aufwärts zum Nebengipfel Le Pipe. Hier hat man eine schöne Sicht zurück zu Pizzo del Sole, Pécianett und den Laghi Chiera. Der weitere Verlauf zur Bassa di Söu ist etwas unübersichtlich, bei Nebel würde es hier sicher spannend. Ich halte mich tendenziell an den rechten Rand des Hanges. Zahlreiche Gräben zwingen immer wieder zu ungeplanten Richtungsänderungen, zwei davon kurz vor dem Pass.
 
Bassa di Söu – Passo Predèlp – Pizzo Predèlp – T3
Nun peile ich eine Delle südlich von P.2545 an. Anschliessend quere ich zuerst im Gras, dann in Blockfeldern zu einem kleinen Schneefeld südlich von P.2585, danach folge ich wieder dem Rücken hinunter zum Passo Predèlp. Von hier wollte ich eigentlich nach Osco absteigen. Der Tag ist jedoch noch jung und die Postautos ab Carì fahren bis 19:30 – also weiter :-). Über den Westhang steige ich ohne Schwierigkeiten zum Pizzo Predèlp auf, zuletzt etwas links ausholend (ca. ab der Hälfte Wegspuren mit Steinmännchen).
 
Pizzo Predèlp – Bochetta d’Era – Pizzo d’Era – Bochetta Gana Rossa – T5 I
Nun folgt ein spannender Gratabschnitt, den man grösstenteils auf Wegspuren auf der Nordseite umgehen könnte (ca. T4). Ich bin aber auf den Geschmack gekommen und bleibe so oft wie möglich auf dem felsigen Grat. In leichter Kraxelei gelange ich zu P.2597. Zwei Grataufschwünge umgehe ich links (N), eine weitere Stufe klettere ich auf der Kante ab (II, ziemlich ausgesetzt und etwas heikel, eher T6 als T5). Danach geht es im gleichen Stil weiter – einen Aufschwung links umgehen, einen übersteigen, einen links umgehen. Über Geröll gelange ich auf einen Buckel, danach in einem Linksbogen über den langgezogenen Rücken zum Gipfelsteinmann des Pizzo d’Era. Über den Grat gelange ich hinunter in die Bochetta Gana Rossa, einen Aufschwung umgehe ich dabei links (I).
 
Bochetta Gana Rossa – Pizzo di Campello – T5+I-II
Nun gäbe es eine einfachere Variante auf Wegspuren durch die steile Südflanke des Pizzo di Campello, südlich an P.2625 vorbei (T3-T4). Ich bevorzuge aber wiederum die Route direkt über den Grat. Der Aufstieg bis P.2625 ist zwar steil, aber nur wenig schwierig. Der Gratabschnitt weiter zum Vorgipfel ist dann schmaler, felsiger und abschüssiger. Alle Türmchen, Aufschwünge und sonstigen Hindernisse können aber überklettert werden (I-II), zum Teil muss ich etwas links oder rechts ausholen. Kurz hinter dem Vorgipfel treffe ich auf die Wegspuren der Variante. Ich folge diesen kurz, dann steige ich links erneut zum Grat hoch und über diesen zu Gipfel des Pizzo di Campello.
 
Pizzo di Campello – Bassa di Canariscetto – T4+
Auf dem Grat geht es weiter in Richtung Bassa di Canariscetto. Einen Aufschwung umgehe ich links, dann quere ich rechts unterhalb des Grates durch Schrofen in eine Mulde und steige in gleichbleibender Richtung in ein kleines Tälchen ab. Durch dieses erreiche ich die Bassa di Canariscetto, leicht von N her kommend. Alternativ kann man unmittelbar nach dem genannten Aufschwung steil in einer Rinne absteigen und so in die Wiesen südlich des Grates gelangen. Auf diesen weiter zur Bassa di Canariscetto.
 
Bassa di Canariscetto – Cima di Gana Rossa – T6+ II
Beim Abstieg vom Pizzo di Campello habe ich den direkten Aufstieg auf die Cima di Gana Rossa über den NW-Grat betrachtet. Der Alpinführer rät zwar von einer Begehung ab, da es eine heikle, ausgesetzte Kletterstelle (II) habe. Ich nehme mir vor, mir die Sache näher anzusehen und im Zweifelsfalle umzukehren. Über Grasbänder und Felsplatten gelange ich zum Einstieg. Ich peile das markante Grasband in der Hälfte des Aufstiegs an, welches sich von rechts unten nach links oben auf den Grat zieht. Auf dem Band gelange ich ohne Schwierigkeiten zum Grat und schaue um eine Ecke herum in die Rinne, durch die der weitere Aufstieg führt. Was ich sehe ist ermutigend – die Rinne ist nicht wirklich ausgesetzt und die Kletterstellen (I-II) sehen machbar aus. Also vorsichtig weiter. Am oberen Ende wird die Rinne noch etwas steiler und glatter, der direkte Aufstieg scheint mir eine Spur zu riskant. Eine Alternative ist die Platte zu meiner linken Seite,  die kurze Kletterstelle (II-III?) bringt mich über die Platte hinauf auf ein Band nördlich eines Türmchens – ziemlich schmal und ausgesetzt. Nach dem Türmchen geht es gleich wieder rechts hinauf (I) zum Vorgipfel – immer schön vorsichtig – dann ist es geschafft. Der schwierige Teil des Grates ist überwunden. Noch einmal tief durchschnaufen, über die Platten (I) hinüber zum Gipfel queren und über Gras und Schrofen auf diesen hinauf.
 
Cima di Gana Rossa – Wanderweg – T4
Der Abstieg auf dem „Normalweg“  ist um einiges einfacher. Ich folge den Wegspuren in Richtung Ost, bis ich nach einem Blockfeld an dessen östlichem Rand entlang über die Wiese absteigen kann. Die Felsbarrieren umgehe ich rechts, bald darauf quere ich den Wanderweg zur Alpe Pro da Lei, dann erreiche ich den Wanderweg nach Carì.
 
Wanderweg – Carì – T2
Auf meiner älteren Karte ist der Weg noch nicht eingezeichnet. Ich vermute, dass er durch die Alpe di Carì ziemlich gerade nach Carì hinunter führen wird. Er macht jedoch einen grossen Bogen hinüber zur Sesselbahnstation Brusada, von dort spaziere ich auf dem Strässchen ins Dorf hinunter.
 
Eine wunderschöne Tour geht zu Ende. Die Fortsetzung der Strada Altissima Leventina hinunter zum Pizzo Molare und hinauf zum Gotthardpass habe ich mir fest vorgenommen. Empfehlen kann ich die Tour allen trittsicheren Gratliebhabern, die Kraxel- und einzelne Kletterstellen mögen. Die Bewertung T6+ bezieht sich ausschliesslich auf den Aufstieg zur Cima di Gana Rossa, der Rest der Tour ist um T5.

Tourengänger: Daenu


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Kommentare (4)


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MaeNi hat gesagt:
Gesendet am 19. September 2012 um 08:46
Tolle Tour! Anmächelig..!

LG
N&M

Francesco hat gesagt:
Gesendet am 19. September 2012 um 09:25
...Bravo,molto bello ed esclusivo cio che hai fatto !!

Gesendet am 20. September 2012 um 16:41
Congratulations!
great tour, beautiful pictures!
Well done also to show the paths go get through, really nice and helpful.
Thanks!

Felix hat gesagt:
Gesendet am 24. September 2013 um 07:58
super - und bestens dokumentiert - Bravo!

lg, Felix


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