Alleingänge in der Sesvenna-Gruppe


Publiziert von Cubemaster , 11. Januar 2012 um 23:29.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Unterengadin
Tour Datum:14 August 2011
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Lischana Gruppe   CH-GR   Macun-Nuna-Gruppe   Pisoc-Zuort-Gruppe   Plavna-Gruppe   Russenna-Gruppe   Sesvenna-Gruppe   Starlex-Terza-Gruppe   I   Tavrü-Vallatscha-Gruppe 

In den letzten Jahren war ich häufig in der Sesvenna-Gruppe unterwegs. Für mich ist es das schönste Gebiet der Alpen und mit der Zeit kam mir die tollkühne Idee alle Hauptgipfel im Alleingang zu besteigen. Aus verschiedenen Gründen, fand ich es sinnvoll 250m Schartenhöhe zugrunde zu legen. Dann bleiben folgende 8 Gipfel (nach Höhe sortiert):
  • Piz Sesvenna (3205m)
  • Piz Pisoc (3174m)
  • Piz Tavrü (3168m)
  • Piz Plavna Dadaint (3167m)
  • Piz Nuna (3124m)
  • Piz Lischana (3105m)
  • Piz Starlex (3075m)
  • Piz S-chalambert Dadaint (3031m)
Ich hatte mich auf einige Schwierigkeiten eingestellt, da viele der Berge sehr unzugänglich sind und kaum Wegbeschreibungen existierten. Trotzdem hatte ich das Unternehmen ein wenig unterschätzt...

Zuerst eine wichtige Warnung:
Die oben angegebene Schwierigkeit bezeichnet die maximale Schwierigkeit der genannten Berge ohne den Piz Plavna Dadaint und den Piz Tavrü.
Den Piz Plavna Dadaint habe ich in einem gesonderten Bericht beschrieben und die Schwierigkeit der Nordroute auf den Piz Tavrü fällt nicht mehr unter die Alpinwandern-Skala.

PIZ SESVENNA (3205m)
Tourdatum: 30.7.2008
Schwierigkeit: T3
Von S-charl aus bis zum S-charljoch. Dann abgekürzt bis auf den Weg, der durch die Südflanke des Berges bis auf den Grat führt. Von dort aus in sehr schöner Kletterei (II) den Markierungen folgend bis zum Gipfel. (Hier kann man auch die Gratfelsen nördlich umgehen, dann kommt man wohl nicht mit Kletterpassagen in Berührung.) Auf dem gleichen Weg zurück und dabei ordentlich in ein Gewitter gekommen mit richtig dicken und schmerzhaften Hagelkörnern.

PIZ LISCHANA (3105m)
Tourdatum: 6.8.2008
Schwierigkeit: T3
Von San Jon aus bis zur Lischanahütte. Dort habe ich etwas zu Essen bestellt und über 40 Minuten darauf gewartet! Glücklicherweise war ich früh genug und so konnte ich noch dem markierten Weg (und zuletzt den Steigspuren am Grat) folgend zum Gipfel gehen. Von dort aus mit zwei Einheimischen, die ich oben getroffen hatte, ein kleines Stück zurück und dann durch die große Geröllrinne, die bei der Lischanahütte endet, in weniger als 20 Minuten bis zur Hütte.

PIZ PISOC (3174m)
Tourdatum: 31.7.2010
Schwierigkeit: T5 / II
Von Tarasp aus dem Weg folgend ins Val Zuort. Von dort aus weglos! das ganze Tal hinauf. Es geht über verschiedene Muren nach oben, sehr anstrengend! Am Talschluss nach links in eine sehr Steinsschlag gefährdete Rinne hinein. Unbedingt Helm mitnehmen! Sobald es ging, nach links aus der Rinne heraus in die Flanke und dort bis zum Grat aufgestiegen. Dann den Markierungen (verrückt!) folgend in brüchiger Kletterei (II) zum Gipfel.

PIZ S-CHALAMBERT DADAINT (3031)
Tourdatum: 19.8.2010
Schwierigkeit: T4 / I
Dies ist der einzige Berg, den ich vorher schonmal gemacht hatte. (Mit meinem Schulfreund Jens im Sommer 2007 durch das Kühtal rauf und runter.) Aber zum Alleingang: Von Rojen aus dem Weg Richtung Grionkopf gefolgt und dann nach rechts weglos über das weitläufige Gelände bis zum Gipfelaufbau. Dann ein wenig wirr durch die Flanke und dann zur Scharte über dem Val da Vachas (das zweite Tal vor dem Gipfelaufbau) und westlich um die Felsen herum. (Keine gute Idee, das Gelände ist ziemlich rutschig und gefährlich. Mit Sicherheit auch schwieriger als T4!) Dann ins Kühtal abgestiegen (oder besser: gesurft), auf der anderen Seite wieder nach oben und den Grat zum Gipfel geklettert (I). Durchs Kühtal wieder herunter und zurück nach Rojen.
Bemerkung: Der Weg durchs Kühtal ist auch nicht anstrengender, aber mit Sicherheit weniger gefährlich, ich rate also auf jeden Fall zu dieser Route: Über die weiten Wiesen östlich des Berges hinüber (Man muss leicht absteigen Richtung Engadin) und in das letzte Tal vor dem Gipfelaufbau hinein. Man hat hier von unten keine gute Übersicht, aber wenn man am Taleingang vor einer Wand aus Geröll steht, ist man richtig. Das Geröllfeld ist sehr kraftraubend!

PIZ PLAVNA DADAINT (3167m)
Tourdatum: 1.8.2011
Schwierigkeit: T6 / II
Dazu gibt es hier einen vollständigen Bericht von mir auf hikr.org.

PIZ STARLEX (3075m)
Tourdatum: 6.8.2011
Schwierigkeit: T4
Von Lü aus bis zum Pass da Costainas. Dann rechts dem Weg folgend und schließlich weglos zur Fuorcla Starlex. Über die Geröllflanke Richtung Gipfel und dort auf den Weg getroffen. Dieser führt durch die Rinne und eine kleine Felsstufe (I) bis zum Gipfelkreuz. Der höchste Punkt liegt etwas weiter nördlich und ist auch gut zu erreichen (I). Die Felsstufe wieder herunter, dann aber Richtung Westen abgestiegen und das Tal hinunter. (Auch gut machbar!) Von dort aus Richtung Süden wieder bis zum Weg.

PIZ TAVRÜ (3168m)
Tourdatum: 10.8.2011
Schwierigkeit: WS+ / III
Dieser Berg war der Knackpunkt bei meiner Unternehmung und er hätte mich auch fast umgebracht!!!
Eine Beschreibung für eine Südroute gab es nicht, außerdem ist die Südseite Teil des Nationalparks, also könnte man dort nur illegal hinaufsteigen. Je nach Beschaffenheit der (auch nicht unbedingt einfach erscheinenden) Südflanke ist das aber vielleicht zu empfehlen!
Ein Bericht auf hikr.org beschreibt aber den Weg durch die Nordflanke. Mit Steigeisen und Eispickel bewaffnet ging ich also von S-charl aus los und folgte dem Weg Richtung Alp Tavrü. Irgendwann verließ ich den Weg und ging Richtung Nordflanke des Piz Tavrü. Die erste Stufe war schon schwieriger als ich dachte und das anschließende Geröllfeld zog sich ewig. Das kostete eine Menge Zeit, die mir hinterher fehlte! Mit Steigeisen ging ich das große Firnfeld der ersten Rinne hinauf. Oben deponierte ich meine Stöcke und kraxelte die Rinne weiter nach oben. Hier rollte der erste kleine Stein an mir vorbei und ich Blödmann frage mich heute noch, warum ich da nicht umgekehrt bin... Dann geht es rechts zunächst unschwierig in die zweite Rinne hinein. Doch bald stellt sich einem eine mehrere Meter hohe Stufe in den Weg: Blankgeschliffen und mit feinem Sand bedeckt. Ekelhaft! (III) Direkt danach kommt das zweite Firnfeld. Es ist sehr steil (deutlich mehr als 45 Grad). Hier wären zwei Eispickel besser! Mit einem ging es auch ganz gut, kostete aber wieder Zeit. Die Schlüsselstelle war der Ausstieg aus der zweiten Rinne. Der Firn war so hart und das Gelände war so steil, dass ich mich gezwungen sah, Stufen zu schlagen. Zeit!!! Am Ende kroch ich mehr, als dass ich ging bis auf das kleine Plateau unterhalb des Gipfels. Ich beeilte mich nun, ging um die Kurve herum und erkletterte die letzte Stufe vor dem Gipfel (II). In dem Bericht war das als Schlüsselstelle genannt worden. (Verstehe ich gar nicht! Vielleicht waren da viel bessere Verhältnisse in der Rinne?) Lange hielt ich mich nicht oben auf, sondern ging zügig aber bedacht daran, das zweite Firnfeld wieder abzuklettern. Das dauerte extrem lange und kurz bevor ich den Ausstieg unten  erreichte (noch keine Absprunghöhe) rumpelte es oben fürchterlich. Ich sah nach oben, beobachtete entsetzt, wie ein kopfgroßer Stein direkt auf mich zuraste. Ich sprang zur Seite und bekam nur ein paar kleine ab. Erst nach über einer Minute hörte es auf. An beiden Händen blutend! setzte ich meinen Weg fort und musste immer noch zitternd vor Adrenalin die blankgeschliffene Stufe wieder herunter. Länger wollte ich aber nicht dableiben. Der Rest des Rückwegs verlief normal, bis ich schon von der Flanke weg im Geröllfeld war. Dort hörte ich es hinter mir klackern und es kam mir tatsächlich noch ein Stein hinterher, der dann aber über mich drüberflog. (Wahnsinn!)
Fazit: Nordflanken sind immer extrem steinschlaggefährdet. Ich war einfach zu spät. Wenn man diese Tour macht, sollte man spätestens um 10 Uhr morgens wieder unten sein! Ich habe schlichtweg Glück gehabt!

PIZ NUNA (3124m)
Tourdatum: 14.8.2011
Schwierigkeit: T4
Der letzte! Und schön, dass ich das noch erleben durfte! Vom Ofenpass aus über die Alp Laschadura bis zur Fuorcla Stragliavita. Dann dem Südostgrat folgend bis zum Gipfel (Nur I, aber sehr ausgesetzt, deshalb würde ich das als T5 einstufen) Einen Moment innehalten und genießen. Das Projekt war beendet! Na jedenfalls fast: Durch die Südwestrinne abgestiegen (Nur T4, aber im Aufstieg bestimmt sehr anstrengend.) und durch die Flanke hinunter. Sehr unübersichtlich, am besten macht man einen großen Bogen nach rechts (also westlich). Von dort aus wieder hinunter auf den Weg.

Tourengänger: Cubemaster


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Kommentare (2)


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ma90in94 hat gesagt:
Gesendet am 21. Oktober 2015 um 22:33
Um den Tavrü zu besteigen muß man nicht unbedingt sein Leben in der Nordflanke riskieren. Er läßt sich auch sicherer und eleganter über den Ostgrat bezwingen. Ich habe den Grat durchaus als schöne Bergtour in Erinnerung.
Die Geröllhänge zur Fuorcla Val Nüglia sind für dortige Verhältnisse ganz gut zu begehen. Bald kommt eine steile kleinsplittrige Wandstufe, vielleicht schon die Schlüsselstelle, nicht ausgesetzt, vielleicht oberer 2. Grad. Am 1. Gratturm folgt eine sehr luftige
Passage, vielleicht die 2. Schlüsselstelle. Danach Abstieg in die folgende Scharte, auch etwa 2. Grad. Danach konstant ohne Schwierigkeiten weiter bis zum Gipfel, oft südlich auf Bändern knapp unter dem Grat. Wie halt überall reichlich Feinschutt auf den Felsen, die auch nicht zu brüchig daherkommen. Die Steilheit der Südflanke ist angenehmer als die der Nordseite. Von der Fuorcla 1.15 Std.
Habe die Tour im August 2002 begangen. Die "ZS" Bewertung im Führer ist gerechtfertigt, ist aber eher von der angenehmen Sorte. Auf jeden Fall weniger heikel als
die " WS" Rinnen der NE-Flanke.

Cubemaster hat gesagt: RE:
Gesendet am 14. Dezember 2015 um 14:56
Danke für die Info! Vielleicht probiere ich das nochmal, obwohl ich ja deinen oberen 2. Grad kenne :-)
Die Nordflanke ist im Sommer (es war etwa Ende Juli) sehr problematisch, das war wohl die blödeste Idee, die ich je hatte. (Wenn ich zeitig eher gewesen wäre, hätte ich an dem Tag zwar Glück gehabt, aber es ist sicher auch dann gefährlich.) Ich bin froh, dass ich daraus noch lernen konnte.
Außerdem hängt die WS Bewertung vermutlich sehr von den Verhältnissen ab. Das Schneefeld der zweiten Rinne war bei mir so steil, dass eigentlich auch ZS angebracht wäre. Im Frühsommer ist das vielleicht noch besser.


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