Piz Palü - Bumiller Pfeiler


Publiziert von danski , 14. Juli 2011 um 11:11.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Berninagebiet
Tour Datum:12 Juli 2011
Hochtouren Schwierigkeit: S+
Klettern Schwierigkeit: V+ (UIAA-Skala)
Eisklettern Schwierigkeit: WI3
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR   Palü-Gruppe   Bernina-Gruppe 
Zeitbedarf: 14:00
Aufstieg: 1160 m
Abstieg: 1160 m
Strecke:Berghaus Diavolezza - Persgletscher - Bumiller Pfeiler - Palü Hauptgipfel - Palü Ost Gipfel - Berghaus Diavolezza
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit Bahn hoch zum Berghaus Diavolezza
Unterkunftmöglichkeiten:Berghaus Diavolezza, Massenlager. Wie immer sehr angenehm und empfehlenswert.

Einzigartig ist wohl jeder Berg, aber der Palü sucht in seiner Erscheinung seinesgleichen. Ist er gar eine Antithese zum Matterhorn? Nein ich möchte keine philosophische Diskussion vom Zaun reissen, lieber schwärme ich von seiner Routenvielfalt, die jeden Bergsteiger in ihren Bann zu ziehen vermag. Meine erste Begegnung mit diesem Berg liegt mittlerweile fast mein ganzes Leben zurück und zwischenzeitlich war ich im Winter via Normalroute oben, aber die Faszination ging immer von seiner abweisenden Nordflanke aus. Und dieser "Bumiller" ist mir schon seit Kindesbeinen geläufig...

Es war ein eher spontaner Entscheid, den wir am Vortag vor unserer Tour fällten, doch er sollte sich als genau genau richtig erweisen. Auf dem Parkplatz der Diavolezza-Bahn herrschte schon mal Uneinigkeit über das Material, welches wir mitzunehmen gedachten. Beharrte mein Kollege auf light&fast bestand ich auf meinen 3 Eisschrauben, 2 Eisgeräten und weiteren cams. Im Nachhinein kann ich folgendes Material empfehlen: komplette Steileisausrüstung inkl. 6 Eisschrauben, 2-3 cams mittlerer Grösse, ein Set Nuts kleiner bis mittlerer Grösse sowie einige Bandschlingen, 50m Einfachseil.

Von der Aussenterrasse des fast schon zu "komfortablen" Berggasthauses lassen sich die Verhältnisse und Routen am Palü bestens beobachten. Nach eingehendem Routenstudium erschien uns der Zustand des Bumiller Pfeilers als optimal, was sich am folgenden Tag bestätigen sollte. Bis zum Felsaufschwung war sogar eine Spur sichtbar, die sich aber nach dem Felsteil verlor. Wie sich später heraustellte, sind diese Besteigungsversuche nicht geglückt.

Anhand der Führerzeit, die von 6-8 Stunden ausgeht, wollten wir um 03:00 aufbrechen. Um eines vorwegzunehmen, die angegebene Zeit im Führer ist sehr sehr optimistisch, ausser man ist vom Schlage eines Ueli Steck...Trotz finsterer Nacht kann man den Bumiller Pfeiler kaum verfehlen und nach gut 1.25 Stunden standen wir am Pfeilerfuss. Wir folgten dem steiler werdenden Eisstrom links von der Mitte haltend. Dieser Abschnitt ist stark eisschlaggefährdet. Dank der Steilheit einzelner Abschnitte (bis ca. 60°) wird man hier schnell warm. Wir sicherten jeweils einzelne Längen im Eis. Alternativ könnte man sich momentan (Fussspuren) auch links unterhalb des Felspfeilers weniger steil nach oben arbeiten. Auf ca. 3400m quert man auf einen wenig steilen Firngrat, der zum felsigen Mittelteil der Pfeiler-Route überleitet. Nach etwas mehr als 3 Stunden wechselten wir vom Eis auf Fels. Mit der Morgensonne als Begleiterin erkletterten wir immer etwas östlich der Gratschneide haltend die ersten Längen. Die Kletterei bewegt sich anhaltend im IV-V+ Bereich und gönnt kaum Verschnaufpausen. Es stecken immer wieder mal Schlaghacken, an denen man auch ein Stück die alpinistische Vergangenheit dieses Pfeilers ablesen kann. Dass die Zuverlässigkeit dieser nicht immer über alle Zweifel erhalten ist, versteht sich von selbst. Cams oder Nuts lassen sich oft gut legen, es gibt aber auch Abschnitte, wo dies kaum möglich ist. Die angegebene Schwierigkeit muss zwingend mit schweren Bergschuhen beherrscht werden. Ein markanter, rötlicher Turm wird östlich umgangen, bevor man den Grat bei einem charakteristischen "Felsenfenster" wieder erreicht. Hier empfiehlt es sich direkt auf der sehr exponierten Gratschneide zu klettern. Ein Schlingenstand hilft über eine griffarme Platte. Insgesamt eine der schönsten Klettermeter, aber auch sehr fordernd. Nach fast 10 Stunden erreichten wir das Ende des Felsgrates. Die anhaltende Schwierigkeit und die nicht immer ganz offensichtliche Routenführung fordern ihren zeitlichen Tribut. Den Weiterweg wählten wir durch das mächtige und bedrohliche Serac. Anfänglich noch in gutem Eis gelangten wir bald in knietiefen und feuchten Schnee, durch den wir prompt einige Male mit einem Bein durchbrachen. Ein Abschnitt, bei dem wir in jeder Hinsicht noch einmal gefordert waren. Das Grollen und Knacken des Seracs, werde ich so schnell nicht vergessen... Die mächigen Querspalten im oberen, flacheren Teil liessen sich noch gut überqueren. Erst dann wich die stundenlange Anspannung langsam diesem unbeschreiblichen, intensiven Gefühl. Nach 11 Stunden war der gute Bumiller "gegessen". Zu unserem Glück klarte es wieder auf. Der Blick in die wallende Wolkenmasse liess uns "fliegen". Der Abstieg ist gut dokumentiert und bereitet momentan keine Schwierigkeiten. Nach gut 14 Stunden schafften wir die letzte Talfahrt just in time. Was für ein Abenteuer!

Es ist ein fantastisches Gefühl, den Palü nun auch von seiner unwirtlichen Seite bestiegen zu haben. Ein Abenteuer sondergleichen und für mich gleichzeitig Start und Ende meiner Hochtouren-Saison, denn in einigen Tagen gehts für Monate in den Winter auf der Südhalbkugel. Ich wünsche allen Hikrs einen erlebnisreichen und unfallfreien Sommer!

Besten Dank an "Nordwand" für die Inspiration http://www.hikr.org/tour/post35523.html


Tourengänger: danski


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Kommentare (10)


Kommentar hinzufügen

Alpin_Rise hat gesagt:
Gesendet am 14. Juli 2011 um 11:34
Danke und viel Spass im Südwinter!

Der Bumiller ist eine geniale Linie, Congrats! Mir aber zu schwierig und objektiv nicht über jeden Zweifel erhaben...?

G, Rise

danski hat gesagt: RE:
Gesendet am 15. Juli 2011 um 17:25
Danke! Tatsächlich ist dieses Sérac nicht über alle Zweifel erhaben... Der Fels ist jedoch recht kompakt.

Bis dann im CH-Winter, inkl. kleinem Trainingsvorsprung... ;)

TeamMoomin hat gesagt: Meine Fresse....
Gesendet am 14. Juli 2011 um 12:12
was für eine Tour, bei den Fotos wird einem ja teilweise fast schwindlig, grossartige Leistung!
Solche Touren spielen für mich ganz in einer anderen Liga, welche ich wohl nie erreichen werde, aber wenn sogar ein Alpin_Rise dies zu schwierig findet bin ich ja gleich beruhigt ;-)

Grüsse

Oli und Moomin

Sputnik Pro hat gesagt:
Gesendet am 14. Juli 2011 um 12:31
Auch von mir herzliche Gratulation! Die Route ist einmalig, so wie eigentlich der ganze Palü.

Viele Grüsse,

Sputnik

Bombo hat gesagt:
Gesendet am 14. Juli 2011 um 13:22
Ciao Danski

Ich gratuliere Dir bzw. Euch zum "Bumiller" - wir haben kürzlich, als wir auch in der Gegend waren - dort hinauf geschaut und ich kann nur meinen Respekt und gleichzeitig auch meine Freude für Euch aussprechen. Super, dass alles aufgegangen ist - das wird sicher eine unvergessliche Tour bleiben. Toller Bericht mit super Fotos!

Dir einen super "Winter" und wer weiss, vielleicht nächste Schweizer-Wintersaison einmal in einer steileren Skiabfahrt...

Gruss
Bombo




Nordwand hat gesagt: Gratuliere
Gesendet am 14. Juli 2011 um 19:32
Cool hats bei dir auch geklappt!
was ist dein nächstes Projekt?
Grüessli Simon

danski hat gesagt: RE:Gratuliere
Gesendet am 15. Juli 2011 um 17:29
Meine nächsten Projekte sind "skitourerischer"-Natur in Argentinien und Chile. Zurück in der CH im Dezember wartet dann schon wieder eine Menge "Arbeit" gemäss meiner Todo-list... ;) Und nächsten Sommer soll an den Bumiller angeknüpft werden.
Bin gespannt auf deine Berichte von weiteren Nordwänden!
Gruess, Dani

whannes hat gesagt: Respect !!
Gesendet am 16. Juli 2011 um 20:44
Ciao Danski

Ganz herzliche Gratulation zu dieser Tour! Ich war vorletzte Woche am Ostpfeiler und habe immer wieder den mittleren Pfeiler begutachtet. Die massive Eisabbruchspuren würden mich aber davon abhalten, die Tour auf diese Weise zu machen, da bin ich zu ängstlich ;-)

Im Führer steht ja, dass es eine gebohrte Variante direkt am Pfeilerfuss bis in die Mitte gebe, damit eben diese Eisabbrüche umgehen werden können. Stand diese Variante auch mal zur Diskussion?

Gruss, Hannes

danski hat gesagt: RE:Respect !!
Gesendet am 16. Juli 2011 um 23:30
Ciao Hannes

Merci!

Am Vortag haben wir den Auslauf des Gletschers beobachtet und keine nennenswerten Eisabbruchspuren gesehen. Nach Neuschneefällen ist die Gefahr von Lawinen als sehr gross einzuschätzen. Gegen Mittag haben sich die sehr steilen Hänge oberhalb des Gletschers ständig entladen.

Wir haben uns auch überlegt, konsequent auf dem Pfeiler zu bleiben. Allerdings dürfte die Routenfindung im unteren Teil trotz BHs sehr schwierig und die Kletterei ebenfalls alles andere als einfach sein. Der Führer schweigt sich über die "Qualität" der gebohrten Variante aus. Ich vermute daher, dass es ausser ein paar Ständen wohl kaum etwas gibt. Falls man sich am linken, östlichen Rand des Eisstromes bewegt, kann das Risikon vermindert werden.

Bezüglich Zeitaufwand ist die Variante via Eisstrom sehr viel schneller als via Felspfeiler. In Anbetracht der doch sehr langen Aufstiegszeit ist man froh um jede Zeitersparnis. Bedenkt man, dass eine noch längere Aufstiegszeit zunehmend auch mit subjektiven Risiken einhergeht, finde ich es durchaus vertretbar, sich bewusst der objektiven Gefahr von Eisschlag auszusetzen.

Wünsche schon jetzt viel Spass in einigen Monaten mit den Quadrants... ;)

Gruss, Dani

whannes hat gesagt: RE:Respect !!
Gesendet am 16. Juli 2011 um 23:32
Tönt vernünftig. Eis ist schnell und mach auch Spass =)


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