Süen-Tanz anstatt Chistehorn


Publiziert von 360 Pro , 27. Oktober 2011 um 20:56.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum:26 Oktober 2011
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Hohtenn
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Raron

Mein heutiger Plan war eigentlich das Chistehorn zu erklimmen und eventuell auch noch das Üsser Läghorn anzuhängen. Am Vortag habe ich die diversen Walliser Webcams (insbesondere jene von Unterbäch) ausgiebig studiert, um zu beurteilen, wie schlimm es mit allfälligem Schnee an den Südhängen sei. Ich stellte fest, dass lediglich ein Hauch von Schnee fiel und da das Wetter im Wallis schon für den Morgen Sonnenschein versprach, beschloss ich das Chistehorn zu versuchen, denn der wenige Schnee würde an den steilen Südhangen sicherlich im Nu wegschmelzen. Wegen diesem frischen, fiesem, feuchtrutschigen Schnee ab ca 2200m im Zusammenhang mit relativ tief hängenden Wolken bis in den Nachmittag hinein, musste ich das Unterfangen jedoch abbrechen und kurzfristig umdisponieren. So unternahm ich halt anstatt des Chistehorns einen kleinen Suonentanz.
 
Die attraktive *Chistehorn-Runde von Zaza ist die grobe Vorlage für meine Tour. Allerdings möchte ich die Zusatzrunde über die Imine eigentlich nicht machen, damit ich allenfalls mehr Zeit habe auch dem Üsser Läghorn noch einen Besuch abzustatten. Als ich jedoch in cff logo Hohtenn aus dem Zug steige und nach Ladu laufe, hat das Chistehorn einen dichten grauen Deckel. Hier unten scheint zwar die Sonne, aber die Berge nördlich der Rhone sind noch alle wolkenumhüllt. Nun denn, so gebe ich diesen Wolken eine Chance sich zu verziehen und mache halt doch den Umweg über die Imine. 
 
Dieser ehemalige Wanderweg von Ladu zur Imine ist spektakulär angelegt und ist auf meiner alten Karte auch noch als solches eingezeichnet, wird aber wohl nicht mehr unterhalten. Er ist zwar nicht markiert, die diversen Seile und anderen künstlichen Installationen weisen aber ziemlich eindeutig den Weg. Ab und zu muss ich ein wenig suchen, wo es denn weitergeht aber alles in allem sind die Wegspuren sehr deutlich zu erkennen. Die Querungen der beiden Runsen in der Westflanke sind die eigentlichen Schlüsselstellen, denn nicht nur sind hier die Seile an vielen Stellen mitsamt der Verankerung herausgebrochen, sondern die Sache ist zum Teil ziemlich ausgesetzt und heute auch noch feucht und rutschig (T4).
 
Bei der Imine mache ich eine kurze Pause und da die Wolken noch immer über dem Chistehorn hängen, nehme ich es weiter gemütlich. Auf dem Weg hoch nach Mättju (den ich ja schon von *hier kenne), treffe ich auf einen Jäger mit Begleitung. Zur Zeit ist nur noch Hasenjagd und dies auch nur dienstags und donnertags, sodass er also heute eh nichts schiessen darf. Es stellt sich heraus, dass er zusammen mit ein paar Freunden vor wenigen Jahren das Gipfelkreuz aufs Chistehorn getragen und installiert hatte. Er rät mir jedoch heute bei diesen Bedinungen von einer Besteigung ab. Ich nehme seine Warnung ernst, so ganz ohne es zu versuchen, möchte ich aber doch nicht nach Hause gehen. 
 
Oberhalb des Mättju versuche ich mehr oder weniger dem Grat Richtung Arbtschugge zu folgen. Schon hier, wo mich nun die ersten Nebelfetzen umhüllen bemerke ich, dass es wohl nicht ganz simpel werden wird, denn die Felsen und Grashänge sind alle feucht und rutschtig (bei einem T4 nicht besonders angenehm). Ab einer Höhe von etwa 2200m macht sich dann auch noch die fiese, feuchtrutschige, frische Schneeschicht breit und das Gewölk wird sehr dicht. Als ich mich dann wegen der Sichtverhältnisse kurz unterhalb der Arbtschugge versteige und einen ziemlich ausgesetzten Abbruch wieder runterhangeln muss, ist für mich klar, dass heute nicht der Tag fürs Chistenhorn ist und ich blase zum Rückzug.
 
Zurück bei der Mättju bin ich wieder in der Sonne und mache eine ausgiebige Rast und brüte über alternative Ziele für den heutigen Tag. Das Studium der Karte verrät mir, dass es in dieser Gegend die eine oder andere Suone hat, die noch darauf wartet von mir besucht zu werden. Konkret sind das die Ladusüe, Teile der Tatz-Giesch-Süe und die Brägerju (aka Suone des Horrors), welche sich zusammen mit einem Wackel bis Raron gut verbinden lassen. 
 
Also auf zu neuen Zielen... Ich wandere zuerst dem Weg entlang zur Spilbielalpji und dort dem markierten Weg folgend Richtung Joli. Etwas oberhalb von Mattracha treffe ich auf die Ladusüe und folge dieser bis zur Fassung am Jolibach. Dem Zitat "Hier handelt es sich um eine ausserordentlich schöne Bisse", kann ich nur zustimmen. Besonders spektakulär ist auch die Holzchännel Traverse über "den endlosen Abgründen", welche jedoch (zum Glück) ausreichend versichert ist! Bei der Fassung am Jolibach folge ich der Tatz-Giesch-Süe ein wenig, quere nachher aber zur Joli-Alp und von dort zum Einstieg der Brägerju. Von oben kommend ist der Einstieg zu dieser nicht ganz einfach zu finden, wenn man sich jedoch auf der rechten, westlichen Seite des Jolibaches in den Wald begibt, trifft man unweigerlich auf einen später sehr deutlichen Weg.

Knapp unter 1500m zweigt dann bei einem kleinen Steinmann links ein Pfad zum Jolibach ab, wo die Fassung der Suone (bei der Holzbrücke über den Jolibach) dessen Anfang markiert. Auch die Brägerju Suone ist hübsch und attraktiv, bekanntlich mit der einen oder anderen ausgesetzten Stelle. Nach dem Ausstieg beim Telwald gehts kurvenschneidenen runter zur Rarnerchumma und weiter nach Raron.



Addendum
 
Der Satz: "Die Querung der Grossi Lyka ist zwar etwas ausgesetzt und ist für nicht Schwindelfreie wohl nicht ganz ohne, bietet aber keine wirklichen technischen Schwierigkeiten" *stammt von mir, und war wohl mitausschlaggebend für den Aufruhr um die "Suone des Horrors". Ich fühle mich zwar für die entstandene Polemik nicht verantwortlich, versuche hier aber trotzdem möglichst objektiv und emotionsfrei meine Sicht der Dinge wiederzugeben.
 
Die SAC Definition von T3 sind unter anderem: "Zum Teil exponierte Stellen mit Absturzgefahr" ... "Anforderungen: Gute Trittsicherheit." Dies trifft die Bewertung der Brägerju Suone sehr gut, nicht mehr und nicht weniger. 
 
Warum muscat die Grossi Lyka nicht passieren konnte erklärt sich wohl schlicht und einfach mit Akrophobie resp. Höhenangst: "Definitionsgemäß ist die Angst der Situation gegenüber unangemessen, da keine oder nur eine geringe objektive Gefahr besteht" oder "Psychische Symptome der Akrophobie sind neben der eigentlichen Angstreaktion etwa intensive Vorstellungen, aus Versehen in die Tiefe zu stürzen oder dies unter einem Kontrollverlust bewusst zu tun."
 
Solche Beschreibungen der Höhenangst sind nicht wertend, sondern einfach Tatsachen, die sich die unter Höhenangst leidende Person bewusst sein sollte. Man kann Situationen während dessen man unter Akrophobie leidet offensichtlich nicht objektiv beurteilen.
 
Sich darüber lustig zu machen (oder die Person deswegen ein "Gränni" zu nennen), ist wohl nicht die feine englische Art, denn schliesslich kann jemand der unter Höhenangst leidet, ja nicht wirklich viel dafür respektive dagegen tun. Andererseits ist es aber auch nicht gerechtfertigt, eine Suone als "nur für Gämsen begehbar" oder als "zu gefährlich" zu klassifizieren, weil man selber Angst hatte, die ausgesetzte Stelle zu passieren. Es gibt ja zum Beispiel auch Leute, die können wegen der Höhenangst nicht auf den Üetlibergturm steigen, obwohl dies objektiv völlig ungefährlich ist. 
 
Der point-of-return für muscat - die Grossi Lyka - ist objektiv gesehen weniger gefährlich als Stellen vorher und nachher entlang der Süe. Die Absturzgefahr ist dort geringer als an anderen Stellen. Selbst wenn man bei einem Misstritt in die "Rutschbahn" fallen würde, wäre dies bei trockenen Verhältnissen in der Grossen Lyka nicht fatal, denn die Reibungskräfte sind gross genug, damit man nicht ins Elend abstürzen würde (ich kann dies bestätigen, da ich in der Rutschbahn stand...). 
 
Falls muscat's Verlangen die Suone zu begehen gross ist, bin ich überzeugt, dass er dies sogar erfolgreich tun könnte, allenfalls wären ein zwei Versuche notwendig, aber auf Grund seines bisherigen Palmares auf hikr sicherlich nicht unmöglich. Das Mittel zur Abhilfe bei Höhenangst wurde hier auf dieser Site schon des öfteren diskutiert (siehe zum Beispiel hier): wiederholte Konfrontation mit dem Horror ;-)

Tourengänger: 360


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Kommentare (1)


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Mel hat gesagt: wiedermal...
Gesendet am 28. Oktober 2011 um 15:54
....wunderschöne bilder!


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