als sans papiers nach Italien und wieder zurück..


Publiziert von amphibol , 26. September 2011 um 23:06. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum:20 September 2011
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS   I   Gruppo Grieshorn 
Zeitbedarf: 3 Tage
Aufstieg: 2670 m
Abstieg: 2608 m
Strecke:Siehe Wegpunkte
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Thun - Brig - Fiesch cff logo Thun / cff logo Fiesch / cff logo Binn
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Ulrichen
Unterkunftmöglichkeiten:Binntalhütte SAC / Rifugio Margaroli
Kartennummer:1:25'000: 1270 Binntal / 1250 Ulrichen

Das Binntal ist ein sich von Fiesch aus in südöstlicher Richtung einschneidendes Seitental des Rhonetals im mittleren Goms. Im Binntal leben gemäss Wikipedia ca. 200 Menschen in verschiedenen Weilern. Sie beschäftigen sich mit Landwirtschaft und Tourismus. Letzteres ergibt sich meines Erachtens wie von selbst. Ein Tal mit einer solchen natürlichen Schönheit will besucht werden. Durch das Binntal fliesst die Binna, die die umliegenden Gipfel entwässert. Mittelfristig dürften die Gletscher am Ofenhorn, Hohsandhorn, Turbhorn und Mittaghorn verschwunden sein, der spätsommerliche Abfluss durch die Binna dürfte sich dann verändern und das Tal wird wohl mit all den sich daraus ergebenden Konsequenzen im Allgemeinen trockener werden (das glazial Abflussregime wird ausbleiben).

Binn ist erst seit 1964 ganzjährig erreichbar; mit dem Bau des 2 Kilometer langen Tunnels wurde auch der Zugang im Winter über eine Strasse gewährt. Das Binntal ist aus mehreren Grunden seit längerer Zeit bekannt. Einerseits ist das Tal ein überaus reicher Fundort an Mineralien; nach heutigem Stand wurden da 223 verschiedene Mineralien gefunden. Herausragend ist vor allem - dies ist schon auf den schmierigen Erdwegen unmittelbar nach Binn sichtbar - der viel vorhandene Biotit und Muskovit (dunkler- und heller Glimmerschiefer); alles glänzt und schimmert bei Lichteinfall. Eines der häufigsten Gesteine im Binntal ist neben dem Gneis (Zusammensetzung: Quarz und Feldspat, oft Biotit) dadurch der Glimmerschiefer (Zusammensetzung: Quarz, Muskovit, Feldspat, manchmal Granat und manchmal Staurolith). Beide sind in Betrachtung der Genese den Metamorphiten unterzuordnen. Granite, viele reine Bergkristalle (Quarze), Marmor, aber auch sedimentäre Ablagerungen (viel Calcit und Dolomit) sind im Tal zu finden. Auf der italienischen Seite (Piemont) sind ab und zu Pyrite zu finden (umgangssprachlich auch Katzengold genannt).

Wir nahmen am 20.09.2011 den 09:02 Bus von Fiesch nach Binn (cff logo Fiesch) und gelangten ca. 25 Minuten später in Binn an. Bei schönem Wetter liefen wir ab. Der Boden war feucht und nicht weit oberhalb unseres Weges war alles weiss, der Schnee war nicht weit. Von Binn führen die Wege entweder der schwach befahrenen Strasse entlang nach Fäld (der Bus fährt auch bis dahin cff logo Fäld) oder dem Wanderweg entlang, etwas oberhalb dem Dorf der linken Talflanke entlang (in Fäld kommen die Wege wieder zusammen). Mein Vater berichtete mir, dass im Ort Fäld die letzte Beiz bis zur Binntalhütte SAC sei (das stimmt auch heute noch, doch sind es gar deren zwei!). Ohne Beizenrast wanderten wir weiter, links geht's an der Talflanke etwas hinauf und kurz darauf ist der Römerweg ersichtlich, der bis zur Erschliessung des Simplons als Haupthandelsroute von Italien ins Wallis diente. Am Wanderweg entlang liefen wir noch etwas bis rechter Hand ein schmuckes kleines Häuschen erschien, wo ein schöner Holztisch mit Bank und Holzstämmen als Stühle dienend uns geradezu zu einem Mittagsrast  einluden. Hier verweilten wir - zwar von zwei lästigen Wespen geplagt - eine Stunde. Der weitere Weg führte uns immer weiter ins Binntal entlang der Binna. Die Binna entwässert ein Einzugsgebiet im Umfang von 47.5 km2 und entspringt etwas unterhalb des Ofenhorns am Tälligletscher.

Hier sind zwei Tatsachen interessant: a) Hat der Gletscher den selben Namen wie der Gletscher zwischen der Roten Totz  Lücke und des Tierhöris/ Chindbettipasses (im Gebiet Gemmi / Wildstrubel / Engstligenalp (Adelboden) im Berner Oberland). b) Ist der Gletscher, wie eingangs beschrieben durch sein starkes Rückschmelzen heute nur noch reliktisch, bald - in naher Zukunft - rezent. Ein anschauliches Beispiel liefert dieser Vorher-Nachher Bildvergleich.

Der relativ schnellere Rückgang kleinerer Gletscher ist neben dem Anstieg der durchschnittlichen Temperatur v.a. damit zu erklären, dass die von Eis freigelegten Teile rund um die Gletscher hinsichtlich das Strahlungsverhalten ganz andere Eigenschaften aufweisen und für die Gletscher nicht begünstigend sind - im Gegenteil. Die freigelegten Felsen und Gerölle der Moränen und umliegende Felsen absorbieren die tiefwellige Sonnenstrahlung viel stärker als ein Gletscher der bedeutend heller ist. Der Gletscher, so ist er zum Beispiel nur schwach mit Staub und Stein belegt, reflektiert die tiefwellige Strahlung verhältnismässig viel stärker (anders ausgedrückt wird die Albedo der Erdoberfläche im Durchschnitt geringer) und nimmt somit weniger Energie auf als die dunkelfarbigere Umgebung. Dann spricht man von einem positiven Feedback, weil die Umgebung gesamthaft mehr (Wärme-)Energie aufzunehmen vermag (als früher), erwärmt sich die gesamte Umgebung stärker. Damit leidet und schwitzt der Gletscher immer mehr, was zu einem erhöhten Abschmelztempo führt. Wenn die mittelere Temperatur gleichzeitig steigt, steigt die Gleichgewichtslinie des Gletschers auch an, was zu einer Verkleinerung des Nährgebietes (Akkumulation) und u.U. zu einer Vergrösserung des Zerrgebietes (Ablation) führt.

Auf der rechten Talseite, auf einer kleinen Anhöhe (in 5-10 Minuten zu erreichen) gibt's einen kleinen See, den Halsesee (2002 m ü.M.). Wir marschierten aber unten vorbei, haben den Schnee erreicht, manchmal fussknöchelhoch, manchmal fast bis zum Knie, manchmal schneefrei, abhängig von Exposition, Sonneneinstrahlung und Topografie. Von zwei Wasserfällen, einem auf der linken Talseite, einem auf der Rechten begleitet, geht's hinauf auf eine Anhöhe wo ein grosser Steinmann und ein grosser auf dem Gletscherschliff liegen gebliebener Steinblock (vielleicht ein erratischer Block?) liegt. Von da aus geht's rechterhand, also in Richtung Osten (leicht südlich) zur Binntalhütte SAC und links in nördl. Richtung zur Mittlebärghütte. Wir gingen Richtung Süden und gelangten eine halbe Stunde später bei der Binntalhütte 2265 m ü.M. an. In Empfang genommen mit einer Tasse Ricola-Zitronentee liessen wir es uns noch etwas auf der windigen, zwar mit Sonne beschienenen, aber eher kühlen Terrasse gut ergehen. Es liegt noch vereinzelnd Schnee, zwei Tag zuvor hat es vor der Hütte mindestens 20 Centimeter Schnee gehabt. Die Hütte ist gut getarnt, weil sie aus Stein gebaut ist und stark der steinigen Umgebung gleicht. Das einzig richtig auffällige der Hütte sind die holzigen Fensterläden die einen roten "Z" auf weissem Hintergrund darstellen. Der Albrunpass 2409 m ü.M. ist in einer guten halben Stunde zu erreichen. Doch das ist erst für den morgigen Tag geplant. Wir genossen das gute Essen (Lasagne) und den guten Rotwein und nach ein paar Runden Wizard legten wir uns schlafen. Die Hütte gehört der Sektion SAC Delémont, weswegen der Hüttenwart und wohl einzelne Mitarbeiter französisch sprechen. Allerdings kommt man mit deutsch auch gut durch.

Am nächsten Morgen standen wir ca. um 07.00 Uhr auf, frühstückten um 07:30 Uhr und liefen eine halbe Stunde später Richtung Albrunpass ab. Oben trafen uns die ersten Sonnenstrahlen, wir liefen vom Pass hoch hinauf in Richtung Ofenhorn wo die Marchsteine (Grenzsteine) Svizzera-Italia stehen. Dort schauten wir runter nach Italien, v.a. der Lago di Dèvero lockt unsere Blicken. Vom Albrunpass geht's runter auf die Alpe Forno 2222 m ü.M.  (was in deutsch nichts anderes bedeutet als die Ofenalp oder Ofeneralp). Von der Alpe Forno geht's dann noch einmal steil bergauf Richtung Scatta Minoia. Wir befinden uns im südalpinen Bereich, dies ist insbesondere an der Vegetation sichtbar, die sich nun schon stark geändet hat. Pflanziger, grüner, satter, irgendwie farbiger... Wir sind in Italien, in Piemonte!!

Hmm, wir haben gar nicht daran gedacht, kein Passeporte, keine Carta d'identità, nur GA, Rega-Karte, Postkarte und Kreditkarte.... als sans papiers unterwegs, auch mal was Neues! :-) Nun, Schengen-Dublin lässt grüssen, keine Kontrollen, das weiss man ja, keine Nachfrage nichts.. Die Wege sind frei.. :-) Wir liefen weiter runter von der Scatta Minoia bis zum Lago Vannino rund um diesen, bergab am rechten Ufer. Um den Stausee, am Ende, im östlichsten Teil am Staudamm liegt die CAI (Club Alpino Italiano) "Hütte" Rifugio Margaroli. Die Hütte wirkt gemütlich, schön gelegen, das Innere ist wie eine normale Beiz, wie wir sie hier so kennen. Leider hab ich die Zimmer nicht gesehen, nur die Gaststube. Preislich lohnt es sich im Moment schon fast, in Italien bzw. in einer CAI-Hütte zu übernachten (Halbpension: Mitglieder SAC 36 Euro / Nicht-Mitglieder: 47 Euro).

Etwas in Eile gekommen (es war schon ca. 16.00 Uhr), fragten wir in der Hütte nach Unterkunftsmöglichkeiten unten im Tal, weil wir am Tag danach einen zu weiten Weg zurück nach Ulrichen haben würden, entschieden wir uns gegen Rifugio Margaroli und für Ponte (ein kleines Dorf im Tal). So liefen wir noch ca. 1.5 h bis Canza und dann noch ca. 20 Minuten der Strasse entlang hinunter nach Ponte. Ponte ist ein beschauliches Dorf, Hauptarbeitgeber sind die Wasserkraft-Elektrizitätswerke, die aus verschiedenen Staudämmen Energie gewinnen. Auch, so scheint es - da wohl mehrheitlich im Winter - ein mittleres Tourismusaufkommen zu haben. Es gibt ein kleines Skigebiet und im Dorf etwa 4-5 Hotels.

In einem davon - es waren nur 2 geöffnet (aperto) - nächtigten wir - --> Siehe hier <--  Albergo Residence Monte Giove, Frazione Valdo, 1, 28863 Formazza Verbano-Cusio-Ossola, Italien +39 0324 63034 . Super Preis-Leistungsverhältnis!! Ein ganz ordentliches Haus mit sehr gut ausgestatteten Zimmern, grosser Dusche etc... Da der Bus nicht mehr fuhr, wurden wir von einem überaus herzlichen Mann, der in den Elektrizitätswerken arbeitet, bis zum Lago Morasco gefahren (er wollte dafür nicht mal das Trinkgeld). Die Strasse führt am grössten (oder längsten) Wasserfall von Europa vorbei (wusste ich nicht) - dem Cascata del Toce. Siehe Bild vom Wasserfall. Ich weiss nicht ob es wirklich der grösste Wasserfall Europas ist? :-) Das er der grösste Wasserfall von Europa ist, habe ich aus dieser Quelle entnommen.

So liefen wir vom Lago Morasco (ebenfalls ein Stausee) im Valle di Morasco Richtung Norden stetig hinauf auf eine Hochebene ins Valle del Gries. Dort hatten wir mit starkem Bergwind zu kämpfen. Ein anderes Schauspiel war der riesige Bartgeier, der an der rechten Talflanke auf  Nahrungssuche war. Dann geht's ein letztes mal hinauf Richtung Griespass, hoch hinauf. Der Griesspass soll schon in der Bronzezeit (2200 v.Chr.- 800 v.Chr.) als Übergang genutzt worden sein. Die Walser wanderten vom Wallis hinunter ins Piemont. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass viele Dörfer unten im Tal neben den klassischen italienischen Namen alte, walliserdeutsch klingende Namen aufweisen (Bsp: Zumstäg: Ponte (it.), Früduwald: Canza (it.) oder Uf ä Frutt: La Frua(it.)). Auch sprachen wir mit dem Mann, der uns an den Lago Morasco brachte. Er sprach Wallserdeutsch (erst beim zweiten Hinhören erkannt), zwar schwer verständlich, aber dem gomser Dialekt sehr nahe. Auf der Passhöhe (Griespass) gibt es eine Art Biwak in der Form einer kleinen Kapelle. Man sieht auf der linken Seite den Griesgletscher und gerade aus den Griessee (Stausee). Der Griesgletscher reichte 2001 noch in den Stausse, ist entsprechend der Fotos auch stark zurückgegangen.

Wir liefen der linken Seite des Sees entlang, etwa 100 m höher als der Seespiegel, mussten noch einen Umweg gehen, weil Sprengarbeiten beim Windkraftwerk im Gange sind... Nach ca. 2h (vom Griespass aus) waren wir unten bei Ladstafel angekommen (mit einer Mittagspause eingerechnet) und nahmen da das bald vom Nufenenpass einfahrende Postauto bis Ulrichen. So war es auch schon wieder durch, ein toller Ausflug in einer überaus schönen Landschaft und sehr positiven Eindrücken aus dem Piemonte!!

La vita è un viaggio, non una destinazione.

Tourengänger: amphibol, berggiis, Schneefrou


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Kommentare (2)


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lemon hat gesagt: schöner Bericht...
Gesendet am 27. September 2011 um 21:28
...hab ich gleich in meiner "to do" Liste gespeichert!

amphibol hat gesagt: RE:schöner Bericht...
Gesendet am 28. September 2011 um 09:46
Danke und viel Spass im Binntal - irgendwann! :-)


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