Über den Schmalen Leist: Leiststock 1830 m und Nüenchamm 1903 m; eine Grenzerfahrung


Publiziert von Ivo66 , 27. November 2011 um 18:45.

Region: Welt » Schweiz » Glarus
Tour Datum:27 November 2011
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GL   Schilt-Mürtschengruppe 
Zeitbedarf: 3:45
Aufstieg: 880 m
Abstieg: 880 m
Strecke:Chängelboden - Mullern - Hofalpli - Stich - Fedensattel - Leiststock - Nüenchamm - Rietegg - Mullern - Chängelboden
Kartennummer:1:25'000 Spitzmeilen

Der Grat zwischen Fronalpstock und dem Nüenchamm tritt vom Mullerenberg aus gesehen nicht besonders spektakulär in Erscheinung. Seine Überschreitung vom Fedensattel her über den Leiststock bis zum Nüenchamm ist jedoch eine ernsthafte Angelegenheit. Zu Recht gibt ihm der SAC-Clubführer eine T5 und dies unter Berücksichtigung der Drahtseile, welche die Schlüsselstelle entschärfen. Aber: Das Drahtseil fehlte heute! Offenbar wurde es abmontiert - gemäss verschiedenen Quellen war es ohnehin nicht über alle Zweifel erhaben.

Und diese Stelle hatte es heute in sich: Knochentrocken war das verdorrte, nach abwärts gerichtete Gras in der fast senkrechten Flanke unterhalb des Leiststocks und bot kaum zuverlässigen Halt. Irgendwie kämpften wir uns hoch, denn irgendwann gab es ohnehin kein Zurück mehr, derart abschüssig ist das Gelände hier. Diese Stelle bei den aktuellen Verhältnissen absteigend zu bewältigen, erachte ich als kaum möglich. Ein Fehler ist in diesem Bereich nicht erlaubt, auch nicht im Zustieg zur Schlüsselstelle, wo die sehr steile Flanke auf einem schwach ausgetretenen Pfad, der gerade mal so breit ist wie ein Wanderschuh, durchquert werden muss. Um ehrlich zu sein: Heute hatte ich wirklich Angst und war froh, dass Lena die Nerven behielt und mit viel Dynamik gegen den Himmel aufstieg.

Hat man diese heikle Stelle hinter sich gebracht, findet der weitere Routenverlauf im sicheren Gelände statt. Auf dem Gipfelchen des Leiststocks angelangt, genossen wir im T-shirt die warme Herbstsonne und nach dem mein Trauma etwas abgeklungen war, trat auch schon wieder etwas Appetit ein und das Käsebrötchen schmeckte hervorragend.

Bis auf die genannte Schlüsselstelle ist die Gratüberschreitung ein wirklicher Genuss für Alpinwanderer. Wildromantisch und abwechslungsreich präsentiert sich das zum Teil schmale Grätchen und verwöhnt den Berggänger mit herrlichen Ausblicken. Dies entschädigt auch für den eher unspektakulären Zustieg zur Grathöhe, der aufgrund der fortgeschrittenen Jahreszeit ausschliesslich im Schatten erfolgte.

Geradezu überwältigend war die Gipfelschau vom Nüenchamm, wo einem praktisch der ganze Walensee zu Füssen liegt. Eindrücklich ist der Blick in die Wände der Churfirsten und über den See, aber auch die Sicht über die Linthebene und zum gegenüber liegenden dominanten Mürtschenstock.

Routenbeschreibung:

Chängelboden - Hofalpli (T1)

Vom kleinen Parkplatz folgt man dem Fahrsträsschen in den Wald und biegt bei der ersten Abzweigung nach links ab und erreicht bald die kleine Siedlung Mullern und später das Berggasthaus. Auf einem Strässchen nach dem Gasthaus nach rechts abzweigend erreicht man immer auf demselben bleibend in sanftem Aufstieg die Alphütte Hofalpli.

Hofalpli - Fedensattel  (T3)

Nach der Alphütte setzt die offenbar neu markierte Route ein. Die weiss-blau-weissen Markierungen weisen bald durch lichten Wald die steile Flanke hinauf, wo sich bald ein gut ausgetretener Pfad findet, der zum Fedensattel hinauf leitet.

Fedensattel - Leiststock (T5)

Vom Fedensattel folgt man weiterhin den Markierungen (teilweise weiss-blau-weiss, aber auch ältere rote Striche). Nach einem wenig steilen Kamin erreicht man bald eine Stelle mit altem Fixseil (rostige Verankerungen!). Es geht aber auch ohne Benützung des Seils dank guter Stufen in ordentlichem Fels.

Der folgende Gratabschnitt ist zwar schmal, aber gut zu begehen. Bald folgt die Schlüsselstelle, die früher über ein Drahtseil verfügte, an welchem man sich offenbar hochziehen konnte (?). Heute war diese sehr steile Stelle seilfrei und die Begehung heikel. Der Zustieg erfolgt auf einem sehr schmalen, nur wenig ausgetretenen Pfad durch die abschüssige Westflanke. Man steigt in einer Art breiten Rinne auf, wobei das Gelände immer steiler wird und erst ganz oben wieder gefahrlos zu begehen ist. Im Sommer bietet das dann saftige Gras wohl besseren Halt als das im jetzigen Zeitpunkt völlig ausgetrocknete Stroh.

Hat man den Grat erreicht, kann man in wenigen Schritten den Gipfel des Leiststocks erreichen.

Leiststock - Nüenchamm (T3)

Man folgt meist etwas in die Ostflanke ausweichend dem Grat, deren felsigen Aufschwünge man auf schmalem Pfad (immer noch markiert) grosszügig umgeht. Zuletzt erfolgt der Aufstieg über eine wenig steile, gut begehbare Rinne.

Nüenchamm - Mullerenberg - Chängelboden (T2)

Auf dem weiss-rot-weissen Bergweg stiegen wir durch die Nordwestflanke ab. Vor zwei Alphütten zweigt die Route nach links ab und quert durch den Wald zurück zum Mullerenberg.

Tourengänger: Ivo66, Lena


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen

T4
T4
3 Jul 11
Neue Bahn & neue Wege · PStraub
T4 I
19 Jun 22
Nüenchamm Überschreitung · cardamine
T5 II
26 Okt 13
Nüenchamm 1904m · Bergmuzz
T4
30 Sep 21
Leiststock & Nüenchamm · miCHi_79

Kommentare (6)


Kommentar hinzufügen

Bergamotte hat gesagt: Glarner Wochenende
Gesendet am 27. November 2011 um 19:43
Schön, dass es Euch als Ostschweizer Experten gleich zwei Mal in den wunderschönen (Vor-)Alpenkanton verschlagen hat!
Das Drahtseil war auch bei meiner Begehung vor einem Monat nicht mehr da. Mir persönlich war's nicht unwohl dabei, da ich die Ausgesetztheit dort als eher gering erachtete, aber so was ist wohl immer subjektiv. Zum Glück ist bei Euch alles gut gegangen.

Beste Grüsse
Bergamotte

Ivo66 hat gesagt: RE:Glarner Wochenende
Gesendet am 27. November 2011 um 19:48
Die Tour war bis auf diese Stelle wirklich ein Genuss. Mit steilem Gras werde ich mich wohl nie anfreunden - am wohlsten ist's mir auf einem Grat mit solidem Fels :-)

Herzliche Grüsse

Ivo

madu hat gesagt: Schlüsselstelle
Gesendet am 27. November 2011 um 21:23
Hallo Ivo66

wir sind letzes Wochenende auch über den Schmalen Leist, in der Annahme dass die Schwierigkeiten im T4-Bereich liegen. Wir waren dann etwas überrascht von der Schlüsselstelle, zweifelten sogar kurz ob es wirklich da hoch geht ... Sehr heikel fanden wir es, also wir schliessen uns an: eher T5 aus unserer Sicht.

Gruss madu

Ivo66 hat gesagt: RE:Schlüsselstelle
Gesendet am 27. November 2011 um 21:42
Hallo Madu

Vielen Dank für Dein Feedback. Man kann über Schwierigkeiten immer diskutieren, aber T4 ist mit Sicherheit etwas ganz anderes als das hier.

Bei gutgriffigem Gras dürfte die Stelle wohl etwas einfacher zu bewältigen sein, aber ich werde mich so oder so davor hüten, diese Tour zu wiederholen.

Auch ich habe kurz in Erwägung gezogen, umzukehren, da stand aber Lena bereits mitten in der Schlüsselstelle :-).

Ich wünsche Dir noch viele weitere tolle Touren und immer gesunde Rückkehr.

Herzliche Grüsse

Ivo

PStraub hat gesagt: Wege in Arbeit
Gesendet am 9. Dezember 2011 um 08:00
Die fehlenden Seile sind eine temporäre Angelegenheit: Initiative Personen vom Kerenzerberg sind daran, die Angebote des lokalen Tourismus' zu verbessern (siehe auch hier).
Unter anderem sollen die Drahtseile an der Route über den Schmalen Leist ersetzt und besser verankert werden. Dass das noch in diesem Herbst möglich gewesen wäre, konnte niemand ahnen.

Die optimale Zeit für diese Route ist übrigens im Berg-Frühling. Dank wechselnder Bodenbeschaffenheit wächst hier fast alles, was die Alpen an Blumen hergeben.

Ivo66 hat gesagt: RE:Wege in Arbeit
Gesendet am 9. Dezember 2011 um 20:44
Danke für Deine Rückmeldung.

Ich wollte übrigens in keiner Weise die Abmontierung der Drahtseile kritisieren. Jeder Berggänger, der solche nicht oft begangene Routen begeht, muss immer selbst beurteilen können, was für ihn möglich ist und was nicht, eigenverantwortlich handeln eben. Dass wir die Tour auch ohne Drahtseile dann doch geschafft haben, macht uns natürlich auch etwas stolz :-).

Diese Tour stelle ich mir im Bergfrühling auch sehr eindrücklich vor; auf Deinen Bildern bekommt man ja einen Vorgeschmack darauf.

Beste Grüsse

Ivo


Kommentar hinzufügen»