Skitouren für Fortgeschrittene: Kleine Bannalper Runde oder *Zitronentour in arktischer Kälte

*Adrian hat den Begriff Zitronentour so definiert: "Eine Zitronentour ist eine Skitour bei der man am Ende der Tour fest in eine Zitrone beissen muss, damit einem das Grinsen aus dem Gesicht fällt".

Heute ist es mir genau so ergangen. Und das kam so: Ursprünglich wollte Jean-Pierre mit uns heute zum Kursabschluss noch einen abfahrtslastigen Tag im Gemsstockgebiet absolvieren. Da wären meine mässigen Abfahrerqualitäten schonungslos aufgedeckt worden. Netterweise sind aber momentan die Temperaturen auf 3000m eher unfreundlich und so wurde das Tagesziel kurzum neu definiert. Nachdem uns letztes Wochenende der Nebel einen dicken Strich durch unsere Tour auf die Sinsgauer Schonegg gemacht, hatten wir im Bannalpgebiet sowieso noch eine Rechnung offen. 

Jean-Pierre schlug uns vor, die kleine Bannalper Rundtour zu absolvieren. Da uns mittlerweile keine Herausforderung zu gross ist, fügten wir uns ohne Widerrede in unser Schicksal. Mit der LFCH fuhren wir auf die Bannalp und konnten nach kurzer Abfahrt das obligate Aufwärmkafi im Urner Staffel geniessen. Aber auch die heisseste Ovi ist irgendwann ausgetrunken und da wir schliesslich zum Skifahren gekommen waren, verliessen wir den gastlichen Ort und stellten uns der arktischen Kälte (-25°!). Dick verpackt beginnen wir den Aufstieg. Jean-Pierre schlägt ein etwas höheres Tempo an, er weiss nämlich, welches Tagespensum auf uns wartet. Wir tappen munter hinter her. Kurz vor der Bannalper Schonegg ist ein erster Halt angesagt, den einige von uns auch zur Tenüerleichterung benutzen. Auf dem Pass ist die Schneeoberfläche gelegentlich so hart gepresst, dass nicht einmal ich irgendwelche Spuren hinterlasse. Wir wenden uns nach links und folgen dem Grat Richtung Chaiserstuel. Dabei halten wir mit gehörigem Respekt Abstand vor den mächtigen Wächten, die von den Kräften des Windes zeugen. Schnell abgefellt und Abfahrtbereitschaft erstellt: nun warten fast 1500 Meter Abfahrtsspass auf uns!!!

Jean-Pierre hat einen günstigen Übergang über den verwächteten Grat gefunden. Nachdem der steile Einstieg hinter uns liegt, können wir uns mit Entlastungsabständen auf die breiten Hänge stürzen und uns so richtig austoben. Das Gelände ist natürlich bereits stark verspurt, aber trotzden findet jeder von uns eine Linie, die ihm Spass macht. Viel zu schnell sind wir bei der Hinter Alp. An der Sonne wird uns nun auch so richtig warm ums Herz. Nach Hinter Alp wird das Gelände etwas enger und flacher. So sind wir auch auf eine solide Doppelstocktechnik und kräftige Oberarme angewiesen. Der Weg führt durch tolle, tief verschneite Landschaften, die uns für unsere Mühen entschädigen. Vom Chimiboden geht es nochmal in rassiger Fahrt auf der Forststrasse hinunter nach St. Jakob. Meine Skis machen auf dem Parkplatz vor der Bahn Bekanntschaft mit dem reichlich gestreuten Split :-( Wir besteigen die Achter-gondel, die uns zügig hoch ins schnüslige Skigebiet Gitschen bringt, wo wir eine kurze Rast (Jean-Pierre nennt das Sandwich-Pause, im Gegensatz zur viel kürzeren Riegelpause) machen. Die Zeit ist inzwischen fortgeschritten. Zügig geht es deshalb vorerst durch den Wald, anschliessend in einem Tal Richtung Sinsgauer Schonegg. Vor uns baut sich eine weisse Wand auf: ziemlich abschreckend, nach viereinhalb Stunden tüürelen. Unentwegt folgen wir unserer Lokomotive Jean-Pierre auf der gut angelegten Spur. Einige Spitzkehren sind natürlich auch zu absolvieren, die Gratwächte rückt aber relativ schnell näher und unvermittelt kommen wir auf die Passhöhe: ein toller Moment. Auf der Schonegg wenden wir uns nach links und steigen noch 500 Meter Richtung Oberalper Grat. Nun folgt die wohl steilste Abfahrt meines Lebens: mehr schon ein kontrollierter Absturz! Spass beiseite, das Gelände ist ordentlich steil und da ich nie zu den Ersten der Gruppe gehöre, ist dann auch der dämpfende Pulverschnee weggeschwungen bis auf den pickelharten Eisdeckel. So nehme ich mir die Freiheit, die ersten Meter unelegant abzurutschen. Langsam wird die Szenerie romantisch: der Sonnenuntergang kündigt sich mit rötlichem Licht an, links und rechts liegt unverspurter Pulverschnee und eine ganz besondere Stille liegt über dem Hochtal des Flüelenboden. Wir sehen nun, was wir letzte Woche im White Out nicht erkannt haben und stellen definitiv fest, das Skifahren auf Sicht einfach mehr Spass macht. Die letzten Meter hinunter nach Oberrickenbach sind nicht mehr die reine Freude, aber was soll's, wir haben einen phänomenalen Tag und einen würdigen Abschluss unseres Skitourenkurses erlebt: eben eine Zitronentour. Wobei ich noch anmerken kann, dass ich auf die Zitrone verzichtet habe und am Abend mit einem breiten Grinsen eingeschlafen bin.

Tour mit Jean-Pierre von Adventure Factory und Franziska, Franzi, Bettina, Serge, Michael, Hubert, Matthias, Erich und Stefan. Herzlichen Dank an alle! Diese vier Tage waren ein tolles Erlebnis mit flotten Bergkameraden!