Watzmann - Ostwand "Salzburger Weg"


Publiziert von Peter K. , 31. August 2012 um 18:03.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Berchtesgadener Alpen
Tour Datum:17 August 2012
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: V (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 16:00
Aufstieg: 2100 m
Abstieg: 2100 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt: Königssee Parkplatz, Schönau am Königssee
Zufahrt zum Ankunftspunkt: Wimbachbrücke, Ramsau bei Berchtesgaden
Unterkunftmöglichkeiten:Ostwandlager DAV
Kartennummer:AV-Karte "BY 21 - Nationalpark Berchtesgaden, Watzmann"

Watzmann - Ostwand „Salzburger Weg“

„Wen Gott liebt, den lässt er fallen in dieses Land.“, so beschrieb der deutsche Schriftsteller Ludwig Ganghofer seinen Eindruck der Berchtesgadener Alpen mit dem Königssee. Knapp 130 Jahre nach dieser Aussage, bleibt uns nur ehrwürdige Zustimmung als wir erstmals den fjordartig eingeschnittenen See mit seinem kristallklaren Wasser erblicken.
Sportlicher Ehrgeiz zieht vermutlich jeden Bergsteiger irgendwann an die höchste Felswand der Ostalpen – ich Nachhinein muss ich gestehen, dass mich die Impressionen dieser malerischen Landschaft noch weit tiefer beeindruckt haben, als die alpinistischen Motive der Durchsteigung. Der tiefblaue Königssee eingebettet in fichtenbewachsene Steilhänge, das unwirkliche Wimbachgries, die wilde Wimbachklamm und das eindrückliche Bild der Watzmannfamilie sind allein schon jede Reise wert. Schön bei dieser Gelegenheit auch noch auf alpinistischen Pfaden gewandelt zu sein.

Historisches

Die Geschichte der Watzmann Ostwand beginnt am 6. Juni 1881, als der Ramsauer Bergführer Johann Grill (nach seinem Hof genannt „Kederbacher“) mit seinem Wiener Gast Otto Schück einen Weg durch den 1.800m hohen Irrgarten findet. 14 Stunden nimmt diese Expedition vom Wandfuß bis zum Gipfel der Mittelspitze in Anspruch und ist in einer Variation bis heute als eine der drei üblichen Ostwandrouten erhalten.

Nach einem erfolglosen Versuch im Herbst 1983 glückt am 12. Juni 1985 Kederbachers Nachbar und ebenfalls Bergführer Johann Punz („Preiß“) mit dem angesehenen Alpinisten Ludwig Purtscheller  die Wiederholung dieser Route, wobei die Zweitbegeher den heute gebräuchlichen Ausstieg zur Südspitze wählen. Eindrücklich beschreibt Purtscheller das Erlebte: „Preiß stieg voran, aber schon nach wenigen Schritten traf er auf sehr glatte, jedes Vorsprunges bare Platten. Er erklärte, daß es ihm unmöglich sei, mit den Schuhen weiterzuklettern. Da er die Hände nicht frei hatte, so entledigte ich ihn seiner Schuhbekleidung, die indessen in meinem Rucksack verwahrt wurde. Mit dem Bergstock konnte ich Preiß ein wenig unterstützen. Langsam, mit großer Anstrengung und oft lange vergeblich nach Griffen tastend, schob er sich empor. Es waren aufregende Augenblicke, wie ich dergleichen im Gebirge selten erlebt habe.“

Die Ostwand erfährt zahlreiche weitere Durchsteigungen, doch das große Hindernis bleibt stets die beschwerliche Schmelzkluft des Schöllhorneises. Auf der Suche nach einer eleganten Umgehung dieses Problems versuchen sich vier Salzburger Bergsteiger am steil aufragenden Felspfeiler links des Schöllhornkars. Am 8. September 1923 erklimmen Hans und Hermann Feichtner, Viktor Reitmayr und Ludwig Schifferer mit schwieriger Kletterei den Pfeilerkopf, folgen dem 1. Band zur Gipfelschlucht und weiter zur Südspitze – mit dem Salzburger Weg erhält die Wand ihre zweite große Führe.

Einen weiteren Markstein setzt Hermann Buhl am 28. Februar / 1. März 1953 als er in Vorbereitung seiner Nanga Parbat Expedition und um der Kritik an der geplanten Forschungsreise Einhalt zu gebieten den Salzburger Weg begeht – im Alleingang unter dem Mondschein einer Winternacht. Diese prometheische Leistung erschließt sich in vollem Ausmaß vermutlich nur jenem, der Buhls Spuren auf dem Salzburger Weg folgt.

Die Chronik der Ostwand verzeichnet allerdings auch ihre düsteren Seiten – bis zum Sommer 2012 mussten 101 Bergsteiger ihr Leben in der Wand lassen, durch Absturz, Stein- und Eisschlag, Lawinen, in Wetterstürzen und Gewittern, durch Erschöpfung oder Erfrieren. Die Gedenkkapelle St. Bernhard an der Kührointalm erinnert an ihre Schicksale und mahnt gleichauf zur Vorsicht.

Zustieg Königssee

Selten gestaltet sich ein Zustieg so mühelos wie zur Watzmann Ostwand. Schon seit Zeiten der Erstbegeher lassen sich die Ostwand-Aspiranten von den Fährmännern des Königssees von Schönau aus zur Wallfahrtskapelle St. Bartholomä chauffieren. Mit dem Schiff verlassen auch wir den bedrückenden Trubel des Touristenzentrums am nördlichen Seeufer und setzen zur Halbinsel Hirschau am Fuße des Watzmann über.

Der Fährmann erzählt seine bewährten, doch sympathischen Anekdoten zum Königssee und den Flecken die wir passieren. Und natürlich entlockt der Schiffer mit seiner Trompete den Felswänden obligat ihr Echo. Nun scheint der gute Mann weder so  schaurig wie der Fährmann Charon, noch setzt er uns über den Styx, doch wird ihm von uns Fahrgästen ein kleiner Obolus gewährt. Sollte uns dies nun zu denken geben?
Eine halbe Stunde nimmt die Überfahrt in Anspruch. Zur Rechten können wir bald St. Bartholomä mit dem Eisbachtal und den steilen Fluchten der Hachelwände ausmachen. Langsam erschließt sich uns auch der Blick auf die gewaltige Ostwand des Watzmann. Wolkenfetzen umwaben die oberen Ausläufer der Wand, so dass wir die wahren Ausmaße dieser Felsbastion allenfalls erahnen können. Das Gemüt schwankt bei diesem Anblick zwischen treibender Vorfreude und banger Achtung.

Auf St. Bartholomä angekommen müssen wir uns an der Gaststätte ein gutes Stück auf den Schlüssel zum Ostwandlager gedulden. Es scheint als sei die Wartezeit flexibel an den Umfang einer Bestellung gekoppelt – es sei vermerkt, dass man hier mit zwei alkoholfreien Weißbieren nicht allzu weit kommt. Aber vielleicht war der Schlüssel ja auch nur verlegt.
Das Ostwandlager findet sich unter Bäumen am Waldrand wenige Minuten hinter der Kapelle, recht nah am See. Die Unterkunft der Sektion Berchtesgaden des Alpenvereins bietet 40 Personen Platz – die Übernachtungsgelegenheit ist allerdings nur für die Begeher der Ostwand gedacht.

Wir deponieren unsere Rucksäcke am Lager und wollen im Hellen noch den Weg zur Eiskapelle rekognoszieren. Indessen erweist sich der breit geschotterte Weg schnell als so übersichtlich, dass wir keinen Zweifel hegen ihn auch in der schwärzesten Nacht problemlos auszumachen.
Nach einer knappen halben Stunde endet der vorbildliche Ausbau des Weges und die Route folgt über Kies und Blöcke dem Lauf des Eisgrabens. Die Wegwahl ist hier recht beliebig, solange man nicht zu weit nach links in Richtung Hocheis abkommt. Wenig später ist das Firnfeld der Eiskapelle im Talkessel unterhalb der Ostwand erreicht. Wir werfen einen kurzen Blick ins bitterkalte Eisgewölbe und schaffen uns einen ersten Überblick vom Routenverlauf im unteren Wandteil, bevor es zum Abendessen zurück zum Lager geht. Der erste Eindruck stimmt uns erwartungsvoll auf dies 1.800m hohe Rätsel der Wegfindung.

Am Ostwandlager finden sich neben uns ein kleine Gruppe lokaler Berchwachtler und ein Pärchen ein. Wie sich herausstellt, streben beide Gruppen den Berchtesgadener Weg an. Am kommenden Morgen hören wir sie noch vor uns aufbrechen, dies verbleibt allerdings auch der letzte Kontakt – beide Seilschaften werden wohl recht fix durch die Wand gekommen sein.

Der untere Wandteil – Eiskapelle, Schrofen und Schöllhornkar

Der Wecker klingelt uns um 5:00 Uhr aus den Federn und nach einem spärlichen Frühstück wandern wir in der Dämmerung den gut markierten Wanderweg in Richtung Eiskapelle hoch. Problemlos finden wir den Weg ins hintere Tal und entlang des Bachbetts wieder. Am Südrand der Eiskapelle (ca. 900m) wechseln wir auf Steigeisen und tasten uns stetig das Firnfeld hoch.
Dieses Schneefeld stellt eine glaziologische Besonderheit dar – es handelt sich vermutlich um das tiefst gelegene ganjährige Schneefeld der Alpen. Bedingt wird dies durch die Speisung des Schneefelds durch massive Lawinen, welche die Watzmann Ostwand im Winter und Frühjahr wie ein Trichter bündelt. Im Sommer bahnt sich Schmelz- und Regenwasser aus der Ostwand seinen Weg durch das Schneefeld und tritt – ähnlich einem Gletschertor – durch eine große Öffnung am unteren Ende des Firnfelds zu Tage, der namensgebenden Eiskapelle. Die Form und Größe dieses Tunnelsystems ist im Jahresverlauf starken Schwankungen unterworfen. Während sich der Tunnel und Bergschrund im Winter mit Lawinenschnee füllen, schmilzt im Frühjahr wieder ein neuer Durchgang unter dem Firn frei.
Wie stark die Eiskapelle der Schmelze unterzogen ist, zeigt sich uns am oberen Ende des Schneefelds. Wir müssen ein gutes Stück suchen bis wir einen geeigneten Übergang zum Fels gefunden haben. Der Bergschrund zeigt sich hier in beachtlicher Größe und so recht möchte man den fragil anmutenden Schneebrücken zunächst nicht trauen. Wir müssen vom oberen Ende des Eisfeldes rund 150m nach rechts ausweichen um auf den unangenehm schottrigen Platten Fuß fassen zu können. Ein weiter Schritt über die dunkle Leere der Randkluft und wir schleichen zögerlich den rutschigen Fels hinauf. Dieser Übergang bleibt uns allemal als heikelste Stelle der Wand in Erinnerung und wir sind froh, dass wir das Schöllhorneis weiter oben in der Wand gleich ganz meiden können.

Mit leichter Kraxelei (II) gelangen wir von den Platten am Bergschrund zur ersten Grasterrasse (ca. 1.050m). Durch das feuchte Gras findet sich mit gutem Auge der Pfad des Kedernbacher Weges, der beide Grasterrassen nach rechts aufsteigend traversiert. Einen wenig ausgeprägten Schrofengürtel überklettern wir zur zweiten Grasterrasse (ca. 1.100m), queren diese weiter nach rechts und folgen ansteigend zum angrenzenden Wandfuß. Von oben zieht hier die rechte Begrenzung des Schöllhornkars gratartig herab. Rechts neben dieser Begrenzung findet sich etwas verdeckt eine schmale Schlucht, die es vorzugsweise an ihrem rechten Rand (II) zu erklimmen gilt. Die Schlucht endet in einem kleinen Kessel, von wo eine kleine Rinne steil nach rechts weiter führt. Diese geht es 70m hinauf, bevor an der erstbesten Möglichkeit über Schrofen scharf nach links heraus gequert wird (I-II, der Gebietsführer warnt vor einem Weitersteigen in der Rinne). Diese etwas ausgesetzte Querung über rund 100m führt uns zum kleinen Graskopf (ca. 1.300m) am Beginn des Schöllhornkars.
Die zwiespältige Ehre der Namensgebung dieses Geröllkars, des anschließenden Firnfeldes und der darüber liegenden Felspassage gebührt dem Münchener Christian Schöllhorn. Unter der Führung des Ramsauer Bergführers Johann Punz („Preiß“) durchstieg er am 26. Mai 1890 den Kederbacher Weg der Ostwand. An den Felsen oberhalb des zweiten Schneefeldes verlor er den Halt und stürzte in die Leere des Bergschrunds. Kederbacher barg ihn später aus 60m Tiefe. Mit Christian Schöllhorn forderte die Watzmann Ostwand ihr erstes Todesopfer.

Zu Beginn des Schöllhornkars trennen sich Salzburger und Kedernbacher Weg vorerst – während der Kedernbacher Weg das Kar zentral zum Schöllhorneis hinauf führt, wechselt der Salzburger Weg zum Felsriegel an der linken Karseite. Die felsdurchsetzten Grashänge des Schöllhornkars geht es zunächst rund 100m hinauf, bevor wir im Gras unterhalb des zentralen Felskopfes (ca. 1.400m) das Kar über schwach ersichtliche Pfadspuren nach links traversieren. Der Bachlauf des Schöllhornkars wird hier überschritten und wir nutzen diese Gelegenheit für die erste ausgiebige Rast des Tages. Trotz der frühen Stunde macht sich die Sonne bereits deutlich bemerkbar. Wir suchen uns einen Schattenplatz hinter ein paar Blöcken und ahnen bereits, dass solch schattige Plätze im weiteren Tagesverlauf eher spärlich zu finden sein werden.

Nach einem kleinen Frühstück queren wir gestärkt auf die linke Bachseite. Nur knapp oberhalb des Übergangs findet sich der Biwakblock (ca. 1.400m) mit überdachten Schlafgelegenheiten für rund 6 Personen. Über Geröll steigen wir weiter gerade hinauf und versuchen den Einstieg zur Kletterei des Salzburger Weges zu lokalisieren – in diesem abweisenden, senkrechten Felsriegel könnten sich allerdings gleich mehrere klare Linien anbieten. Mithilfe des Gebietsführers identifizieren wir die richtige Wandstelle und können bereits einzelne Routenmerkmale wie den Höhlenüberhang und den Ausstiegskamin ausmachen. Der Anblick verspricht schöne, ausgesetzte Kletterei und wird sein zu Recht Wort halten. Wir peilen die Rissverschneidung an, müssen den Einstieg allerdings zunächst rechts ansteigend über steile und ausgesetzte Platten gewinnen (III), die zu einer wenig ausgeprägten Rinne führen, an deren Ende sich der eigentliche Einstieg befindet. Die Platten ließen sich größtenteils umgehen, indem man rechts noch rund 50m höher steigt und dann über die Platten nach links in die Rinne quert (II-III).
Am Einstieg (ca. 1.550m) sind wir uns zunächst gar nicht sicher, ob wir denn auch die richtige Verschneidung gewählt haben. Es finden sich nicht die üblichen Zeichen von Vorgängern – keine Haken, keine Steigeisenkratzer, kein Müll. Doch die Kletterlinie scheint der Fels hier klar vorzugeben. Als ich die ersten leichten Meter etwas vorkraxele, kann ich bereits eine Schlinge ausmachen, die vom Höhlenüberhang herabhängt. Die Erkenntnis bis hierhin ohne Verhauer gekommen zu sein, beruhigt uns doch ungemein. Doch nun steht uns die eigentliche Kletterei des Weges bevor und wir rüsten uns mit Gurt, Seil und Schlosserei für diese Passage.


Der mittlere Wandteil – Salzburger Pfeiler

Der Fels ist hier erstaunlich kompakt und es findet sich keine geeignete Möglichkeit einen Standplatz einzurichten. Wir begnügen uns mit der Tatsache, dass der Sichernde in einer guten Mulde steht und ich beginne die erste Seillänge der Rissverschneidung (IV) vorzusteigen. Die ersten Klettermeter zeigen sich noch recht freundlich. Mit wenig Kraftaufwand steige ich die plattige Verschneidung hinauf und nutze die kleinen Unebenheiten als Tritte. Ein erster Normalhaken bestätigt nochmals unsere Wegwahl. Die Entscheidung mit meinen Zustiegsschuhen zu klettern, bereue ich jedoch nur wenig später. Ein, zwei kleine trittarme Steilstufen müssen mit ordentlichem Einsatz erkämpft werden, die Schuhe sind vielleicht bequem aber bei weitem nicht so steif wie solide Bergschuhe. Einen gesetzten Friend und einen Normalhaken später erreiche ich nach genau 50m den ersten Stand – einen einzelnen Klebehaken mit Ring in einer halbwegs bequemen Nische. Dirk folgt und zögert am Stand angekommen etwas den nächsten Vorstieg zu übernehmen, also verbleibe ich für die nächsten Längen Seilerster.

Auf Kletterpatschen gewechselt wenden wir uns der zweiten Seillänge zu. Zunächst geht es weitere 10m die Rissverschneidung hinauf, bevor die Wand mit ihrer Schlüsselstelle aufwartet – dem Höhlenüberhang (V, oder IV+ A0). Direkt vor der kleinen Höhle mache ich einen weiteren geklebten Ringhaken aus. Diese 10m-Seillänge einzubauen hätte mir im Folgenden einiges an Seilzug erspart, allerdings rechne ich mit einem weiteren Standplatz kurz nach der Crux. Hoch angetreten geht es an etwas abgespeckten Griffen  steil über die linke Seite der Höhle aufwärts. Der leicht überhängende Fels drängt einen seitlich zurück und der Rucksack trägt sein Übriges dazu bei dieser Stelle einen kraftbetonten Charakter zu verleihen. Zwei ältere Reepschnurschlingen können diesen Aufschwung leicht entschärfen, vereinfachen die freie V allerdings auch nur zu einer IV+. Erst mit den Füßen über der Höhle findet sich ein passabler Stand, der mehr Tritte als Griffe belastet. Eine schmale Leiste die sich rechts oberhalb der Schlüsselstelle ums Eck windet, verspricht den Ausweg dieser Passage. Eine kurze Querung von vielleicht 5m bringt mich von der Kante zu einem mäßig ausgeprägten Felskopf – dies scheint der im Gebietsführer erwähnte Stand zu sein. Allerdings hadere ich etwas mit diesem Sicherungspunkt. In der Hoffnung einen verlässlicheren Stand zu finden, folge ich also weiter der Verschneidung. Zwei kurze Aufschwünge (IV) können rechts über Platten erstiegen werden. Rund 20m nach dem Felskopf steilt sich die Rissverschneidung merklich auf, eine Expresse und mehrere Schlingen die zum Rückzug hängen blieben, weisen diesen Weg als Verhauer aus. Hier müsste die Führe von der natürlichen Linie abgehen und scharf nach links in die Wand queren. Und tatsächlich blinzelt mir von links der nächste Ringhaken entgegen. Der Seilzug ist hier bereits immens – auf den letzten Metern ziehe eine Seilschlaufe ein, halte sie in einer Hand fest und gewinne wieder einige Meter. Dieses Spiel wiederholt sich leidvoll bis zum Standplatz.

Während Dirk nachsteigt, genieße ich zum ersten Mal bewusst den Rundblick dieser ausgesetzten Warte. Der Fels ringsum bricht senkrecht ins Schöllhornkar hinab, dahinter leitet das Eisbachtal das Auge zum tiefblauen Königssee. Die Südabbrüche der Watzmannkinder und die Hachelwände umrahmen dieses eindrückliche Bild – die Dimensionen dieser Arena überwältigen und flößen zugleich tiefsten Respekt ein.
Die dritte Seillänge beginnt mit einer Linkstraverse zur Pfeilerkante. Leicht ums Eck zeigt sich ein abweisendes Dach, also will uns der Fels die Kante hinauf führen. Gut strukturierter Kalk leitet mich den luftigen Pfeiler (IV) hinauf. Zwei rostbraune Schlaghaken, die mein Großvater hätte geschmiedet haben können, begnügen hierbei den Selbsterhaltungstrieb. Ein Felsköpfl lässt sich solide abbinden, bevor ich vor einer Wand wieder nach rechts zurück zum leicht ersichtlichen Standhaken quere. Ein wahrer Genuss diese Seillänge!

Hier erblicken wir zum ersten Mal den Ausstiegskamin, der uns aus dem Pfeiler auf das große Band leiten soll. Allerdings müssen zunächst noch knapp 25m bis zum Fuß des Kamins überbrückt werden. Die vierte Seillänge führt mich zunächst direkt herauf unter einen überhängenden Pfeiler, der den rechten Abschluss des Kamins bildet. Über eine glatte Platte (IV) weiche ich nach links aus, bevor es über leichteren Fels zum Einstieg des Kamins und dem vierten Standhaken geht.

Ein letztes Mal müssen wir die Kräfte mobilisieren, bevor sich das Gelände zurücklehnen wird und wir auf dem großen Band wieder schneller vorankommen können. Die fünfte Seillänge präsentiert sich als klassische Parade – stemmend und stützend ersteige ich den senkrechten Ausstiegskamin (IV), auf beiden Seiten bietet der Fels genug Struktur um sich hier sicher zu positionieren. Auf diesen Metern zeigt sich nochmals deutlich der Charakter dieser Führe – der einzige Schlaghaken im Kamin markiert hierbei nach 20m die Halbzeit dieser Seillänge. Als der Kamin sich in eine Rinne zurücklehnt, findet sich mit einer Petzl-Lasche der letzte Stand. Dirk folgt zügig nach und wir haben schlussendlich den Salzburger Pfeiler gewonnen.

Nach links öffnet sich nun die weite Fläche des 1. Bandes. Über schmale Bänder (I) kann 60m nach links ansteigend zu einer großzügigen Terrasse (ca. 1.750m) am Beginn des Großen Bandes gequert werden. Dort pausieren wir abermals und verstauen die Kletterutensilien zunächst im Rucksack. Wir entspannen etwas und Zufriedenheit macht sich breit, die schwierigsten Kletterpassagen souverän absolviert zu haben. Der restliche Weg durch die Wand sollte zumindest vom technischen Anspruch her ein Spaziergang werden.

Der obere Wandteil – Riesenband und Gipfelschlucht

Das 1. Band durchzieht die Wand bis zum Beginn der Gipfelschlucht und überwältigt schier in seinen Dimensionen. Das Steigen auf dieser 50-70m breiten und rund 40° geneigten Platte fällt nach kurzer Zeit sehr einfach und lässt uns wieder schnell Höhe gewinnen. Wir folgen dieser unwirklichen Autobahn für rund 250m bis ein unscheinbarer Grat (ca. 1.890m) eine Unterbrechung ankündigt. Zur Linken bricht eine schuttige Schlucht herab, durch die der Münchner Weg vom Münchner Turm herauf führt. Geradeaus ließe sich das 1. Band noch etwas weiterverfolgen bevor es sich in der Wand verliert, 50m entfernt können wir dort die im Gebietsführer erwähnte Biwakhöhle ausmachen. Zur Rechten markiert eine rund 20m hohe Stufe unsere nächste Herausforderung. Abermals rüsten uns Seil und Kletterpatschen für diese Felspassage.

Wo der unscheinbare Grat auf die steile, plattige Wand trifft, markiert ein kleiner Felskopf den Einstieg zur Wandstufe. Einige Schlaghaken leiten die Wand links der schwach ausgeprägten Kante hinauf. Laut Gebietsführer würde man dies Wändchen knapp 10m bis zu einem kleinen Wulst emporsteigen, rechts an diesem vorbei und durch den Riss weitere 8m direkt zum Kopf der Stufe hinauf (IV). Allerdings deuten uns einige Petzl-Laschen eine vermutlich neue Variante an – diese umgeht in einem leichten Linksbogen den Wulst sehr plattig in Richtung der Mulde (IV). Am oberen Ende der Mulde bietet die letzte Petzl-Lasche eine Standmöglichkeit.

Nach der Wandstufe führt uns eine breite Rampe als obere Fortsetzung des 1. Bandes in gleicher Richtung weiter. Das Band verschmälert sich zunehmend und langsam öffnet sich das Gelände zur Rechten und gibt erstmals den Blick auf die Gipfelschlucht frei. Wir folgen der Rampe stetig bis sie nach 150m auf eine große Biwakhöhle (ca. 1.990m) trifft. Hier endet der eigenständige Verlauf des Salzburger Weges und die Führe vereinigt sich mit dem Berchtesgadener Weg.

Es ist später Nachmittag als sich über uns der ausgedehnte Kessel der Gipfelschlucht öffnet – die zahlreichen grauen Absätze und Kaskaden lassen schönste Kraxelei erahnen, die Weite dieser felsigen Bühne erdrückt uns zugleich. Wir spielen mit dem Gedanken uns für den heutigen Tag mit der Biwakschachtel statt dem Gipfel zu begnügen, denn die Zeit ist stark voran geschritten. Gelassen und in genießerischem Tempo sind wir die Ostwand heute angegangen, nun müssen wir unter Umständen die Zeche hierfür zahlen. Doch bedrückt uns dieser Umstand erstaunlich wenig – das Wetter bleibt stabil, wir sind bester Dinge und haben genug Wasser um eine Nacht in dieser Wand zu verbringen. Gerne wohnen wir noch länger diesem Schauspiel der Natur bei.
Der Begriff Gipfelschlucht mag etwas irreführen – wir stehen 1.100m über dem Wandfuß, oberhalb der 400m hohen Schlucht verbleiben noch weitere 300m bis zum ersehnten Gipfel. Zwei Wasserläufe durchschneiden die Gipfelschlucht und werden von einem zentralen Schneefeld, das vom Beginn der Schlucht noch nicht ersichtlich ist, gespeist. Der rechte Wasserlauf ermöglicht es unsere Wasservorräte ein letztes Mal aufzufüllen. Zwischen beiden Wasserläufen steigen wir über Schrofen und leichten Fels (I) bis zum Schneefeld (ca. 2.060m) hinauf.

Hier zieht die Gipfelschlucht steiler nach rechts hinauf. Wir queren scharf nach rechts und ersteigen über Schrofen eine breite Rinne (I), die sich leicht kesselförmig öffnet. Zur Rechten mündet auf einem dunklen Felsturm (ca. 2.120m) das 3. Band mit dem Kederbacher Weg ein.
Die günstigste Wegführung ist hier nicht leicht zu finden, das Gelände erlaubt so gut wie überall ein weiterkommen. Wir lassen uns von einem Band weit nach links in die Gipfelschlucht verleiten und steigen dort durch glatte Rinnen (II) am unbehaglichen Grund der Gipfelschlucht rund 150m aufwärts. Sinnvoller und vermutlich dem Originalweg folgend, wäre ein Weitersteigen oberhalb der breiten Rinne am linken Rand des Kessels (II) gewesen, wo man vom Steinschlag der Gipfelschlucht geschützt ist. Ein kleiner Fauxpas, der uns heute glücklicherweise kein Lehrgeld kostet – die Wand zürnt diesmal nicht mit Steinschlag.
Am rechten Rand der Gipfelschlucht zeigt sich eine einfache Geröllrinne die nach rechts heraus zieht. Wir erklimmen die kleinschottrige Rinne bis zu einem plattigen Absatz mit Steinmann – der Dabelsteinplatte (ca. 2.240m). Hier öffnet sich abermals der beeindruckende Tiefblick auf St. Bartholomä.
Von der Dabelsteinplatte aus fällt die Orientierung wieder leichter, Trittspuren lassen sich gut ausmachen und darüber hinaus markieren gelegentlich grüne Farbflecken am Fels den Wegverlauf. Unerlaubter Weise platziert sind diese nur halbherzig mit grauweißer Farbe übermalt worden. Der Weg zieht nun rund 200m über Blöcke und Schrofen leicht rechts haltend die Flanke (I) hinauf, zuletzt über einen schwach ausgeprägten Grat der massiven Felswand entgegen. Erst kurz unterhalb öffnet sich der Blick auf die orangefarbene Biwakschachtel (2.380m) unterhalb des massigen Pfeilers. Das Herz geht nochmals auf, die letzten Meter zur Unterkunft sind fix erklommen und wir einigen uns die heutige Etappe mit diesem Wegpunkt abzuschließen.

Im Biwak entdecken wir zu unserem Erstaunen ein halbes Dutzend Daunenschlafsäcke die Salewa und Deuter freundlicherweise über die Berchtesgadener Bergwacht gespendet haben. Wir sitzen noch einige Minuten auf der kleinen Bank, die dem Berchtesgadener Bergführer Heinz Zembsch anlässlich seiner 250. Begehung der Ostwand gestiftet wurde, und genießen das Panorama des ausklingenden Tages. Zu unseren Füßen liegen still im Schatten des Watzmann St. Bartholomä und der Königssee nieder,  am Horizont durchflutet das letzte warme Tageslicht die Gipfel und Kuppen von Göllstock, Hagengebirge und Steinernem Meer, zuhinterst thront der Dachstein über dieser famosen Szenerie. Es trennen uns noch 300m vom höchsten Punkt der Watzmann Südspitze, doch wir sind glücklich um unser Tagwerk.
Im Biwak wird das verbleibende Essen rationiert – ein Schnitzel und ein Stück Käse wirken dennoch wie eine majestätische Mahlzeit – bevor es verdient in die Federn geht.

Der Ausstieg – Ausstiegskamine und Gipfelwandl

Der neue Tagbeginnt mit einem fulminanten Sonnenaufgang, ein roter Schweif färbt vom Horizont an den Morgenhimmel. Ein Rest an Proviant genügt zum Frühstück und als die Sonne die ersten Konturen im Fels freigibt verlassen wir das Biwak und steigen in den zweiten Klettertag ein.

Von der Biwakschachtel geht es über Geröll und leichte Schrofen rechts aufwärts um den überhängenden Pfeiler. Nach 50m wendet der Weg scharf nach links und führt durch eine schmale, brüchige Rinne auf den Kopf des massigen Pfeilers (ca. 2.440m). Vor einem Abbruch geht es rechts hinauf und über mehrere, kurze Stufen (III) auf die nun gut sichtbare Kaminreihe zu. Die Ausstiegskamine werden von einer schmalen Schlucht gebildet, die man in einer Abfolge kurzer Kamine (III) erklettert. Immer wieder finden sich hier einzelne Schlaghaken, mit welchen sich die kurzen Kletterpassagen absichern ließen. Auf halber Höhe der Ausstiegskamine (ca. 2.550m) knickt die Schlucht leicht links ab und öffnet sich etwas. Es geht weiter durch die Kaminreihe und über Schrofen (II-III) aufwärts, nun allerdings zunehmend brüchiger. Nach oben hin öffnet sich die Schlucht der Ausstiegskamine zu einem Kessel, an dessen Kopf die Wand deutlich aufsteilt. Zur rechten ermöglicht eine seichte, schuttige Geröllrinne den Ausstieg in eine kleine Gratscharte (ca. 2.630m).

Wir befinden uns hier nun auf Augenhöhe mit dem Watzmanngrat zwischen Mittel- und Südspitze und können die ersten Seilschaften auf der Watzmannüberschreitung erkennen. Zur Linken baut sich bullig die Südspitze auf, ein schmales Fenster im Fels deutet hier bereits den Wandausstieg an. Doch noch trennt uns eine letzte Kletterpassage vom Gipfelglück.
Von der Gratscharte geht es rund 30m den Grat hinauf zu einem 8m hohen Wändchen – dem Gipfelwandl (III+, III- A0). Für diese Wandstufe seilen wir uns nochmals an, die Kletterei wird sicherlich nicht schwierig, aber recht exponiert ist die Lage allemal. Die kurze, senkrechte Passage ist mit einer schnellen Ruckstemme überwunden – wer mag nutzt die vorhandene Drahtschlinge. Auf dem Kopf der Steilstufe findet sich eine Petzl-Lasche für den Stand.
Die verbliebenen 70m schlängeln sich nun über Schrofen (II) geradewegs hinauf zur offensichtlichen Einkerbung. Dort leitet ein kurzer Kamin (II) direkt auf den Watzmanngrat knapp unterhalb der Südspitze.

Nach wenigen Metern reichen Dirk und ich uns am Gipfelkreuz der Watzmann Südspitze die Hände. Eine traumhafte Bergfahrt ist geglückt, ein grandioser Alpinklassiker verbucht. Zur Begeisterung über die kühne Durchschreitung der Wand gesellt sich das Hochgefühl  der himmlischen Rundsicht. 2.712m über den Dingen eröffnet sich uns ein pittoreskes Panorama weit in jede Himmelsrichtung. Die Berchtesgadener Alpen umrahmen unseren Stand, am Horizont stechen die namhaften Massive aus dem Meer der Felsnadeln hervor – Dachstein, Hochkönig, Hochalmspitze, Großes Wiesbachhorn, Großglockner, Großvenediger, Olperer, Zugspitze, Wendelstein, Hochkalter, ...eine Inventur der halben Ostalpen erschließt sich unseren Augen.

Der Abstieg – Wimbachgries

Nach einer ausgiebigen Rast gehen wir den langen Abstieg an. Bis hierhin haben wir uns die Entscheidung offen gehalten, welchen Abstiegsweg wir einschlagen. Nach eineinhalb Tagen im tristen Grau der Felswand zieht uns das Grün des Wimbachtals bedeutend mehr an, als die Überschreitung zum Watzmannhaus. Die zahlreichen von der Mittelspitze entgegenkommenden Überschreiter geben letztendlich den Ausschlag nach Süden abzusteigen, statt gegen den Strom zu schwimmen.

Den Abstieg über das Schönfeld und Wimbachgries möchte ich an dieser Stelle nicht zu ausführlich erläutern. Technisch ist die Wegführung bis ins Tal wenig fordernd (T4), gelegentlich werden die Hände für kurze Felspassagen (I) gebraucht. Die gesamte Route ist äußerst großzügig mit roten Farbflecken gekennzeichnet, selbst bei dichtestem Nebel würde sich hier mit ein wenig Geduld der richtige Weg finden. Wenn allerdings Schneefall hinzukommt, ist ein gutes Studium des Gebietsführers zwingende Voraussetzung. Vor allem auf den Geröllfeldern ist dann schnell der falsche Abzweig gewählt. Ab vom üblichen, markierten Weg bietet die Schönfeldflanke allerdings weitgehend absturzgefährdetes Gelände. Zahlreiche Unfälle belegen diese Erkenntnis.

Nach 2 ½ Std. über leichte Schrofen, ausgedehnte Geröllfelder, sanfte Grashänge und dichte Föhrenwälder erreichen wir das Wimbachgries (ca. 1.500m). Vor uns erschließt sich eine abstrakte Mondlandschaft – die sattgrünen Föhrenwälder schaffen hier eine eigentümliche Oase inmitten steiler Felswände und Schluchten. Es ist ein frappanter Kontrast zu den Grautönen der Ostwand. Auf breiten Kiesbänken und schmalen Sandwegen durchschreiten wir diese einmalige Landschaft, begeistert von der urtümlichen Umgebung.

Dem Schuttstrom folgend passieren wir die Wimbachgrieshütte (1.327m) und das Wimbachschloss (936m) und genehmigen uns jeweils ein Radler. Kurz nach dem Wimbachschloss tritt erstmals das Wasser des Wimbachs zutage, dass seinen Weg bis dahin unterirdisch durch das teilweise über 300m tiefe Schuttbett suchte. Wenig später schon stürzt der Bach von tiefen Wänden eingeschnitten durch die Wimbachklamm (ca. 700m). Wer dieses Schauspiel in voller Pracht bestaunen will, muss den kostenpflichtigen Weg durch die Klamm wählen, die allerdings nur in Aufstiegsrichtung begangen werden kann. Lohnenswert ist der Durchgang allemal – von den Seiten der engen, wasserumtosten Schlucht schießen zahlreiche Wasserfälle paradiesisch herab.

Kurz vor Wimbach trennen sich schlussendlich unsere Wege – Dirk steigt zur Wimbachbrücke (ca. 630m) ab, fährt mit dem Bus zurück zum Königssee und mit dem Auto weiter zu Freunden nach Lenggries und in die Dolomiten, für mich geht es noch hinauf zur Kührointalm, um am nächsten Tag mit einem anderen Kollegen den Kleinen Watzmann aufzusuchen. Zusätzlich zur herzlichen Verabschiedung bekomme ich noch das zweite Halbseil und den Rest der Schlosserei aufgebürdet und darf so bepackt, mit einem kleinen Umweg durch die Klamm, die verbleibenden 900 hm zur Kühroint in Angriff nehmen.

Fazit

Mit guter Vorbereitung erwartet den geübten Bergsteiger mit der Watzmann Ostwand sicherlich nicht die oft verrufene Todeswand, doch lassen sich Anspruch und Gefahren einer Begehung nicht wegdiskutieren. Wer die Ostwand und insbesondere den Salzburger Weg aufsucht, kann einer klassischen Bergfahrt entgegenblicken, welche alpinistische Tugenden – Kondition, Routenfindung, Trittsicherheit und Absicherung – noch weit mehr anspricht als das reine Kletterkönnen. Im Vergleich zu den gebräuchlichen Führen, bietet der Salzburger Weg dabei überraschend luftige Kletterei in verhältnismäßig solidem Fels.

     
 
Schwierigkeit: V (IV+ A0)
Aufstieg: 2.100 hm (1.800 hm Wandhöhe, 2.800 m Kletterstrecke)
Gehzeit: 12:00 Std Aufstieg, 5:00 Std Abstieg
Exposition: NO - SO
Absicherung: Alpin! Am Salzburger Pfeiler sanierte Stände, vereinzelt Normalhaken als Zwischensicherungen. Zusätzliche Absicherung mit Keilen, Friends und Schlingen nötig.
Gebohrte Zwischensicherungen an Unterbrechungsstelle am 1. Band, an Einzelstellen der Ausstiegskamine und am Gipfelwandl.
Gefahren: Abseits von technischer und konditioneller Unterschätzung sind die üblichen Gefahren Stein- und Eisschlag von den zahlreichen Bändern und Absätzen, im Frühjahr Lawinen, Verhauer im Schrofengelände, Orientierungsschwierigkeiten bei Nebel und vor allem Wetterstürze - von Westen anziehende Fronten und Gewitter erkennt man zu spät.
Rückzug: Aufgrund der Wanddimensionen schwierig. Abseilen über den Salzburger Weg wäre vermutlich möglich, durch den unteren Quergang jedoch äußerst kompliziert. Ab dem 1. Band ist die Flucht nach oben über die Biwakschachtel günstiger.
Verhältnisse: Die Randkluft der Eiskapelle stellt im Spätsommer das Hauptproblem dar. Ein Übergang zum Fels muss unter Umständen über unangenehme Platten gefunden werden. Beste Verhältnisse im Fels. Ohne weitere Seilschaften den ganzen Tag über kein Steinschlag. Orientierung mit gutem Studium des Gebietsführers erstaunlich übersichtlich.
Mehr Details zu den Verhältnissen hier.
Mit dabei: Dirk
Wertung: Top!
 
     

Wissenswertes

Als Führerliteratur empfehle ich wärmstens Franz Rasps „Watzmann-Ostwand Gebietsführer“ (Rother Verlag, 7,90 €). Wer die Beschreibung aufmerksam studiert kann sich in der Wand kaum verlaufen.
Die Routenskizze zum Berchtesgadener Weg aus Richard Goedekes „Kletterführer Bayerische Alpen, Nordtirol“ (Rother Verlag, 26,90 €) erwies sich im oberen Teil als erschreckend ungenau (ebenso an der Alten Westwand des Kleinen Watzmann).
Die Bergmonographie „Watzmann - Mythos und wilder Berg“ von Horst Höfler und Heinz Zembsch (AS Verlag, 26,80 €) umschreibt mit zahlreichen Hintergrundinformationen und Anekdoten die Geschichte des Watzmann-Massivs und seiner Ostwand.
Ludwig Purtschellers spannender Bericht zur Watzmann Ostwand findet sich in der Zusammenstellung „Erschliesser der Berge - Band 2 - Ludwig Purtscheller“ (Universität Salzburg)
Webcams in der Nähe: Hirschkaser am  Toten Mann & St. Bartholomä
Der Parkplatz am Königssee kostet 4,- € pro Tag.
Die Überfahrt mit dem Schiff von Schönau zu St. Bartholomä findet in regelmäßigen Abständen statt und schlägt mit 7,- € für die einfache Fahrt zu Buche. Der saisonabhängige Fahrplan findet sich auf der Webseite der Bayerischen Seenschiffahrt.
Den Schlüssel fürs Ostwandlager erhält man beim Wirt der Gaststätte „St. Bartholomä“, wo ebenfalls die Übernachtungsgebühr von 8,- € (AV-Mitglieder) bzw. 16,- € (Nichtmitglieder) erhoben wird.
Keine Kochgelegenheiten in der Hütte. Es hat Licht und Strom. Am Nachbarhaus ist eine Toilette mit Trinkwasser, der Schlüssel hierfür wird mit dem Ostwandlager-Schlüssel ausgehändigt.
Für die Eiskapelle sind in jedem Fall Steigeisen angebracht. Zum einen steilt das Firnfeld im oberen Bereich nochmals auf, zum anderen ist ein leichter Übergang zum Fels äußerst selten.
Für die Kletterei haben sich bei uns 50m Halbseile bewährt, wobei die Seillängen voll ausgegangen werden.
Zur Absicherung genügten 2 - 3 Schlingen, ein Satz Klemmkeile, Cams 0.3 - 0.75 und 8 Expressen.
Kletterschuhe sind nicht zwingend nötig, aber empfehlenswert - die Kletterei auf den teils präzisen Tritten erleichtert es ungemein.
Wasser findet sich in der Wand am Bachlauf im Schöllhornkar und zu Beginn der Gipfelschlucht. In der Nähe der Biwakschachtel ist kein Wasserlauf vorhanden.
Im Abstieg zum Wimbachgries ist unter Umständen ein Bachlauf am Schönfeld (ca. 2.060m) vorhanden.
Unser Gehzeiten zum Erreichen der jeweiligen Wegpunkte, ohne Pausen:
5:30 Uhr Aufbruch Ostwandlager – Eiskapelle 1:00 Std – Felsplatten am Bergschrund 1:00 Std – Schmale Schlucht 0:30 Std – Schöllhornkar 0:35 Std – Biwakblock 0:25 Std – Pfeilereinstieg 1:00 Std – Pfeilerkopf / 1. Band 3:00 Std – Unterbrechung am 1. Band 0:30 Std – Fortführung 1. Band 0:30 Std – Biwakhöhle / Gipfelschlucht 0:15 Std – Schneefeld in Gipfelschlucht 0:20 Std – Dabelsteinplatte 0:45 Std – Biwakschachtel 0:30 Std – Beginn Ausstiegskamine 0:20 Std – Gratscharte 0:45 Std – Kopf des Gipflwändl 0:25 Std – Gipfel Südspitze 0:10 Std
Unsere Etappenzeiten, ohne Pausen:
Ostwandlager – Eiskapelle 1:00 Std
Eiskapelle – Biwak 9:20 Std
Biwak – Gipfel 1:40 Std
Gipfel – Wimbachgries 2:20 Std
Wimbachgries – Wimbachbrücke 2:40 Std

Tourengänger: Peter K.


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Kommentare (9)


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83_Stefan hat gesagt:
Gesendet am 31. August 2012 um 18:36
Spitzenbericht, klasse Bilder! Die Ziele gehen einem halt nicht aus... macht Lust auf die Tour!

simba hat gesagt: Respekt
Gesendet am 31. August 2012 um 18:57
Tolle Tour und ein toller Bericht dazu. Ein richtiges Bergabenteuer in Wort und Bild!

Schneemann hat gesagt:
Gesendet am 31. August 2012 um 22:13
Ein richtiges Musterbeispiel für einen Hikr-Bericht!

Saxifraga hat gesagt:
Gesendet am 31. August 2012 um 22:41
Großartige Tour und ebensolcher Bericht! Gratulation zu diesem alpinen Meilenstein!

lila hat gesagt: wow!
Gesendet am 1. September 2012 um 14:33
Kann mich dem nur anschließen. Man kriegt richtig Lust auf die Tour...
Wenn man Berichte als Ganzes bewerten könnte, dieser bekäme von mir die Maximalpunktzahl.

Peter K. hat gesagt: Danke!
Gesendet am 2. September 2012 um 16:03
Dankeschön für eure motivierenden Kommentare und dass ihr euch überhaupt Zeit genommen habt solch einen langen Schinken durchzulesen.
Es freut mich wenn euch der Bericht gefällt, inspiriert und dem einen oder anderen bei einer Durchsteigung helfen kann.

Wagemut hat gesagt: RE:Danke!
Gesendet am 31. Juli 2013 um 12:55
Schöner Bericht! Wie macht man denn das Kastl nach "Fazit"? Übrigens sollte es beim zweiten Absatz von "Historisches" wohl 1883 und 1885 heißen und nicht 1983..Lustig, dass das bisher niemandem aufgefallen ist:-)

Viele Grüße, W.

ReinerD hat gesagt: Salzburger Weg
Gesendet am 26. September 2016 um 08:21
Servus Peter,
vielen Dank für den ausführlichen und vorbildlichen Hikr-Bericht.

Dieser hat uns, vor allem im Kletterteil des Salzburger Weges bis zum
Zusammentreffen mit dem Berchtesgadener Weg,sehr gut weitergeholfen.
Ab dort war mir die Route schon bestens bekannt sodass wir problemlos noch
1,5h im Dunkeln bis zum Ostwandbiwak weiterklettern konnten
(Anreise mit dem ersten Schiff, daher Einstieg Randkluft erst um 10:30Uhr).
Abstieg vom Südgipfel über den Watzmanngrat,
Watzmannhaus,Kühroint, Königssee.

Sobald ich alle Bilder habe, schreibe ich noch ein paar Optimierungstipps hier rein
denn die Tage sind Ende September schon recht kurz,
die Überwindung der Randkluft ein recht zeitaufwendiges und nicht ganz ungefährliches Unternehmen und auf Wasserquellen oberhalb 1.Band sollte man sich nicht verlassen.

Gruss aus Garmisch
ReinerD
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Nyn hat gesagt:
Gesendet am 20. April 2020 um 06:50
Erst spät habe ich ihn gefunden, diesen tollen Bericht der Watzmann-O-Wand-Besteigung über den "Salzburger Weg". Ganz herzliche Gratulation!
Den "Salzburger" durfte ich mit einem meiner besten Kameraden erleben, wobei ich ob des langen Zeitraums, den das her ist, (~ 1990) leider nur noch wenige Erinnerungen an Details habe.
Um so mehr freut mich diese eindrückliche und detaillierte Schilderung in Text und Bild.

Wir haben damals im Ostwandlager übernachtet, sind in 1 Tag durch bis zum Watzmannhaus, wo wir nochmals genächtigt haben.
Gesichert haben wir einige wenige Seillängen am "Salzburger" (u.a. Höhlenüberhang, Plattenverbindung), den kompletten Rest sind wir dank guter Verhältnsise und ordentlichem Können im Doppelsolo seilfrei gegangen, was natürlich viel Zeit einsparte. Es bleiben trotzdem die gewaltige Höhe, Länge und andauernde nötige Konzentration, die die O-Wand zu einer großen Herausforderung für den erfahren und klettergewandten Bergsteiger machen.


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