Rainy Day Woman

... dienstplanbereinigtes Wandern bzw. Begegnungen schaffen, nenne ich die jeweilige Tour, die ich mit Edith unternehmen kann. Und dies ist entweder an einem Freitag oder Montag möglich. Nach einem Termin beim Internisten bin ich kurz nach halb zwölf unterwegs im TGV nach Zürich – am Vormittag ist dieser erstaunlicherweise kaum besetzt. Was den Bahngenuss betrifft, kann der TGV mit meinem Lieblingszug, dem ICN, nicht mithalten: Platz fehlt, das Design hat zu viele Kanten und wirkt nicht lebens-erhaltend, stellte ich mir vor, dass diese „Kunst“ mir einem Dolch gleich ein solches Stück in den Magen rammte und schliesslich, Haken für Mäntel und Jacken fehlen gänzlich. Auch die Toilette, zwar gestylt, wirkt despektierlich, obwohl sauber, liegt wohl an der Farbgebung und der „Tapete“! Die Schlosskonstruktion ist lottrig und hat sogar Durchsichtlöcher... Was nützen mir da Stewardessen, die wie Marionetten an den Türen stehen, wenn der Zug im Bahnhof angehalten hat, die zwar im Lächeln den Weltmeistertitel holen dürfen, aber bei Fragen nichts wissen.
 
 ... mit der S 15 reise ich weiter. Neuerdings haben die Geleise der S-Bahn im Bahnhof Zürich HB neue Nummern erhalten, früher waren es die 21 – 24, jetzt sind es 41 - 44. Die Fahrt via Stadelhofen – Uster – Wetzikon – Rüti  beachte ich landschaftlich nicht, ich bin in die Lektüre der BaZ et al. vertieft und erreiche Rapperswil im Regen, die Fortsetzung vom sonntäglichen Wetter. Und es bleibt vorerst so. Ich erledige noch eine Tauchtour für meine Brille bei Fielmann, dann erkundige ich mich digital über das Weiterkommen, und entscheide mich für eine Fahrt mit dem Schiff zurück nach Zürich. Dies teile ich Edith per SMS mit, die auf dem Weg nach Rappi ist, von Niederglatt fährt die S 5 dem rechtsseitigen Seeufer entlang und dort trifft sie um kurz nach 14 Uhr ein. Der Regenwalze verstärkt sich – eigentlich wollte ich mit Edith von Hurden nach Schmerikon wandern, entlang des Obersees, von dessen Gestaden aus sich auch Berge entdecken lassen.
 
 ... am Schiffssteg in Rapperswil stehen nur wenige Fahrgäste, die dasselbe vorhaben wie wir. Die Viertelstunde Warten lohnt einen Blick hinaus auf den See, wo die Insel Lützelau wie eine grüne Haube auf dem See zu stehen scheint. Auch der Asphalt, auf dem wir stehen, kann fotografisch Spannung vermitteln. Das knallige Rot einer eher schon betagten Sitzbank gleichermassen. Auf der „Helvetia“ entscheiden wir uns diesmal für die 2. Klasse. Im Restaurant, mit den dunkelblauen Tischtüchern nehmen wir steuerbordseitig Platz, mit Sicht auf die Goldküste – der lange Höhenzug darüber ist bekannt als Pfannenstiel, das hat whs. weniger mit Kochen zu tun, aber warum dem so ist, noch weiss ich es nicht...
 
 ... ein wenig Gluscht macht sich breit, so bestellen wir je ein Glas Primitivo Salento und ich löffle eine Brotsuppe, die diesen Namen nicht verdient. Das Schiff fährt nach Norden, die Regenwalze hält an, der Wind kräuselt den See auf. Die Zahl zugestiegener Gäste variiert mässig, einzig in Oberrieden steigt eine Wandergruppe zu, deren TN ziemlich wortreich über Gott und die Welt diskutieren.

... kurz nach Thalwil zeigt sich die Sonne zum ersten Mal am heutigen Montag. Innert kürzester Zeit ist Frühsommer. Sich der Mäntel entledigt, die Arme freigemacht, die Sonnenbrille aufgesetzt, ein Blick in den Taschenspiegel, ob der Gloss noch ausreicht bzw. die Maquillage richtig aufgetragen ist, falls etwas Absatz, ob dieser nicht befleckt ist – wir sind in Zürich, Bürkliplatz, angekommen. Von hier begeben wir uns zuerst zum Paradeplatz. Edith schlägt vor den Prime Tower sich näher anzusehen.  Mit dem 8-Tram fahren wir zuerst zum Hardplatz. Noch wundere ich mich und weiss es diesmal nicht besser, dass auf der neuen Hardbrücke der Fussgänger nicht zurechtgewiesen wird: er hat viel Platz bekommen! Wir spazieren mitten im Spätnachmittag hinüber zum Ground Prime ... vorbei an der S-Bahn-Station Hardbrücke, die nach wie vor nicht gerade einladend sich präsentiert. Und finden den in unmittelbarer Nähe liegenden PT, wo ein Seiteneingang zum Clouds führt. Im ersten Stock erfährt man an einem eher schmucklosen Desk, dass der Aufzug einen in den 35. Stock hinaufhievt, aber als ich dann in der engen Kabine stand, verwarf ich das Unterfangen, entschuldigte mich bei Edith und trat wieder hinaus ins Freie – Ende des Prime Tower-Besuches. Auch die an diesem Platz sich präsentierenden Restaurants fanden bei mir keine Gnade – es liegt nicht an der Moderne, aber der Charme fehlt. Zudem, um kurz vor 17 Uhr gähnende Leere, keine Anzeichen von Afterhour-Peoples.  Einen weitern Spektakel wie den „Freitag-Tempel“ zu besuchen, schlug ich aus. Ich konnte irgendwie keinen Gefallen daran finden – Freitag-taschen sind zwar nach wie vor IN, aber nicht mein Quartier.
 
 ... für andere, ggf. städtebauliche, Besuche hatte ich nach dem Prime Tower keine Lust mehr. Dann lieber irgendwo im ZO oder ZU wieder wandern bzw. spazieren und dinieren. An einem Freitag oder Montag, dienstplanbereinigt. Demnächst.
 
 ... Edith nahm von der Hardbrücke die S 5, ich fuhr zum HB, schaute mich noch ein wenig um in der grössten Bahnhofshalle der CH, sah die eilenden Berufsleute, deren Blicke meist nur noch auf die Smartphones gerichtet und deren Ohren zugestöpselt sind – ob die wohl je noch Vögelzwitschern hören können statt zu Twittern?
  
Rainy Day Women – Titel kam zustande, als ich auf Edith wartete, im strömenden Regen am Bahnhof Rapperswil!  

 
Ausflug mit Edith