Thüringer Rhön (O5)


Publiziert von hf , 4. Dezember 2011 um 19:05.

Region: Welt » Deutschland » Westliche Mittelgebirge » Rhön
Tour Datum:24 Mai 2008
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 8:00
Strecke:Fladungen - Ruine Mauerschädel - Meiningen (28km)
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Übernachtung in Privatunterkunft in Fladungen.
Unterkunftmöglichkeiten:Hotel Kaiserhof, Meiningen
Kartennummer:Kompass 762 (Rhön) 1:50.000

Bei besten Wetterbedingungen starten wir zeitig, so dass wir unser Tagesziel Meiningen bis 16.00 erreichen können, denn wir haben ja für den Abschluss unserer dreitägigen Rhönüberschreitung einen Opernbesuch in Meiningen eingeplant.  Auch das Frühstück in unserer familiären Unterkunft ist hervorragend, wie nach dem herzlichen Empfang am Vortag nicht anders zu erwarten war.

Wir passieren die Ortsmitte und lassen das Freilichtmuseum Fladungen rechts am Weg liegen. Unserem blauen Andreskreuz folgend gehen wir zunächst im Anstieg parallel zur Straße Fladungen - Sands. Oben, am "Paß" angekommen zeigt eine Wegweiser nach links. Wir folgen dem Weg, sind von der eintönigen Straße weg und erreichen nach wenigen hundert Metern ein idyllisches Wiesental, dem wir bis Sands folgen.

Im nächsten Ort, Unter-Filke, trennen wir uns vom E3. Er folgt hier der, während des Kalten Krieges gelegten Wegführung durch das nördliche Bayern entlang der ehemals innerdeutschen Grenze über Mellrichstadt, die Haßberge und Coburg und dann weiter in Richtung Fichtelgebirge.
Wir haben uns jedoch entschlossen, über eine neue Streckenführung im wiedervereinigten Deutschland von Fladungen aus über die, "grüne Grenze", direkt nach Meiningen zu wandern. Bei einer späteren Wanderung sollte dann der Anschluß im Thüringer Wald auf dem streckenweise über den Rennsteig verlaufenden E3, respektive Eisenach - Budapestweg (EB) gesucht werden.

Die Zeit drängt etwas, so beschließen wir, nicht der Ortsverbindungsstraße nach Stedtlingen zu folgen. Am Ortsrand von Unter-Filke fragen wir eine Frau mittleren Alters, die gerade bei der Gartenarbeit ist, ob es eine Abkürzung nach Stedtlingen gibt. Sie antwortet: "Ich weiß es nicht, aber ich frag mal meine Mutter, die war früher öfter nach Stedtlingen zu Fuß gegangen." Nach zwei Minuten kommt unsere Informantin zurück und zeigt zu einer nur eine flurbreit entfernten Ruine am Waldrand. Da sehen Sie den Mauerschädel, da gab es und gibts vielleicht wieder einen Trampelpfad. Wenn Sie den finden, "sie müßen sich links  von der Ruine halten", dann kommt nach wenigen Metern die "frühere Zonengrenze" da ist meine Mutter früher weiter durch den Wald nach Stedtlingen gegangen. Wir bedanken uns, stapfen durch eine Wiese und erreichen mitten in Brennessel- und Brombeerengestrüpp ein altes Gemäuer: Die Ruine Mauerschädel.

Der düstere Anblick, das Wissen, dass hier einst der Eiserne Vorhang nicht nur Thüringen von Franken, sondern auch Europa in zwei Hemisphären getrennt  hat und auch der Namen dieser Ruine: Mauerschädel, gibt uns ein bisschen Gänsehautfeeling. Der ganze Ort macht einen etwas verwunschenen Eindruck. Der mächtige Turm mit seinen schwarzen Fenster- und Toröffnungen glotzt uns bedrohlich an. Dennoch: Weitere Recherchen ergeben, dass es sich um eine Kirche der Ortschaft Bischofs handelt. Die frühesten Datierungen gehen bis zum Jahr 1 000 zurück, aber bereits 1383 wurde der Ort Bischofs als wüst genannt. Diese Jahreszahl spricht für eine Zeit, in der sehr viele Ortschaften in der Rhön aufgelassen wurden. Pest, Rechtsunsicherheit und die Wirtschaftskrise im Mittelalter, dürften die eigentlichen Auslöser dafür gewesen sein, dass der Ort wüst fiel - also weit weniger spektakulär als in einer Sage berichtet wird, in der unter anderem von 300 Bäckern im Ort die Rede ist.

Wir finden im Brennesselmeer eine vor kurzem genutzte Spur, schleichen uns durchs Unterholz. Jetzt wäre eine Machete hilfreich. Plötzlich haben wir wieder festen Grund, sehr festen, Beton, dann wieder Gestrüpp und wieder Beton. Es wird uns klar: wir queren soeben die frühere Demarkationsline, Friedenswall oder wie auch immer genannt. Jetzt ist es nurmehr die Landesgrenze zwischen Bayern und Thüringen. Somit haben wir auf unserer Rhöntour das dritte Bundesland erreicht. Wir machen eine Dreiländertour!

Kurz danach finden wir auch wieder einen geschotterten Forstweg. Wir versuchen uns zu orientieren, finden jedoch keinerlei Wegemarken. Warum auch, denn wir sind ja freiwillig von der wandertouristischen Route abgewichen. Wir sind jetzt im thüringer Forst und müssen uns allein zurecht finden. Es scheint die Sonne, also ist es kein Problem, die grobe Richtung zu halten. Die Devise heißt: Go East! Wir wählen eine Schneise und hoffen, dass wir bald ein signifikantes Landschaftsmerkmal finden, das wir mit unserer Karte koordinieren können. Über den Weg der alten Dame aus Unter-Filken ist seit den späten 40ern ja auch etwas Gras gewachsen. Solange der Henneberg (636m) links von uns aufragt, sind wir richtig.

Wir werden schweigsam, ab und zu eine ironische Bemerkung. Es dauert. Dann eine Lichtung, weite Felder, anders als wirs kennen: klein parzellierte, sondern die ganzen freien Flächen zwischen Wäldern einnehmend. Noch immer suchen wir den Anschluß unserer Karte mit der Landschaft. Dann endlich eine, wenig befahrene Landstraße mit einer Bank. Hier setzen wir uns nieder und finden jetzt auch wieder die Orientierung: Wir sind immer schön stur in Richtung Osten gegangen, den einzigen Fehler, den wir gemacht haben, war, dass wir bei der letzten Abbiegung nicht links, sondern rechts gegangen sind. Dies macht einen Umweg von etwa 1,5 km aus, also gemessen an der Gesamtstrecke von 90 Kilometern, haben wir einen Schwund von 2%. Kann man gehen lassen. 

Wir folgen der Landstraße, gesäumt von Alleebäumen, gottseidank wenig Verkehr, aber langweilig. Endlich erreichen wir Stedtlingen, ein kleiner Ort. Wir müssen essen und die Zeit drängt, denn wir wollen ja Meiningen zu Fuß und pünktlich erreichen. In der Ortsmitte finden wir eine Metzgerei, die jetzt kurz vor eins noch offen hat. Wir lassen uns belegte Brötchen machen. Oder sinds hier Semmeln, etwa Schrippen? Wir zwei Ex-Schwaben hätten natürlich auch Wecke ordern können. Jetzt, da ich Hesse bin, darf`s auch Worscht unn Weck sein.

Auf der Terasse vor dem Metzgerladen nehmen wir Platz, genießen unser frugales Mittagsmal, sind stolz, bis hierher gekommen zu sein und sicher, dass wir auch noch bis Meiningen kommen. Wir brechen auf. Ab jetzt gilt nur noch die Devise: Wenn es einen kürzeren Weg gibt, dann nehmen wir den. Doch, obwohl wir immer wieder gucken, der Weg wird nicht kürzer. Landwirtschaft so weit das Auge reicht. Raps blüht, Klee steht zur Mahd bereit, Gerste und Weizen recken ihre Ähren. Wie bei Werner Herzogs Film Caspar Hauser wogen die Felder im Wind. Die Füße gehen gut, aber sie sind schwer geworden. Manchmal möchte man schlurfen. Weiter an einem Weiler Gleimershausen vorbei. Ziegen. Ein Hohlweg, Hecken, Weiden. Wir erreichen eine Hochfläche, links hinter einer Hecke eine Grube, die Wolfsgrube. Wer weiß, was dort abgebaut wird.
 
Kurz darauf eine Wohnsiedlung, dann der alte Ortskern von Dreißigacker. Weiter erst übers Feld, dann durch eine Senke und über schmale Pfade erreichen wir endlich bei einem Aussichtspunkt das Werratal. Unter uns liegt Meiningen mit seiner doppeltürmigen Kirche, die wie eine kleine Nachbildung des Wiener Stephansdom erscheint.

Über Serpentinen erreichen den Talgrund. Eine alte Steinbrücke überquert die Werra und wir sind in der Altstadt, die wir wieder auf dem kürzesten Weg beim Henneberghaus wieder verlassen. Links liegt der Englische Garten und das Meininger Theater, rechts der Sächsische Hof. Wir unterqueren die Bahnanlagen beim Bahnhof, halten uns rechts und erreichen nach etwa achzig Metern unser Ziel: Den Kaiserhof. 

Es ist 16.03. Das Ziel erreicht, nur Gela ist noch nicht mit dem Sonntagshäs für den, für heute abend geplanten Opernbesuch da. Horst und ich bestellen erst mal ein Bier, das wir glücklich auf der Terasse genießen. Gela kommt gegen halb fünf. Es hat auf den Landstrassen doch länger gedauert, als geschätzt. Wir quartieren ein und machen uns für den Abend fein.  

Der Abend war schön: erst waren wir Essen, dann in der Oper und anschließend zum Absinker noch im Sächsischen Hof.
 
Folgetour: Zu einem späteren Termin Meiningen zum Thüringer Wald und Rennsteig

Resumé: Ein bisschen Abenteuer an der Ruine Mauerschädel und nachdem der Weg wieder gefunden war, zieht er sich doch recht lange hin. Doch pünktlich um 16.00 war das Tagesziel und das Gesamtziel der dreitägigen Rhönüberschreitung erreicht. Es hat sich gelohnt, die Opernkarten 90 km übern Berg zu tragen. Bei einer optimierten Routenführung wäre allerdings auch der Henneberg noch drin gewesen. Schaun mer mal beim nächsten Mal.

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Tourengänger: hf


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23 Mai 08
Lange Rhön (O4) · hf

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