Muybridge oder das Ende von Kodak ...als die Bilder laufen lernten..


Publiziert von Henrik , 8. Februar 2012 um 12:58.

Region: Welt » Schweiz » Freiburg
Tour Datum: 7 Februar 2012
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GE   CH-VD   CH-VS   F   CH-FR 
Strecke:Bahnfahrt nach Bulle - Albeuve/ Croy-Romainmotier
Zufahrt zum Ausgangspunkt:ÖV
Zufahrt zum Ankunftspunkt:ÖV

 ... es ist ja nicht einfach eine kleine Notiz, die wir im Rausch der Meldungen und Reizüberflutungen ad acta legen sollten – wer auf hikr. Berichte erstellt, denen keine Bilder angehängt sind, ist zwar nicht benachteiligt, aber die Beachtung erfährt eine Nuance, nach unten! Das Foto (Ende der analogen Fotografie?) bzw. das Abbild oder das Vielgerühmte „ein Bild sagt mehr als 1000 Worte“ ist das Produkt der Fotografie, der Vervielfältigung des Gesehenen, möglicherweise der Realität, jedenfalls aus unsere Zeit nicht mehr wegzudenken. Die Protagonisten haben schon vor  mehr als 100 000 Jahren versucht, die Realität abzubilden, Duplikate herzustellen – früher die ausschliessliche Angelegenheit des Zauberers (...), des Stammesältesten, des Medizinmannes oder der Mystiker in deren Reihen. Zuerst waren es Standbilder, die Bewegung war der Erfolg des Engländers Eadweard Muybridge, er gilt als der Erfinder des Kinematographen (die Anekdote dazu erzählt: durch eine Wette wurde im Jahre 1877 er dazu angeregt, seine berühmt gewordene " Kamerareihe" aufzubauen. Man wollte nur wissen, ob ein galoppierendes Pferd alle vier Beine vom Boden lässt..). Wenn wir in geschlossenen Hüllen unterwegs sind, Panorama-Fenster oder Bullaugen nutzen, um nach draussen zu sehen, dann haben wir dank der Geschwindigkeit letztlich Muybridge’ Verhältnisse!
 
 ... Dank Kodak und Muybridge, der mir bei meiner Fahrt in die Romandie in den Sinn kam, ich las eine fotohistorische Abhandlung in einer der letzten  NZZ-Feuilletons, entsann ich mich der Technik des bewegten Bildes – im Zug (der TPF) wie auch in der S-Bahn (SBB) ist die Eile des vorbeihastenden Bildes gerade noch verfolgbar – wer es etwas schneller liebt, muss Abstriche machen – diese Resultate sind aber nichts desto Trotz eine Herausforderung. [Hinweis: die Betrachtung schliesst das Auto etc. bzw. das Motorrad per se nicht aus, sie lassen genauso Erlebnisse zu wie eben Bahnfahrten, einziger Unterschied, die Sicht vom Standort des Betrachters bzw. Reisenden bzw. Mitfahrer ist um Nuancen anders!].
 
 ... ich hatte eigentlich geplant in Vuissens essen zu gehen, im Zug von Bern nach Fribourg war ich mir plötzlich nicht mehr sicher, ob die ggf. noch Ruhetage hätten – etwas schneller als das Bild sind Funkwellen, und Bulbiferum war der Diffigste: ...bis und mit „Mardi“ geschlossen! Die Landschaften südlich des Gibloux gaben eine eisige Wüste ab, Myriaden von Eiskristallen wurden durch die Bise herumgewirbelt, meine Lust, mich ihnen zu stellen und die eisigen Temperaturen an den Wangen zu spüren, war unvermittelt... ich fuhr nach Albeuve, wo ich einst mit Claudia nächtigte, als wir von Les Cases dorthin wanderten. Dort hat ein Pächterwechsel stattgefunden. Das Lokal war mässig besetzt, der Teller gross und reich, die Wärme ein Genuss. Draussen begann es zu schneien, dies führte zu einer Umplanung. Statt ins Wallis oder ins BO zu fahren, entschloss ich mich, die begonnene Serie des Bilderlebnisses auszuweiten und mich in die Region des Lavaux fahren zu lassen. Die Landschaften änderten sich aufgrund des Lichtes und Witterung dauernd – ihnen gemeinsam aber war der Umstand des aktuellen Winters: weiss, eisig, keine Pancakes, Eiskristalle und die Hunderte von möglichen Nennungen wie man Schnee bezeichnen kann...die Inuit haben dafür ein Portefeuille von mindesten 200 Möglichkeiten! 

 ... die S-Bahn REV brachte mich ins Lavaux, das Binnenmeer des Lac Léman verströmte mykenisches Gold, Schliemann sei Dank. Die nackten Rebstöcke erschienen mir in Rostbraun, wohl eine Folge des tiefen Sonnenstandes – die Bilder (nicht mehr auf Kodachrome 64, wie mochten wir die gelbe Schachtel, ohne die eine Expedition kaum gelingen wollte!) ... ein Foto sagt mehr als Tausend Worte? Kurz vor Lausanne gibt es eine Haltestelle „La Conversion“ – passt hervorragend zum Thema, übrigens hier isst man gut im Buffet de la Gare. Statt in Cossonay auszusteigen, mit dem Funi hinauf in die Altstadt, blieb ich sitzen bis Croy – zwischen Arnex-sur-Orbe und der Folgestation glaubte ich im hohen Norden zu sein, die Bahn schwingt eine ausholende Kurve, Monochromie sprach die Landschaft, Eiskristalle in Aufruhr und ein Caspar Friedrich hätte seine Lust gehabt! Ich haderte ... hinaus, vielleicht eine knappe Stunde Gehzeit von Croy nach Arnex, durch diese Weite – als ich die S-Bahn verliess, fror mir und der Wind erfasste die kleine Haltestelle, wo auch der TGV vorbeisaust. Nein, ich setzte mich ins Café de la Gare (Croy), die Stube wirkte verlassen, „un thé infusion du menthe“ bestellte ich und vertiefte mich in die mitgebrachten Karten. Kurz vor fünf, das Licht bestach durch Grau und der Wind fegte den Schnee bis hinein ins Glaswartehäuschen ... wie Sand lag er auf dem Boden, bildete kleine Dünen. Ich fuhr nach Lausanne zurück, bezog Platz im ICN, der mich nach Biel brachte, „le train pour Bâle se trouve en face“ und inzwischen war es kurz nach 18 Uhr, begann es draussen erneut zu schneien – im Dänischen (meine Muttersprache) gibt es einen Ausdruck für Schnee, der insbesondere in flachen Regionen wie Staub über die Ebene geblasen wird, insb. typisch wenn man auf den Strassen bzw. Wegen unterwegs ist...snefygning (Snefug heisst zwar Schneeflocke), aber die Form und der Wind schaffen ja Neues, anderes.
 
 ... in Basel fror es mich auch, aber anders. Diese Kälte, nur wenige Grade unter Null, fühlte sich eben anders an als in Croy – die gefühlte Temperatur, übrigens eine Ausdrucksweise, die der Chill-Factor  geschaffen hat! .... man redet heute ja oft von „gefühlten“...XY. Dass aber die gelbe Schachtel mit dem Schriftzug Kodachchrome 64 einfach aus unseren Gesichtsfeldern verschwindet, „end-of-the-line“ ist wie Schnee, der dann mal schmilzt und in der Gosse davon gespült wird... 

Eine Hommage an die Fotografie!


Tourengänger: Henrik
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Kommentare (2)


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bidi35 hat gesagt:
Gesendet am 8. Februar 2012 um 16:04
schön geschildert, Henrik.

Zum Glück waren die Scheiben im Zug sauber......

LG Heinz

CarpeDiem hat gesagt:
Gesendet am 9. Februar 2012 um 20:49
Schliesse mich dem Kommentar von bidi35 an.
Eine halbe Weltreise hast Du da gemacht...

Gruess


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