Keeskogel (3291 m) - ein Logenplatz im Angesicht des Großvenedigers


Publiziert von gero , 19. August 2011 um 00:13.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Venedigergruppe
Tour Datum:17 August 2011
Hochtouren Schwierigkeit: L
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 13:00
Aufstieg: 2145 m
Abstieg: 2145 m
Strecke:P Hopfeldboden - Berndlalm - Postalm - Kürsinger Hütte - Keeskogel und zurück (31,1 km)
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Neukirchen (am Großvenediger), Ortsteil Sulzau auf Forststraße vorbei am Gasthaus Siggen und hinein in das Obersulzbachtal bis zum Parkplatz Hopfeldboden. Gebührenpflichtig: pro Tag 2 Euro, 2 Tage 4 Euro - längere Standzeit keine Zusatzgebühr (also max. 4 Euro). Die Automaten nehmen rund um die Uhr die Gebühr an.
Kartennummer:Freytag & Berndt Nr. 38 (Kitzbüheler Alpen und Pinzgau 1:100.000)

Der Keeskogel steht schon lange auf meiner alpinen Wunschliste - von dieser ist er nun gestrichen, dafür steht er in meinem Tourenbuch.


Teil 1: Nächtlicher Aufstieg zur Kürsinger Hütte


Abends um 20:30 Uhr starte ich am Parkplatz Hopfeldboden (1090 m) - es existieren unterschiedliche Schreibweisen und Höhenangaben, ich schließe mich hier der lokalen Nomenklatur an (vgl. Foto Nr. 1).

Um es gleich vornweg zu sagen: der bis zur Kürsinger Hütte rund 15 km lange Weg durch das Obersulzbachtal zieht sich (vor allem beim Abstieg) elend in die Länge. Um diesen zeitlich zu verkürzen, kann man wahlweise tagsüber den Touristentransport der Berndlalm benutzen und sich bis zur Talstation der Materialseilbahn der Hütte fahren lassen - oder mit dem Radl eben diese etwa 12 km lange Strecke bewältigen, muß aber bestimmt etliche Male vor der Steilheit der Almstraße kapitulieren und schieben. Auf dem Rückweg gehts dann umso schneller zu Tal.

Ich habe beschlossen, den Aufstieg zur Kürsinger Hütte als Nachtwanderung zu absolvieren - dann entkomme ich der Tageshitze und habe am nächsten Morgen nur noch das letzte Stück auf den Keeskogel vor mir. Von Anfang an steigt die Forststraße steil aufwärts, in Kehren führt sie zum Almgasthof Berndlalm (1514 m) empor und erreicht hier den langgezogenen, nunmehr flach geneigten Almboden des Obersulzbachtales. Ich benötige für dieses Stück ziemlich genau 1 Std. - trotz Dunkelheit, ich gehe bis auf weiteres alles ohne Taschenlampe .... das graue Band der Forststraße ist nicht zu verfehlen.

Nach etwa einer weiteren Stunde komme ich am Gasthaus Postalm (1699 m) vorbei - nach wie vor ist die Nacht warm, kurze Hose und T-Shirt genügen heute vollkommen. Kurz darauf wird das Sträßchen wieder steiler - ich passiere die Obersulzbachhütte (1742 m), hierbei handelt es sich um einen Stützpunkt der Bergwacht ohne Unterkunftsmöglichkeit. Nach etlichen steilen Straßenkehren habe ich um 23:30 Uhr die Talstation der Materialseilbahn zur Kürsinger Hütte am Oberen Keesboden erreicht (1929 m). Hier endet die Almstraße, in einer Abzäunung stehen hier tagsüber zahlreiche Mountain Bikes. Wer mag, kann sich für 4,5 Euro seinen Rucksack hinauf befördern lassen. Ich raste kurz im Dunkeln, bevor ich - nun auf einem Bergsteig - meinen Weg fortsetze.

Kurz hinter der Station der Materialbahn weist ein Schild zur Kürsinger Hütte - noch eine Stunde Nachtmarsch liegt vor mir. Ab hier benutze ich die Stirnlampe, denn der Steig führt durch Blockgelände und quert das Klamml, einen Bereich, wo mehrere Bächlein den Hang heruntersprudeln. Hier ist der Pfad mustergültig (fast ZU perfekt) mit Drahtseil und zusätzlichen Geländerseilen präpariert .... auch im Dunkeln gibt es keinerlei Probleme.

Immer steil ansteigend, habe ich nach einer weiteren halben Stunde das Klamml hinter mich gelassen und betrete den untersten Rand des Keeskares. Es ist hier mehr ein Wiesengelände, welches das letzte Wegstück bis zur Kürsinger Hütte (2549 m) hinaufführt. Um 1 Uhr, also 4,5 Std. nach Abmarsch von Hopfeldboden, öffne ich leise die Hüttentür - im schnuckelig warmen Vorraum breite ich mich aus und falle schon nach kurzer Zeit, auf einer Holzbank liegend, in tiefen Schlaf. Ist die Bank auch hart (ich habe eine Decke untergelegt), so ist diese Art der Nachtruhe doch etwas angenehmer als ein Freibiwak, da wärmer und vor allem trockener.


Teil 2: Aufstieg auf den Keeskogel


Um 4 Uhr rumoren die ersten Venediger-Aspiranten herum; auch mit meiner Ruhe ist es vorbei, und ich habe nichts dagegen, so bald wie möglich weiterzugehen. Zwei Tassen heißer Kaffee, die Ausrüstung wieder eingepackt - und um 4:30 Uhr stehe ich draussen unter dem verblassenden Sternenzelt eines beginnenden Traumtages.

Gleich hinter der Hütte ein Wegweiser: zum Großvenediger, zum Obersulzbachtörl und zum Keeskogel, meinem heutigen Ziel. Ich folge einem Steiglein, das dank zahlreicher roter Markierungen und Steinmänner nicht zu verfehlen ist. Über drei größere Absätze geht es die noch ausstehenden 750 Hm hinauf, jeder etwas steiler als der vorhergehende. Kurz vor 6 Uhr zieht mit Macht die Dämmerung über das Untersulzbachtörl herüber, kurz darauf erleuchtet der Großvenediger im rosa Licht der aufgehenden Sonne. Es ist absolut still ringsumher, nur das Gackern eines Steinhuhns ist für einen Moment zu hören, dann bin ich wieder allein auf der Welt mit meinen im Geröll knirschenden Schritten. SO macht Bergsteigen Spaß - abseits der Touristenmassen, so früh wie irgend möglich, die Einsamkeit eines Tagesanbruches im Angesicht alpiner Kulisse inhalieren.
 
Der Steig leitet über plattiges Geröll unschwierig aufwärts in Richtung auf den schon lange sichtbaren Gipfel - er ist eigentlich bereits von der Hütte aus zu sehen, nur erkennt man ihn beim ersten Besuch nicht als solchen. Die letzten 200 Hm sind hier und da drahtseilgesichert - ich nehme das Seil gerne an, weil so die Hände die Schubkraft der Beine im nun doch recht steilen Blockgelände unterstützen können. Schwierigkeiten gibt es jedoch auch auf diesem letzten Wegabschnitt nicht zu meistern.

So stehe ich denn um 6:50 Uhr droben auf dem Keeskogel (3291 m) - trotz der frühen Stunde ist es nicht kalt. Um mich herum Berge, Berge und nochmals Berge ... die Aussicht ist wirklich phänomenal und reicht über die Dolomiten im Süden, das Tote Gebirge im Osten, die Bayerischen Voralpen im Norden bis zu Karwendel und Wetterstein im Westen. Direkt gegenüber streckt sich Österreich Höchster in den Morgenhimmel - der Großglockner wächst als kühne Zinne aus einem Meer von Talnebeln empor.

Fast 2 Stunden pausiere ich auf meiner Aussichtswarte und kann mich gar nicht satt sehen. Fast 300 Fotos fangen jede noch so kleine Nische der Bergwelt ein. Dann aber muß ich mich von diesem Zauber losreißen - der Rückweg ist noch lang genug.

Nach dem unschwierigen Abstieg zur Hütte gibt es dort nochmals eine Stärkung, und dann geht es den megalangen Weg zurück, das ganze Obersulzbachtal hinunter bis zum Hopfeldboden. Üppiger Sonnenschein liegt über der Landschaft - und jenseits des Gerlospasses hat es später auf der Heimfahrt drunten im Zillertal satte 30 Grad. Ein Traumtag in der Venedigergruppe gehört damit der Vergangenheit an.

Tourengänger: gero


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Geodaten
 7189.gpx Durch das Obersulzbachtal auf den Keeskogel

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Kommentare (6)


Kommentar hinzufügen

alpstein hat gesagt:
Gesendet am 19. August 2011 um 05:45
Wieder mal ein Bericht Marke "Gero". Es ist immer wieder schön, wie Du den Leser auf Deine einzigartigen Touren mitnimmst. Man kommt sich vor, als würde man die Route nachwandern. Dazu tolle Fotos.

Beste Grüße
Hanspeter


gero hat gesagt: RE:
Gesendet am 19. August 2011 um 07:22
Danke für Deine lobenden Worte, lieber Hanspeter!

Es macht aber auch immer wieder Spaß, selber beim Verfassen eines Berichtes die Touren nachzuerleben.
Denn so kann man noch einmal eintauchen in die Stille der Gipfelrast, kann sich nochmals in der Runde umsehen und bewußt gucken, was man da so alles an Bergen und Tälern gesehen hat.

Gewittrige Grüße aus dem Frankenland
vom Georg

83_Stefan hat gesagt:
Gesendet am 19. August 2011 um 12:41
Da hast du ja wieder mal ein tolles Abenteuer erlebt! Für diese Art von Eindrücken lebt man ja schließlich auch. Gratuliere!

morphine hat gesagt:
Gesendet am 19. August 2011 um 23:58
Die nördlichen Tauerntälter ziehen sich. Aber gerade in den langen Wegen zum Gipfel und wieder hinunter liegt auch der Reiz solcher Bergtouren.

Klasse Unternehmung und Bericht von Dir über den Keeskogel.

Die Panoramaaufnahmen sind wirklich richtig gut.

Gruß
morphine

Chiemgauer hat gesagt: Shit Happens
Gesendet am 21. August 2011 um 20:30
Servus Georg, da bist du mir (leider) vier Tage zuvor gekommen mit deinem Bericht. Muss ich mir noch mal überlegen, ob ich von meiner heutigen Keeskogeltour einen Bericht verfasse. Wären wir uns ja fast über den Weg gelaufen.
Gruß,
Hans

Felix hat gesagt:
Gesendet am 1. September 2011 um 23:32
grossartig!
lg


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