Gehrenspitze im Föhnsturm - Eine Lektion durch Unachtsamkeit


Publiziert von alpensucht , 26. Mai 2012 um 00:22. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Wetterstein-Gebirge
Tour Datum:30 April 2012
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 11:30
Aufstieg: 550 m
Abstieg: 1300 m
Strecke:Erinnerungshütte-Gehrenspitze-Scharnitzjoch-Einstieg Scharnitzspitzsüdwand-Scharnitzjoch-Wangalm-Wettersteinhütte-Leutasch Klamm- Leutasch Gasse

Nach der letzten äußerst ungemütlichen Nacht wache ich noch vor Sonnenaufgang auf und warte auf das, was es auch so lohnenswert macht frei zu biwakieren: den Sonnenaufgang. Spektakuläre Szenerien entwickeln sich langsam vor meinem Auge. Schnell wecke ich Bergkumpel Johannes, damit er Teil an diesem traumhaften Naturschauspiel haben kann.
 
Erst taucht die felsige Kulisse um uns herum aus dem Dunkel in tiefes, dunkles blau ein bis sie schließlich immer mehr in Rosa- und Rot-Töne übergeht und sich uns vor einem grandios dunkelblauem Himmel im Westen und einem grell orange- und pink- bis gelbfarbenen Himmelszelt eröffnet, der den Schnee direkt um uns herum mit zartem Rosa erscheinen lässt. Gleichzeitig erglimmen die höchsten Wetterstein- und Mieminger Gipfel in kräftigem Orangerot, das diese wie überdimensionierte, weihnachtliche Räucherkerzchen aussehen lässt.
 
Doch bei all diesem träumerischen und verschlafenen Staunen lässt doch der Sturm kaum nach. Wir entscheiden uns dazu, nur die nahe Gehrenspitze ohne Gepäck  vom Biwakplatz an der Erinnerungshütte zu ersteigen und nachher weiter den Südwandsteig durch den tiefen Schnee zu verfolgen. Wir frühstücken ordentlich und machen uns etwa 7:30 Uhr auf zum Westgrat der Gehrenspitze, der im Sommer über einen markierten Steig im T3-Bereich führt. Zu dieser Jahreszeit jedoch müssen wir uns zum Teil durch bis zu hüfttiefen Schnee entlang der steilen Flanken unterhalb des Westgrats vorwärts arbeiten.
Doch schon schnell zeigt sich, wie wertvoll der frühe Aufbruch für uns ist. Der Schnee wird vom Föhnsturm von Süden gepresst und ist bei 8°C auch noch nicht so sehr durch geweicht sondern relativ griffig, aber auch so, dass keine Abrutschgefahr besteht. Johannes rüstet sich mit meinem Helm und Eispickel aus, mir reichen meine guten Trekkingstöcke aus.
 
Gefährlich sind diese Flankenabschnitte, wo die Sonne schon länger drauf scheint und sich unter der Schneedecke Wiese befindet und sich schon kleine Risse in der Schneedecke gebildet haben. An den steilsten dieser Stellen weichen wir etwas oberhalb Richtung Grat aus, wo das Gelände hier tendenziell flacher ist.
Obwohl wir an einigen Stellen Konzentration und Routengespür benötigen, reichen uns etwa 90min zum Aufstieg bis auf die Gehrenspitze, zu deren Gipfel die letzten Meter steil über mit Schnee bedeckte Schrofen führen. Der letzte Eintrag im Gipfelbuch war fast zwei Monate her, der letzte Eintrag der letzten Saison fand im Dezember statt. Wir können also von einem zumindest im Winter relativ selten besuchten Berg sprechen.
 
Doch weil es oben so stark stürmt, genießen wir nicht lange die eindrücklichen Tiefblicke ins Puiten- (N) und Leutaschtal (S) und begeben uns schnell wieder auf den Rückweg, den wir nun deutlich sichereren Schrittes begehen. Steile Schneefelder ohne Gepäck auf dem Rücken abwärts laufen ist das schönste in dieser Jahreszeit! Nahe am Grat aber muss ich mich davor hüten, mich öfters zur Seite zu drehen, denn einmal hätte es mich dabei fast vom Grat geblasen (Wind von links, S)
 
Als wir zurück zum Biwakplatz kommen, stelle ich schockiert fest, dass der Föhnsturm meinen Schlafsack weg gefegt hat. Spurlos verschwunden, direkt vom Gratrücken. Wir sind das Gelände rundherum weiträumig abgelaufen, konnten aber nichts finden. Also: wer einen MERU NEVADA SCHLAFSACK IM KOMPRESSIONSSACK in der Gegend finden sollte, melde sich bitte per PN J So beschließen wir, erst einmal zur Wettersteinhütte abzusteigen und eventuell sogar abzubrechen, weil man ohne Schlafsack eben kaum eine Mainacht im Föhnsturm gesund überstehen kann. Diese Lektion wegen meiner Unachtsamkeit (schlecht verstaut) muss ich nun lernen! Doch vorher schauen wir uns noch den Grat/Weg/Zustieg zur Südwand der Scharnitzspitze an, wobei wir wieder einige Lawinen aus der Wand stürzen sehen und hören. Außerdem zeigt sich der gesamte Westgrat der Gehrenspitze von hier aus von seiner schönsten Seite in voller Länge. Zurück im Scharnitzjoch nehmen wir das schwere Gepäck wieder auf und stapfen durch den Schnee weglos und direkter hinab, da der Verlauf des markierten Steigs (wenn auch noch unsichtbar) näher der lawinengefährdeten Hängen liegt.
Kurz vor der Wangalm liegt die Schnee-/Schmelzgrenze, unter der das Gehen mit schwerem Gepäck sehr unangenehm ist. Meinem schlechten Sohlenprofil verschuldet, rutsche ich einmal plötzlich aus und stürze vorwärts und schlage dabei mit dem Oberschenkel auf einen scharfkantigen Stein auf. Ein kurzer Schreck, banges Körperabtasten – nichts schlimmes, weiter geht’s. Auf der Wangalm sagen wir nur kurz Hallo, weil gerade Leute da sind und dann freuen wir uns auf die Sonnenterasse der Wettersteinhütte, deren Zufahrtsstraße noch mit 1,50m Altschnee bedeckt war.
Hier entschließen wir auch ganz entspannt heute noch abzusteigen und bei meinem Cousin in München zu übernachten.
 
Bleibt noch zu erwähnen, dass wir im Abstieg über den ordentlich markierten Weg den Klammbach, der direkt hindurch verläuft und viel Schmelzwasser führt, etwas weiter abwärts über diesen springen und unser Gepäck einzeln werfen um nach Leutasch Klamm zu gelangen. Von Klamm bis Gasse gings auch noch zu Fuß, den Rest trampen wir bis Mittenwald.
 
Ein nicht sehr erfreuliches und unerwartetes Ende nimmt unsere kleine Wettersteintour an diesem Tag. Dennoch hat sich der Gipfel der Gehrenspitze sehr gelohnt. Wer Fehler macht, lernt wenigstens mehr dazu. Wir freuen uns darauf, bald schon etwas Fels zwischen die Finger zu bekommen!
 

Tourengänger: alpensucht, jowiesel


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