Gross Düssi via Südgrat, 3256 Meter

Jetzt wollte ich es wirklich wissen. In den letzten Jahren immer in Erwägung gezogen, war es endlich soweit und das hintere Maderanertal sollte erkundet und sein markanter Thron bestiegen werden. Da es mir an einem Tourenpartner mangelte, musste die gletscherfreie Aufstiegsroute herhalten: Der wenig begangene Südgrat.

Ausgangspunkt für Touren ins Maderanertal ist in der Regel der Parkplatz an der Luftseilbahn nach Golzeren. Von dort startete ich Samstag abend gegen 19 Uhr mit dem Velo. Mehr schiebend als fahrend ging es durch das schöne Tal auf gut ausgebautem Weg hinauf bis zum Punkt 1270. Zu so später Stunde war ich alleine unterwegs und wähnte mich, die Wildheit des Stäuberwasserfalls und die feurig leuchtenden Gipfel im Abendlicht betrachtend, in einem fernen unerschlossen Land.
Nun ging es im Dämmerlicht weiter hinauf nach Hinterbalm und dann in völliger Dunkelheit nach Waltersfire im Brunnital. Laut SAC Führer sollte man hier Wegspuren folgen und Richtung Punkt 2198 aufsteigen. Ich versuchte mein Glück und bahnte mir einen Weg durch die üppig mit distelartigen Pflanzen bewucherte und immer steiler werdende Bergflanke. Erst folgte ich einem Bachlauf, dann musste ich, mittlerweile mit Eispickel bewehrt, links des Baches durch teils glitschig rutschiges Steilgelände kraxeln. Gegen 24 Uhr hatte ich genug gesehen und richtete mir hinter einem grösseren Felsblock mein Biwak ein.

Der nächste Morgen brachte Licht ins Dunkel der vergangenen Nacht. Ich hatte zwar keine Wegspuren gefunden, doch der Übergang zum Tschingel lag nicht weit entfernt. Wie ich später auf der Hütte erfahren hatte, war die Beschreibung im SAC Führer veraltet und die neue Route führt nun weiter südlich hinauf zum Tschingelsee auf den grossen Steinmann zu.
Ab Tschingel führte der Weg nordwärts, über einen Bergrücken und durch Schuttfelder gegen den Sattel bei Punkt 2843 zu. Von dort ging der Weg über und entlang des Tschingelfirns an den Südgrat des Chli Düssi, den man in schöner Kletterei über griffige Granitplatten erklimmt. Kurz unterhalb des Chli Düssi stiess ich beinahe mit einer vierköpfigen Steinbockfamilie zusammen. Blitzschnell waren sie in die steile Südflanke gesprungen und pfiffen mich scharf an als ich sie mit dem Tele ins Visier nahm...
Nun war es nicht mehr weit, der Chli Düssi überschritten und die letzten Meter hinauf zum Gross Düssi ein Leichtes.

Nach langer Pause und ergiebigem Studium der umliegenden Bergwelt ging es gegen 10:30 wieder hinunter. Für den Abstieg nahm ich die Südwestflanke. In das hier schon öfter erwähnte Couloir brauchte ich nicht einsteigen, da der Weg über die abschüssigen Felsplatten trocken war. Mancherorts musste ich ein paar Meter abklettern und erst am Rande des einzig verbliebenen Schneefeldes musste ich den vorhandenen "Bergschrund" umgehen.
Mühsam führte der Weg durch Blockhalden und Moräneneschutt, dann endlich ins Grüne, immer der "Düssisuone" folgend zurück nach Hinterbalm. 25°C zeigte das Thermometer und das Panaché war schnell gestürzt. Von Hinterbalm ging es im Laufschritt zum Stäuberboden, wo mich mein Velo erwartete und mit dessen Hilfe ich den vielen Wanderen zum Schrecken geschwind den wild tosenden Chärstelenbach entlang ins Tal sauste.

Fazit: Tolle und einsame Tour, in ursprünglicher Landschaft. Sehr gut geeignet für "Velozustieg", so spart man sich im Abstieg eine gute Stunde mühsamen Gehens. Auch die selbstgemachten Nussgipfeli von Hinterbalm sind zu empfehlen.