In den Wirren des Frühlings - Von der Leutasch zum Scharnitzjoch 2048m


Publiziert von alpensucht , 7. Mai 2012 um 22:39. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Wetterstein-Gebirge
Tour Datum:29 April 2012
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Schneeshuhtouren Schwierigkeit: WT2 - Schneeschuhwanderung
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 11:00
Aufstieg: 1300 m
Abstieg: 500 m
Strecke:Leutasch-Schanz bis Puitbach mit Auto - Verhauer - Puitegg - Scharnitzjoch - Erinnerungshütte ca. 8km

In den Wirren des Frühling I
 
Von der Leutasch zum Scharnitzjoch 2048m
 
Nach einem langen Anreisetag gestern per Mitfahrgelegenheit, Bahn und zu Fuß von Mittenwald über den südlichen Erlebnispfad Leutascher Geisterklamm bis Schanz, wo wir zum Teil unruhig und kurz nächtigten, beginnen wir nun um 6:00Uhr bei angenehmen 6°C mit einem ausgiebigen Frühstück im Wald den ersten richtigen Tag unserer Frühlingstour durchs südliche Wetterstein.
 
Bis 7 Uhr sind wir, Johannes - ein Potsdamer Kletterkumpel -  und ich, fertig mit dem Mahl und bereit zum Aufbruch. Unser Weg führt uns zunächst zur Straße, die weiter ins Leutaschtal hineinführt, um dort bis zur Mündung des Puitbachs in die Leutasch zu trampen. Das stellt sich zu zweit und mit schweren Rucksäcken zum wiederholten Male als unproblematisch dar. Dort gehen wir auf einem Trampelpfad parallel zum Puitbach bis wir auf den großen markierten Wanderweg treffen. Doch wo dieser laut Karte zum Fußweg (rot gestrichelt) wird auf rund 1200m geraten wir durch diverse Forstpfade und Schneefelder ab vom richtigen Weg. Wir versuchen zunächst erst einmal einige Höhenmeter zu gewinnen. Wir befinden uns etwas zu weit östlich vom richtigen Weg, steigen also diagonal zum Hang in nordwestliche Richtung auf, übersehen dabei auf der Karte (nur 1:50000), dass der Puitbach auf 1200m im oberen Lauf weiter westlich verläuft und sich ein anderer Zufluss (unbenannt) aus NNW mit diesem vereinigt. Diesen falschen Lauf halten wir per Gehör für den Puitbach, auf den wir nun zu halten. Auch der dichte Wald verhindert, dass wir uns an den umliegenden Gipfeln und Wänden orientieren können.
 
Leider gelangen wir nur wenige Hm oberhalb der Bachvereinigung an den falschen Lauf, an dessen Ufer und teils trockenen östlichen Bett wir uns nun länger aufwärts arbeiten (T4- I), gehen wir doch davon aus, dass der richtige Weg sich nur einige 100m weiter rechts (östlich) befindet. Als das Gelände im Bachbett zu gefährlich wird, weichen wir weiter rechts aus und beginnen den Weg zu suchen. Dabei wird das Gelände dermaßen steil und rutschig (Schneeschmelze) dass wir unsere Pickel auspacken, um weiter voran zu kommen (T5, Waldboden, abwärts gerichtetes feuchtes Gras, steile, teils gute Trittschneefelder).
 
Wenn ich an diesem Vormittag nur halb soviel Energie gehabt hätte, wäre ich schon nach 20min wieder umgekehrt, aber nein die abenteuerlustigen, jungen Herren müssen da ja unbedingt mit ihren 20kg Rucksäcken ihre Energie loswerden, damit sie auch ja nicht die Wettersteindurchquerung schaffen!
 
So stehen wir nach geschlagenen 2h Aufstieg bis auf knapp 1500m ein, dass wir uns völlig verrannt haben und beginnen den Abstieg über ein langes, steiles Schneefeld, welches oben direkt unter der Südwand des Öfelekopf 2478m beginnt und uns direkt bis zum „falschen Bach“ zurückführt. Wir testen sogar schon mal unsere Schneeschuhe im mäßig steilen Abstiegsgelände und sind aber eher überfordert damit und packen sie nach einigen Minuten wieder ein, nachdem ich sogar einmal gestolpert bin…
 
Etwas oberhalb von 1200m und dem Bachabzweig finden wir dann den richtigen Weg und machen erstmal unsere wohlverdiente Mittagspause, obwohl wir an dieser Stelle heute schon um 10 Uhr hätten sein müssen. Nun ist es 12:30Uhr und wir haben den richtigen Weg gefunden. Immerhin :D
 
Dieser Fußweg führt uns nun relativ schnell und steil in schönen Serpentinen durch den Wald empor. Im Sommer kann der Weg nicht viel schwerer als T2 sein, doch jetzt gibt es sehr viele steile, teils auch harte, bis 1,5m dicke Schneefelder, die die Wegfindung erschweren und ein nur langsames Vorankommen zulassen (Stufen treten, T3+). Doch uns bringen nun keine zehn Pferde (oder von mir aus Alpensteinböcke) vom richtigen Weg ab.
 
Oben an der Waldgrenze am Puitegg auf 1500m wundern wir uns nicht, dass wir nun auf eine geschlossene, tiefe Schneedecke treffen. Wir haben schon ordentlich geschwitzt durch den Wald hier herauf, doch nun erwarten uns knapp 4km in tiefem Schnee und der prallen Sonne ausgesetzt, aber durch ein landschaftlich „äußerst reizvolles“ (AVF) Tal, das Puittal. Trotz der Hitze (20°C besonders wegen der starken Rückstrahlung) und der schweren Rucksäcke kommen wir nun mit unseren Schneeschuhen recht gut voran (WT2). Wir sehen sogar eine Schneeschuhspur ab dem Wegweiser am P.1589m, wo rechts der Weg hinauf durch die Söllerrinne hinüber aufs Leutascher Platt führt, die jedoch meist etwas nördlich vom eigentlichen Weg durchs Puittal verläuft. So spurt immer einer von uns fleißig.
 
Die Lawinengefahr dürfte nun am Nachmittag längst auf „erheblich“ angestiegen sein. Deshalb pausieren wir noch mal auf einer Geländerippe auf ca. 1800m, um für den letzten etwas lawinengefährdeten Bereich genügend Kraft zum Schnellgehen haben, legen unsere Piepsgeräte (LVS) an und sprechen noch mal schnell alles für den Notfall durch. Prompt poltert eine Lawine hinter uns von den Südosthängen der Schüsselkarspitze hinab. Leider, oder zum Glück, sehen wir sie nicht.
Etwa 50m Abstand haltend laufen wir nun zügig ohne Schneeschuhe weiter, die mit der Zeit etwas lästig werden und im steileren Gelände mit unseren Fertigkeiten (Schneeschuhanfänger) nicht sehr tauglich sind (stark abgerundete Harschkrallen). Da spuren wir lieber über knietief. Der letzte Aufschwung zum Scharnitzjoch 2048m sieht von weiten mal wieder viel schlimmer aus, als er ist. Zuvor müssen wir nur noch über die unteren Teile einiger Lawinenkegel gehen und einen kleinen Gegenanstieg bewältigen.
 
Oben im Joch angekommen, lass ich mich teils aus Erschöpfung, teils aus Dankbarkeit auf die Knie sinken und esse einiges an Schnee. Unsere Wasservorräte sind bald aufgebraucht, gut dass wir Salz und Zucker dabei haben, so ist es kein Problem der Dehydrierung durch zu viel Schmelzwasseraufnahme entgegen zu wirken. Die letzten Meter zur Erinnerungshütte gehen zügig. Doch es ist schon 18 Uhr und beim Anblick des weiteren Verlaufs des Südwandsteigs, den wir ursprünglich bis zum Gatterl und zur Knorrhütte (WR!) verfolgen wollten, sind unsere Aussichten für den nächsten Tag nicht gerade rosig.
Nun müssen wir jedoch erstmal die Nacht auf über 2000m und bei Föhnsturm ohne Dach über dem Kopf überstehen. Die Hütte ist wie vermutet verschlossen, der Schnee liegt zum Glück abgeblasen und zusammen geschmolzen nur etwa bis 1,50m hoch, aber schickt viel Wasser in unseren Schlafbereich im „Windschatten“ der Hütte.
Wir setzen uns zuerst auf die Treppe und versuchen zu regenerieren, wobei mir sehr kalt wird, da wir unsere völlig durchnässten Schuhe etwas im Wind trocknen wollen und nun barfuß da sitzen, schaufeln, bevor es dunkel wird, ein kleines Wasserreservoir in den Boden, schmelzen Schnee zum Nudelsuppe kochen, speisen höchst genüsslich und legen uns schon gegen 21 Uhr aufs Ohr. Zuweilen mussten wir auch schnell barfuß in den Schnee rennen, weil verschiedene Gegenstände weg geweht worden sind.
 
Eine „krasse“ Nacht draußen
 
Dafür haben wir eine äußerst praktische, nicht praxiserprobte Plane doppelt ausgelegt, die nach wenigen Minuten das Wasser durchdrücken lässt. Die immer noch hohen Temperaturen lassen auch kein Windschutz aus Schnee zu, da wir sonst über Nacht weg schwimmen würden. Also müssen wir halb dem starken Wind ausgesetzt an der einzigen halbwegs trockenen Hüttenwand unser Lager beziehen. Doch wache ich gegen 23 Uhr auf wegen lärmenden stürmischen Böen, einem Muskelkrampf (hab vergessen Magnesiumtabletten zu nehmen) und wegen der zunehmenden Nässe von unten, wenn ich überhaupt jemals richtig eingeschlafen bin! Daraufhin ziehen wir einmal 90° um die Ecke, wo Johannes halb auf einem Schneefeld liegt und ich immer noch windausgesetzt bin, weil der Wind um die Hütte herum pfeift. Immerhin bin ich ein guter Windschutz für Johannes, so dass wenigstens er etwas schlafen kann. Wir haben übrigens auch jeder eine Flasche voll Schnee mit im Schlafsack, weil es nicht kalt ist, wir aber viel Wasser am nächsten Morgen brauchen würden. Gegen 2:30 Uhr ziehe ich nach langem Warten wieder um weitere 90° bis unterhalb der Treppe um, erweitere das klar gewordene Reservoir, baue einen leidlichen Windschutz aus unseren Rucksäcken, lege einige Steine unter meine Isomatte, damit ich nicht wegrolle oder –rutsche und kann tatsächlich noch mal etwa zwei Stunden schlafen.
 
Doch noch bevor der Traum eines jeden bergsteigenden Freibiwakierers sich erfüllt, erwache ich schon wieder und warte nun dessen Erfüllung ab…        
 
 

Tourengänger: alpensucht, jowiesel


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