Stille, Gastrecht und Bänzlauistock


Publiziert von babu , 17. September 2012 um 22:59.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Oberhasli
Tour Datum:15 September 2012
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 1600 m
Abstieg: 2000 m
Strecke:Guttannen - Wysstanni - Holzhüs - Obers Homad - Bänzlauiseeli - Bänzlauistock - Bänzlauialp - Fahrnersegg - Hobiel - Innertkirchen
Zufahrt zum Ausgangspunkt:mit PW nach Innertkirchen und weiter mit Bus nach Guttannen. Kostenlose PP sind ausgangs Innertkirchen in Richtung Guttannen vorhanden.

Jedem Vollblut-Zelter ist dieses Problem sicherlich bekannt. Kaum liegt man endlich bequem und zurechtgerückt im flauschigen Schlafsack mit Komfortzone -5 Grad, weiss man nicht wohin mit der Nase.... Herrschen draussen nicht mehr gerade Wohlfühltemperaturen sondern macht sich eher eine kühlere Brise bemerkbar, sucht man eine möglichst wärmeverlustreduzierende Schlaf-Position. Und diese ist praktisch unmöglich für das empfindliche Riechorgan... Taucht man zutief in den Schlafsack wird's irgendwann knapp mit dem lebensspendenden Sauerstoff. Schlüpft man hingegen zu übermütig aus der schützenden Zone wird's irgendwann zu kalt um die Nase. Doch lassen wir diesen Nebenschauplatz mal auf der Seite und wenden uns an die Fakten...:-):

Ein schon lang gehegter Wunsch wurde dieses Wochenende endlich umgesetzt: das Erleben der Bergwelt by night und zwar nicht gut behütet in einer SAC-Hütte sondern Auge in Auge inmitten der rauhen und wilden Natur.... Voller Elan und Tatendrang besorgten wir uns kürzlich ein möglichst leichtes Bergzelt, die üblichen Kochutensilien sowie den eingangs erwähnte Kuschel-Schlafsack mit Extremzone -22 Grad. Die deklarierte 3-Stufen-Klimazone gibt uns die erhoffte Sicherheit nicht frierend die Nächte um die Ohren schlagen zu müssen. Und die Erfahrung dieser Nacht zeigte uns, dass die Komfortzone problemlos reichte.

Der informative und interessante Tourenvorschlag von Kittel schien uns perfekt für unser Unterfangen. Um die Höhenmeter im Aufstieg im Rahmen des Möglichen zu halten haben wir uns entschieden den Start in Guttannen zu verlegen und die Tour in Innertkirchen zu beenden. Somit sparen wir uns 400 Höhenmeter Aufstieg und damit wohl viel Schweiss und Muskelkater; dachten wir. Wir lassen uns also vom Bus nach Guttannen chauffieren und stehen wenig später mit unserem Baggage am Ausgangspunkt unserer Tour.

Der Aufstieg hinauf nach Holzhüs gestaltet sich angenehm. Alles läuft wie am Schnürchen, der Rucksack trägt sich leicht auf dem Rücken und die Beine schreiten beschwingt stetig höher. Leider hat sich während unserem Aufstieg unerklärlicherweise ab 2'000 m Nebel gebildet. Dieser hält sich hartnäckig und versperrt uns die Sicht Richtung Wannisbordsee. Bei diesen Bedingungen lassen wir den Abstecher zum See bleiben. Stattdessen lassen wir uns von einer anderen Verführung ablenken: der Weg zum Oberen Homad ist gesäumt von süssen Heidelbeeren und so wird in regelmässigen Abständen unser Aufwärtsdrang unterbrochen. Mit blauen Beerenspuren an den Händen erreichen wir schliesslich nach rund 3 Std. das Hochmoor-Plateau. Hier treffen wir auf ersten Schnee. Ursprünglich wollten wir das Zelt bei den Bänzlauiseeli aufstellen, der Nebel wie auch die weisse Pracht lassen uns jedoch kurzerhand die Pläne ändern. Wir suchen also hier einen geeigneten Platz und werden bald fündig. Rund 200 m von der Wetterstation entfernt finden wir ein trockenes Plätzchen mit prachtvoller Sicht zum Ritzlihorn und den Engelhörnern. Das Zelt wie auch die Küche ist bald eingerichtet und nach kurzer Zeit köchelt ein feines Risotto auf der Flamme. So haben wir uns das vorgestellt. Umzingelt von purer Natur und Stille können wir in aller Ruhe die Abendämmerung geniessen. Irgendwo hinter uns hören und sehen wir Steinböcke über den Grat stolzieren, alles scheint in harmonischer Eintracht zu sein. Wir sind mit uns und der Welt zufrieden...

Am nächsten Morgen braucht es etwas Überwindung um sich aus dem warmen Schlafsack zu reckeln, der wolkenlose Himmel und der Duft des Kaffees lassen jedoch bald auch die letzten müden Geister abschütteln. Heute gehts auf den Bänzlauistock. Wir lassen das Zelt stehen und starten mit Leichtgepäck Richtung Gipfel. Wie im Bericht von Kittel erwähnt, ist der Pfad zu den Seen nur noch mit Steinmänner markiert. Bald verliert sich der Weg vollständig. Ab Punkt 2'177 suchen wir uns eine möglichst direkte Aufstiegsroute bis zum Gipfel. Zuerst umrunden wir das südliche Bänzlauiseeli und balancieren dann über Granitblöcke Richtung Punkt 2'235. Sobald es das Gelände erlaubt, steigen wir schliesslich ziemlich diretissima-mässig im steilen und felsdurchsetzen Hang empor. Kurz vor dem Gipfel treffen wir auf einen Steinmann. Das Panorama auf dem höchsten Punkt ist berauschend und lässt uns länger verweilen als geplant. Bald aber drängen wir zum Aufbruch, denn wir wissen, dass noch 2000 Höhenmeter Abstieg auf uns warten...

Auf gleichem Weg gehts zurück. Das Absteigen erfordert nochmals Konzentration und Weggespür. Spuren sind praktisch keine vorhanden, was deutlich aufzeigt, dass diese Gegend nicht von Besuchern überstrapaziert wird. Zurück beim Zelt laden wir wohlweislich wieder unsere Energiespeicher denn bis hinunter ins Tal sind doch noch einige Höhenmeter zu bewältigen. Etwas wehmütig packen wir unser trautes Heim ein. Nur noch flachgedrücktes Gras verrät nach kurzer Zeit unseren temporären Aufenthalt hier in dieser Wohlfühloase. Mit einem letzten Blick zurück steuern wir schliesslich vollbepackt Richtung Bänzlauialp zu. Der Rückweg führt uns zuerst krautig und dann immer ausgeprägter von der Alp nach Blatten und Hobiel. Doch langsam etwas müde vom langen Abstieg und den immer schwerer werdenden Rucksack erreichen wir schlussendlich, mit vielen Eindrücken reicher, Innertkirchen. Und wir sind uns einig: DAS hat eindeutig Wiederholungspotenzial, lange wird das Zelt wohl nicht ruhen...


Tourengänger: babu


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Kommentare (4)


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Martin Kettler hat gesagt:
Gesendet am 18. September 2012 um 23:43
Danke für den Bericht und die tollen Herbstbilder.Tja. die Hohmad bietet wunderbare Übernachtungsmöglichkeiten, wirklich ein schöner Ort dafür!
Gruess usem Haslital
Martin

babu hat gesagt: RE:
Gesendet am 19. September 2012 um 09:01
Und dank deiner Berichterstattung haben wir überhaupt dieses Kleinod gefunden... Merci!
Bei dieser Gelegenheit: kennst du eine Aufstiegsvariante zum Graustock? Ursprünglich wollten wir die Traverse vom Bänzlauistock zum Graustock ins Auge fassen. Der Verbindungsgrat jedoch sieht doch etwas grantig aus...
Gruess usem Emmital
Andrea

Martin Kettler hat gesagt: RE:
Gesendet am 19. September 2012 um 11:30
Hallo Andrea
Der direkte Weg vom Bänzlaui zum Graustock ist relativ brüchig, hat auch Stellen II drin zum klettern.
Früher wurde der ganze Grat vom Bänzlaui zum Mährenhorn gemacht, c.a. 6-7 Std. und Stellen bis III.
Der Graustock ist sehr gut vom Wannisbordsee her zu besteigen, relativ einfaches Gelände aber viel Geröll. Von der anderen Seite ist der Nordgrat (Worbisegg) von der Alp Spycherberg eine Möglichkeit. Man kommt westlich des Brunnenstocks hoch und kann dann dem Grat relativ gut bis zum Graustock folgen. Eine Überschreitung liegt bei mir eigentlich schon lange an.......... ;-)
Gruess usem Hasli

Martin

babu hat gesagt: RE:
Gesendet am 19. September 2012 um 19:25
Merci für die hilfreichen Informationen. Der Nordanstieg tönt jedenfalls interessant. Die Projekte gehen nicht so schnell aus...;-).
Wünsche weiterhin tolle Bergerlebnisse im wunderschönen Hasli!
Lg, Andrea


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