Traverse Schafbergchöpf + Gipfelbuch Zehenspitz


Publiziert von Delta Pro , 28. September 2011 um 08:14.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum:25 September 2011
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: S
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-SG   Alpstein 
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 1700 m

Grandiose Alpsteintour auf einsamsten Wegen – die Highlights unserer Vorväter
 
Ungelöste Rätsel im Alpstein sind selten. Maveric und mir war es vergönnt, heute gleich zwei davon zu lösen – und zu erleben. Die Traverse der Schafbergchöpf reizte meine Fantasien nicht erst seit meiner Besteigung des westlichsten Turmes in diesem Mai, oder seit diesem Bild von marmotta. Eine Klettertour auf unglaublich ausgesetzten Graten – früher ein Klassiker, heute in Vergessenheit geraten. Und wer hätte gedacht, dass unser Rekord vom Hängeten Ost Gipfelbuch (19 Jahre keinen Eintrag) schon wieder überboten wird? Das Gipfelbuch auf dem Schafbergchopf I erhielt seinen letzten Eintrag im Jahr 1986 – vor einem geschlagenen Vierteljahrhundert! Unglaublich.
 
Der eigentliche Grund für unseren Ausflug nach Wildhaus war aber das Gipfelbuch für den Zehenspitz. Der Zehenspitz, die imposante Berggestalt über Wildhaus, unnahbar von allen Seiten. Und das Beste: der Führer schweigt sich komplett über den Berg aus. Keine Route, keine Informationen, nichts. Kommt man da wirklich nicht hoch?? Uns reizte die Lösung des Rätsels „Zehenspitz“ schon lange. Vor einem knappen Monat fand Maveric einen erstaunlich einfachen und lohnenden Aufstieg zum Gipfel des Zehenspitzes, auf dem nichts auf menschliche Begehungen in letzter Zeit hinwies. Nicht einmal ein Steinmann war vorhanden… So gab es kein Halten mehr. Der Zehenspitz hat jetzt ein Gipfelbuch, das sich auf zahlreiche Einträge der Hikr-Community freut! (Routenbeschreibung und Schwierigkeits-Einschätzungen siehe unten)

 
Schafbergchöpf Traverse (T6, S, II-IV)
Die Schafbergchöpf ist einer der vergessenen Tourenklassiker im Alpstein. Früher wurde die Felsmauer häufig überschritten. Teilweise von 20-köpfigen SAC Sektionen und JO’s. Heute ist dort oben die grosse Ruhe eingekehrt. 25 Jahre kein Eintrag im Gipfelbuch – wieso nur!?! Freilich sind die Schafbergchöpf keine Tour, die den Ansprüchen des heutigen Durchschnitts-Kletterers genügt. Der Fels ist zwar nicht schlecht, doch teilweise sind auch lose Blöcke zu finden. Zusätzlich ist der Zustieg von rund 1200 Höhenmetern doch ziemlich massiv, und die Überschreitung endet nicht auf einem Prestige-Gipfel, sondern führt nur über ein paar gemäss Landkarte namenlose Punkte eines Felsgrates. Und doch ist die Traverse ein richtiges Abenteuer auf schmalen Graten, mit ausgefallenen Passagen und schwindelerregenden Tiefblicken – eine einmalige Alpstein-Klettertour. Die Schwierigkeit ist nicht zu unterschätzen, auch wenn die Umgebung nicht gerade hochalpin ist: Das S nach SAC Führer geht in Ordnung (immerhin mehr als die Matterhorn Normalroute). Richtige IVer Stellen gibt’s eigentlich nicht, doch einige Passagen sind feingriffig und sehr luftig, so dass die Führerbewertung II-IV ebenfalls gerechtfertigt erscheint. Die Absicherung muss man komplett in die eigenen Hände nehmen – die beiden Schlaghaken, die vorhanden sind, sind keine grosse Hilfe.
 
Für eine genaue Routebeschreibung sei auf den Text im SAC-Führer verwiesen, der ausserordentlich detailliert ist. Nachfolgend ein paar eigene Eindrücke:
Mit gutem Speed von Wildhaus auf dem Wanderweg gegen das Jöchli hinauf. Von Pt. 2068, steigen wir geradeaus in Richtung Sattel zwischen Jöchliturm und Schafbergchöpf – ein schöner Aufstieg über grasige Felsstufen in einen kleinen Kessel (T5+). Der grasige Vorgipfel der Schafbergchöpf ist dann schon eine Herausforderung. Knapp links unterhalb des Grates steigt und traversiert man durch sehr steile Grashänge gegen den Gipfel (T6). Ein kurzer Abstieg und man erreicht den Einstieg auf einem Band in der Nordseite (Riss mit Klemmblöcken). Durch diesen hinauf, etwas rechts über Platten und auf den Grat, am Schluss brüchig (II-III, ein Zug IV). Auf dem Grat zum Gipfel I. Hier wartet das alte Gipfelbuch, aus dem klangvolle Namen wie Paul Etter (im Jahr 1965) grüssen. Der letzte Eintrag stammt aus dem Jahr 1986. Ob der Gipfel nachher wirklich keinen Besuch mehr erhielt, steht in den Sternen, auf jeden Fall nicht im Gipfelbuch. Wir haben jetzt aber wieder einen Stift deponiert. Somit können sich Nachahmer auf jeden Fall eintragen.
Man folgt etwas dem Grat, steigt in die Südseite ab und quert dann äusserst luftig nördlich unter dem Gendarm hindurch (III). Über ein kurzes ausgesetztes Grätchen erreicht man Gipfel II. Dort beginnt der Grat erst richtig exponiert zu werden! Man folgt ihm bis zu einem ca. 3m hohen Abbruch, den man etwas in der Südseite anpackt. Hier hat es einige lose Blöcke. An der Kante klettert man hinunter und landet auf einer messerscharfen Gratschneide, der man exponiert folgt. Anfangs ist sie zu scharf für die Reitertechnik, dann bewältigt man sie rittlings – eine geniale Passage (ca. III)! Weiter dem exponierten Gratkamm entlang und einfach zum Gipfel III. Ein solider Schlaghaken steckt vor der Abkletter-Passage, die weniger schlimm ist, als gemäss Führer zu erwarten (III). Über einen glatten Block an den letzten Aufschwung und über einen schönen Riss auf Gipfel IV, wo ebenfalls ein Gipfelbuch (mit nur einem Blatt Papier wartet). Abstieg auf dieser Route (T6-).
Vom Ausstieg der Schafbergchöpf zügig auf dem Wanderweg hinunter und über steile Weiden in die Scharte unter dem Zehenspitz.
 
Zehenspitz (T6-)
Maverics Route auf den Zehenspitz ist für den geübten T5/T6-Gänger gut zu schaffen. Es gibt keine ausgesprochen ausgesetzten Passagen und selbst die Wegfindung ist dank eindeutigen Wildspuren nicht anspruchsvoll. Der Aufstieg ist logisch und landschaftlich wunderschön! Der Weg zum Einstieg allerdings doch eher umständlich: Man muss weit gegen Süden absteigen und genau diese Route am Ende wieder hinauf – einen direkten Weg zum Einstieg gibt es nicht.
Im Graskessel zwischen der Schafbergwand und dem Zehenspitz steigt man bis auf eine Höhe von ca. 1700 m.ü.M. ab. Am besten auf einer Grasrippe, die vom Zehenspitz hinabzieht. Schliesslich kann man auf einer Gamsspur durch steiles, felsdurchsetztes Gras nach links traversieren, man quert knapp unter der Felswand hindurch und findet so den Einstieg in eine breite Rinne, welche die Südflanke des Zehenspitzes durchreisst. Im steilen Grasgelände rechts von dieser hinauf zu einem Sattel mit Legföhren. Dann folgt man einem guten Wildwechsel, der ohne Föhrenbehinderung die gesamte Südflanke aufsteigend quert und man gelangt über eine kurze botanische Passage (ca. 3m unterhalb der Felswand) auf eine steile Wiese am Ostgrat des Berges. In dieser direkt aufwärts, am Schluss etwas links haltend durch einige Bäumchen zu einer Felswand. Eine Schritte auf Trittspuren nach links und man erreicht einen Sattel im SE-Grat. Von dort gibt es mehrere Wege zum Gipfel: über das Grasband, direkt der Kante entlang, oder – am schönsten – durch die Südflanke. Dafür quert man horizontal etwas in die Flanke hinaus und steigt dann über steilen, aber gut gestuften Rasen zum höchsten Punkt. Ein wunderschöner Gipfel! Wir bauen einen Steinmann und übergeben das Gipfelbuch seinem Schicksal. Dieser Berg wird in den nächsten Jahren sicher Besuch von einigen Hikrn erhalten!
Abstieg auf derselben Route, Gegenaufstieg zum Zehenspitz-Sattel und über Geröll die Rinne zum Schafboden runter.
 
Wieder eine super Alpstein-Tour mit zwei Highlights, der Lösung von viel diskutierten Routenrätseln.

Tourengänger: Delta, Maveric


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Kommentare (3)


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Bergamotte hat gesagt:
Gesendet am 28. September 2011 um 11:20
Genial, das Rätsel Zehenspitz ist gelöst! Ich werde sicher zu diesen Hikrn gehören, die bei Gelegenheit mal vorbei schauen.

3614adrian hat gesagt: Pioniere am Werk!
Gesendet am 28. September 2011 um 22:25
Gratulation zu dieser abenteuerlichen Tour!

Lg Adrian

Alpin_Rise hat gesagt: Third!
Gesendet am 19. März 2012 um 17:43
Wahrlich ein schöner Berg - und das Gipfelbuch ziert bereits ein dritter Eintrag nach dem Protagonisten mit Begleitungen.

Übrigens ist die oberste Aufstiegsroute auf diesem Bild sehr schön zu sehen]: immer den schneegefüllten Passagen im rechten Teil folgen. Eine Winterbesteigung wär ein rechtes Kaliber...

G, Rise


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