Zwischen Fels und Lawinen - Einmal Scharnitzjoch und wieder fast ganz hinab


Publiziert von alpensucht , 17. Juli 2012 um 03:54.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Wetterstein-Gebirge
Tour Datum:18 Mai 2012
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 7:30
Aufstieg: 500 m
Abstieg: 800 m
Strecke:Rastplatz Puitegg - Scharnitzjoch - Puitegg - Puitbach ca. 9,5km

Der zweite Tag beginnt für mich etwas frustrierend, weil meine Freunde ewig nicht aus den Federn kommen. Ich wache etwa 6:30 Uhr das erste Mal auf, schreibe noch einige Notizen zur Tour gestern auf, genieße die Stille und stehe eine Stunde später auf. Einen kleinen Funken Hoffnung hab ich noch, heute eine Mehrseillängentour durch die Scharnitzspitz-Südwand zu schaffen. Aber es liegt immer noch recht viel Schnee besonders oben in den Kammlagen. Weil eben die anderen die Möglichkeit der Südwand fast völlig ausschließen, schlafen sie so lange. Bis 11 Uhr schlafen sie. Eine derartige Demotivation ist mir unbegreiflich, da wir schon nur vier bis fünfmal im Jahr irgendwo hier hinauf kommen!
 
Zwei Wandergruppen passieren unseren Biwakplatz am Rastplatz Puitegg. Ein Pärchen mittleren Alters mit Halbschuhen (es liegen immer noch ca. 30cm nasser Neuschnee!), die wir kurz nach Mittag wieder umkehren sehen („da hoat’s Tiefschnee und des wurde soo steil und mei Frau wollt’ unbedingt den Bikini oanzieh’n“ xD) und vier Schneeschuhwanderer, die gut vorbereitet aussahen, aber auch vorm Scharnitzjoch umgekehrt sind. Und wir „Trahntuten“ kommen natürlich erst nach 13 Uhr weg, weil das Aufräumen des Schlafplatzes und das Packen der Rucksäcke enorm viel Zeit in Anspruch nimmt.
 
Zunächst führt die Spur recht flach zwischen den Latschen dahin bis auf den ersten Buckel. Schon am Vormittag sahen wir mehrere Lawinenabgänge aus der Nordseite der Gehrenspitze, von denen eine sogar bis hinab zum Puitbach-Oberlauf rauschte. Die Spur verläuft scheinbar einige Meter links vom eigentlichen Weg, beeinträchtigt jedoch noch nicht das Fortkommen. Erst etwa auf Höhe der Schüsselkarspitze (N) müssen wir auf einen schönen Gratrücken hinauf, der Aufstieg ist steil, hier drehten die beiden Halbschuhschneewanderer um. Der Schnee wird tiefer und nasser. Einer von uns hat keine Sonnenbrille dabei und deshalb müssen wir uns abwechseln, um die Beeinträchtigung aufzuteilen. Jedem von uns, der die keine Brille für einige Zeit trägt schmerzen die Augen stark. Das wird Jonas wohl nicht wieder passieren!
 
Vor dem letzten schwierigeren Stück befinden wir uns auf einem Grat („Kamplgrat“ laut Karte), der hinauf Richtung Schüsselkarbiwak führt (nichts für Wanderer) und schauen einige Hm hinab auf ein großes Lawinenfeld. Die Hangtraverse dorthin führt über steiles Wiesen- und Schrofengelände, welches mit nassem Schnee bedeckt ist. Jonas wartet auf einem Felsvorsprung und lässt mich vorbei. Direkt unterhalb von ihm rutsche ich plötzlich über die glitschigen Wiesen ca. 3m ab. Die Landung auf dem Lawinenfeld wäre ohnehin sanft gewesen. Je weniger Schnee auf der Wiese aufliegt, desto heikler ist die Begehung, weil allein der Schnee Halt bietet. Als ich mich schon auf dem Lawinenfeld befinde, rutscht plötzlich Jonas ab und segelt sicher 5m abwärts. Das ging wirklich schnell, aber es ist nichts passiert, außer dass er jetzt noch weniger motiviert ist. Zum Klettern ist es sowieso schon viel zu spät und von einer Übernachtung hier oben habe ich deutlichst abgeraten (wegen der Erfahrung von vor wenigen Wochen, link). Die folgende Traverse über die dünne Schneedecke war auch noch einmal recht heikel. Besonders für alle, die keine Stöcke dabei hatten (alle außer ich, einen habe ich natürlich für den Abschnitt weiter gegeben)
 
So kommen wir um 15:30 Uhr schlecht gelaunt oben an… hören zwar nach einiger Zeit der Diskussion, wie es weiter gehen solle, einen „Seil frei“-Ruf aus der Südwand, wissen aber auch, dass wir den Südwandsteig bis zum Hochwanner auch morgen nicht gut schaffen würden, weil noch so viel Schnee liegt und eine enorme Lawinengefahr herrscht. Immer wieder hören und sehen wir welche hinab donnern. So entscheiden wir uns zur Umkehr, damit wir morgen wenigstens den ganzen Tag an der Chinesischen Mauer verbringen können, sofern wir es heute noch bis ganz hinab an den Puitbach schaffen.
 
Mit Hilfe unserer Plane versuchen wir spaßeshalber einen (unglücklichen) Alternativabstieg direlt zum Bachursprung und stapfen schlussendlich doch alle nur durch den nun angenehmen Schnee herunter, treffen bald wieder auf unsere Aufstiegsroute und hatschen so dahin. Die Hangtraversen sind nun relativ unangenehm, weil man mit dem talseitigen Fuß ständig abrutscht. Das nervt und kostet Kraft mit den schweren Rucksäcken. Am Biwak nehmen wir die fast abgeschmolzenen Windschutzwände zur Kenntnis und steigen schnell weiter ab in dem Wissen, dass unten schönes, frisches klares (und etwas mineralreicheres) Schmelzwasser wartet.
 
Warum nun meine Schmerzen am rechten Fuß fast unerträglich waren, muss mich jeder Interessierte per pn fragen, weil das keine veröffentlichbare Info wäre.
 
Jedenfalls kommen wir eine Stunde vor Einbruch der Dunkelheit unten am Bachübergang an, finden einen bestens geeigneten Biwakplatz an einer Stelle, wo vormals ein Häuschen gestanden haben muss. Es ist eine ebene Fläche mit noch vorhandenen Betonfundamenten und (im Nachhinein eingerichteten) Feuerstellen. Heute Abend essen wir wahrscheinlich am ausgiebigsten bis weit in die Nacht hinein. Um 23:30 Uhr liegen wir alle in den Schlafsäcken und beginnen Schäfchen (oder Schneeflöckchen oder Sternlein) bei angenehmen Temperaturen von 2-5°C zu zählen. Das schönste am Biwakplatz ist, dass er nur etwa 30min Fußmarsch von dem Klettergarten Chinesische Mauer entfernt liegt und wir somit morgen den gaanzen Tag lang gut ausgesichert klettern können.
 
Diese „Tagestour“ entsprach keinesfalls unseren Erwartungen und wir hätte sie uns trotz der atemberaubenden Schönheit des oberen Puitentals sparen können. Wir hatten eben so sehr gehofft, evtl. in der Scharnitzspitzsüdwand etwas unternehmen zu können, oder wenigstens den Südwandsteig weiter zu verfolgen und den Hochwanner zu besteigen. Das wiederum haben wir nach meiner gestrigen Erkundung der „falschen Söllerrinne“ schnell verworfen.
Auch wenn das heute für uns nichts war, so würde ich doch jedem fitten Menschen empfehlen, einmal die oberen Gebirgsregionen zu dieser Jahreszeit zu besuchen. Einsamkeit, Ruhe und herrlich verschneite Landschaft ist garantiert und solch eine Hitze wie im Tal gibt es hier kaum!

Morgen gehts in den Klettergarten...

Tourengänger: alpensucht


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