Lemminge, Hochwart und ein Lavtinahorn: Von der Pizolhütte nach Weisstannen


Publiziert von marmotta , 15. September 2011 um 22:39.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum:11 September 2011
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-SG 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 550 m
Abstieg: 1775 m
Strecke:Pizolhütte - Wildseeluggen - Wildsee - Lavtinasattel - Hochwart - Lavtinasattel - Lavtinahorn I - Lavtinasattel - Batöni - Weisstannen
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Wangs, Pizolbahn
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Weisstannen, Oberdorf

Neben der berühmten 5-Seen-Wanderung gibt es im Pizolgebiet noch einige andere lohnende Touren, bei denen die bis auf eine Höhe von 2225 m hinaufführenden Pizolbahnen als Aufstiegshilfe sinnvoll eingesetzt werden können. Eine davon führt via Wildseeluggen zum Lavtinasattel und von dort hinunter nach Weisstannen, vorbei an den eindrücklichen Wasserfällen im Talkessel Batöni.
 
Leider bringt der Bahnbetrieb auch einigen Rummel mit sich, insbesondere im Bereich der 5-Seen-Wanderung tummelt sich an schönen Sommertagen extrem viel Volk, was einsamkeitsliebenden Wanderen kaum behagen dürfte. Vom Lavtinasattel aus lohnt sich der kurze, unschwierige Abstecher zum aussichtsreichen Gipfel des Hochwart (2670 m) und -etwas abenteuerlicher- zum Gipfel des 1. Lavtinahorns (2645 m).
 
Durch einen aufkeimenden Infekt geschwächt, wollte ich eine Tour mit nur wenigen Aufstiegs-Höhenmetern machen - nevada war "natürlich" sofort damit einverstanden, wobei ich geflissentlich verschwieg, dass bei der vorgeschlagenen Tour dafür im Abstieg sage und schreibe 1700 Hm zu vernichten wären.
 
Das erste Ärgernis bereits vor Fahrtantritt am Kreuzlinger Bahnhof: Genau in dem Moment, als er mir Fahrkarte und Retourgeld hätte ausspucken sollen, fiel dem Billettautomat wohl ein, dass er nun seine wohlverdiente Pause machen könnte. Betriebsstörung! Das hiess: Weder der eingeworfene Fünfliber noch das gewünschte Billette wurden ausgeworfen, wenigstens kamen die Fränklinoten wieder raus…
 
Da Schwarzfahren auch keine Alternative war (der Lokiführer vom Bahngleis gegenüber hatte mir schon "gesteckt", dass am Kreuzlinger Hafen 2 Kontrolleure einsteigen werden…), ging´s dann eben mit einstündiger Verspätung los. So wurde es 11.30 Uhr, bis wir schlussendlich unsere Wanderung an der Pizolhütte (2225 m) bei im übrigen traumhaftem Wetter starteten. Eingereiht in die Karawane der 5-Seen-Wanderungs-Lemminge erreichten wir nach ca. 30 min die Wildseeluggen (2493 m), wo sich ein fantastischer Blick auf den Pizol, die Lavtinahörner und natürlich den Wildsee mit seiner fast irreal anmutenden hellblauen Farbe eröffnet.
 
Mit Verlassen der Route der "5-Seen-Wanderung" wurde es in Richtung Lavtinasattel schlagartig ruhiger: Man steigt (zunächst auf der Pizol-Route) in die Ebene des Wildsees ab, um von dort nach Westen abzuzweigen. Der markierte Steig führt nun durch ziemlich steilen Schutt hinauf in den Lavtinasattel (T3).
 
Und dann dies: Gerade als ich den Lavtinasattel erreicht hatte, segelte einer der im Calfeisental beheimateten Bartgeier über meinen Kopf hinweg in Richtung Lavtinahörner und Pizol - ein faszinierender Vogel mit einer unglaublichen Flügelspannweite!  
 
Vom Lavtinasattel aus, von wo sich bereits ein herrlicher Blick über das Taminagebirge und in die Glarner Alpen eröffnet, statteten wir noch dem Gipfel des Hochwart (2670 m) mit dem von weitem sichtbaren Gipfelkreuz einen kurzen Besuch ab. Dieser lässt sich auf einer durchgehenden Wegspur in 10-15 min leicht erreichen (T3).
 
Wieder zurück am Lavtinasattel reizte mich dann doch die Besteigung des von dort nach Süden aufragenden 1. Lavtinahorns (2645 m). Wenn man grad schon mal da ist… ;-)
 
Die Lavtinahörner sind eine Reihe brüchiger Verrucanofelsköpfe zwischen Pizol und Lavtinasattel, von denen man allgemein 12 Gipfel zählt, wobei auf der LK nur die markantesten Köpfe I, IV und XI kotiert sind. Bis zu Delta´s Begehungen (hier, hier und hier) waren diese wilden Felsköpfe auf Hikr.org ein völlig unbeschriebenes Blatt. Auch sonst scheint dieser brüchige Felsgarten kaum von menschlichen Wesen aufgesucht zu werden. Vielleicht wäre ich gar nie auf die Idee gekommen, einen oder mehrere dieser Gipfelchen je zu besteigen, wenn nicht Delta, der sich ja schon von Berufs wegen regelmässig im Pizolgebiet herumtreibt, hier den Anfang gemacht hätte…
 
Wie schon im SAC-Clubführer, Bündner Alpen 1, treffend beschrieben, sind die Hörner bei Klettern wegen des vielerorts brüchigen, auf der Nordseite mit feuchtem Moos durchsetzten und mit Flechten überzogenen Gesteins nicht sonderlich beliebt. Und der "normale" Bergwanderer setzt dort vermutlich sowieso keinen Fuss hinein. Die einfachste Route erschliesst sich nicht immer auf den ersten Blick - auch ich musste die Erfahrung machen, dass sich die vermeintliche "Idealroute" dann wegen eben dieser erwähnten Unwägbarkeiten (Moos, ungünstig, d.h. abwärts geschichtete Platten, die unter Zugbelastung sofort herausbrechen) gar nicht immer als die leichteste und empfehlenswerteste Route erweist.
 
Zur Normalroute auf das 1. Lavtinahorn vom Lavtinasattel aus, schreibt der Führer nur lapidar "Man folgt dem bewachsenen Gratrücken" und gibt die Schwierigkeit mit "L" an. Tönt trivial, ist es im Grunde auch. Wenn man den Gefahren durch brüchigen Fels und rutschige Bänder im abschüssigen Gelände ausreichend Rechnung trägt und entsprechend aufmerksam und konzentriert ist. Aus diesem Grund habe ich dem obligatorischen T5 mal ein + angehängt.
 
Im Gegensatz zu Delta, der damals von Süden herkam, wählte ich eine Route, auf der man fast gänzlich ohne eigentliche Kletterei auskommt. Zwar erkundete ich zunächst (s)eine mögliche Aufstiegsroute über eine Rinne und einen sich verengenden Kamin auf der Ostseite (T5, II), doch fühlte ich mich an diesem Tag infolge des Infekts saft- und kraftlos, so dass mir nicht nach Klettern zumute war.
 
Ich stieg daher zurück in die Nordflanke und erreichte in dieser -auf Moos und Schuttbändern aufwärts steigend- schnell den kurzen, senkrechten Felsriegel, den es zu überwinden gilt, um auf das gemütliche Gipfelplateau zu gelangen. Am gefahrlosesten erschien mir die Überwindung der Stufe über den (Nord-)Westgrat in einigermassen festem Gestein, wenngleich die Kraxelei hier sehr ausgesetzt ist. Auf dem höchsten Punkt des grasigen Gipfelplateaus errichete ich einen Steinmann bzw. baute die kümmerlichen Fragmente des bereits vorhandenen aus. Über die nach Süden senkrecht abbrechende Wand erhält man einen wunderschönen Einblick in die bizarre Welt rund um das Lavtinahorn IV, den Delta zu recht als den "König der Lavtinahörner" bezeichnet hat. Abstieg auf der Aufstiegsroute.
 
Vom Lavtinasattel wartete nun noch der höhenmetervernichtende Abstieg über den märchenhaft anmutenden Felskessel Batöni bis hinunter nach Weisstannen. Zunächst führt die Wegspur wenig gelenk- und fussschonend über steilen Schutt und Geröll bis zu den Weideflächen der Oberlavtina. Von der Alp Stofel (1909 m) sind entlang des Lavtinabachs weitere 370 Hm zu vernichten, bevor man unten im einzigartigen Amphitheater der Batöni-Wasserfälle steht. Immer ein beliebtes Fotosujet!
 
Bis Weisstannen (1003 m) zieht sich der Weg noch etwas hin, bei flottem Tempo ist dieser Abschnitt jedoch in weniger als 45 min zu schaffen (wobei der "Umweg" des neuen Bergwegs unter Umgehung des stellenweise abgerutschten Hangwegs noch etwa 5 min kostet). Von Weisstannen, Oberdorf fährt ein Bus um 14.00, 16.00 und 18.00 Uhr nach Sargans Bhf.   

Tourengänger: marmotta, nevada
Communities: ÖV Touren


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Kommentare (2)


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Henrik hat gesagt: Immerhin waren diesmal nicht die
Gesendet am 15. September 2011 um 22:51
> 30 Sekunden zu lang ....

und punkto Ergiebigkeit ist ja eigentlich fast alles mitgekommen...

marmotta hat gesagt: Die Tücken des öV
Gesendet am 15. September 2011 um 23:06
Ja, der Ärger über den Billettautomat (und die von diesem eingesackten CHF 5,00) waren schnell mit einem Kaffee im avec-Bistro runtergespült. Das Tagesprogramm war dennoch erfüllend.

Auf eine unschöne Szene auf der Heimfahrt, als ich plötzlich in die Faust eines überaggressiven Fahrgastes "reinlief", bin ich noch gar nicht eingegangen. Bahnfahren wird zunehemend unangenehmer, leider! Warum die Menschen jetzt im Herbst plötzlich aggressiver auftreten? Frust über das Ferienende? Über die kühler werdenden Temperaturen? Wäre auch noch ein Thema zum Diskutieren...

G.
marmotta


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