Haunold / Rocca Grande dei Baranci (2966 m)


Publiziert von gero , 9. Juli 2011 um 15:54.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum: 8 Juli 2011
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 1430 m
Abstieg: 1430 m
Strecke:P Antoninsstein - Köhlenbrenngraben - Haunold und zurück (8,8 km)
Kartennummer:Freytag & Berndt WKS 3 (Pustertal - Bruneck - Drei Zinnen)

Der Volksweise nach "deckt des Haunolds Alpenreich 1000 Blumen". Mag schon sein - vor allem aber mindestesn 10 Mrd Steine! Die hier vorgestellte Begehung des Haunold ist etwas für leicht masochistisch angehauchte Bergsteiger, die sich auch von 1400 Hm Steilschutt nicht abhalten lassen, in diese allerdings grandiose Dolomitenlandschaft einzutauchen. Sie wird, um dies vorwegzunehmen, von gewaltigen Einblicken in die Westflanke der Dreischustergruppe geprägt - und natürlich von den Rinnen, Wandfluchten, Türmen und Schluchten der Haunoldgruppe selbst.

Am Parkplatz Innerfeldtal (Beschreibung der Zufahrt hier: *Hochebenkofel (Cima Piatta Alta, 2905m) - Birkenkofel (Croda dei Baranci, 2922m)) starte ich um 5 Uhr - entgegen den Wetterprognosen beginnt auch in Südtirol der Tag nicht sonnig, sondern etwas wolkenverhangen. Ich wandere die asphaltierte Almstraße hinauf Richtung Dreischusterhütte - das geht schneller und zugegebenermaßen bequemer als der parallel verlaufende Waldweg, der großenteils die aus der Haunold-Gruppe herunterziehende Schotterreiße tangiert.

Nach 30 Minuten habe ich das nördliche Ende der Wiesenfläche erreicht, an deren Rand die Dreischusterhütte steht. Ein Wegweiser zeigt hinauf zum Haunold - "schwierig" steht darauf, das bezieht sich aber weniger auf technische Problemchen als auf Mühsal und Orientierungsansprüche, die sich im folgenden als maßgebend erweisen werden.

Von Beginn an steil führt ein Steiglein stangerlgrad durch Latschen aufwärts, immer parallel zu einem stark ausgewaschenen Bachbett, das heute erfreulicherweise trocken ist. Nach einer weiteren halben Stunde, etwa dort, wo der Steig in das Bachbett hineinläuft, ist der orographisch linke Hang stark erodiert - an dieser Stelle führt der offizielle Steig nordseitig aus dem Bachbett heraus. Dies ist jedoch vor Ort praktisch nicht zu bemerken, man muß hier nämlich am Rand des Erosionshanges steil aufwärts krabbeln, der Steig ist an dieser Stelle vorübergehend kaum zu erkennen, und der Erosionshang sieht derart unschön aus, das man gar nicht auf die Idee kommt, sich dort hinaufzumühen. Jedenfalls bleibe ich von nun an IM Bachbett - auch hier sind Steigspuren erkennbar, und in Folge warten einige nette, harmlose Felsabsätze, die mit ein bißchen Kraxelei anregend überklettert werden können (jedesmal kurze Einserstellen, kaum höher als 2m). Dieses erste Drittel des Anstieges endet auf einem Wiesenköpfl am oberen Ende des Bachbettes (ca. 2150 m) unmittelbar unter den Nordwänden der Innerfeldtürme, von hier aus guter Blick hinüber auf die mächtige Westflanke der Dreischustergruppe (knapp 2 Std. ab P Antoninsstein).

Das relativ angenehme erste Drittel des Anstiegs ist damit geschafft - von nun an heißt die Devise "Schotterkampf". Ich steige wenige Meter von besagtem Wiesenköpfl ab und quere das riesige Geröllfeld des untersten Köhlenbrenngrabens zum weiter drüben (etwa in der Mitte der Schuttreiße) verlaufenen Weglein. Nun geht es den Köhlenbrenngraben zunehmend steil hinauf in Richtung auf eine scharf eingeschnittene (namenlose) Scharte  - im unteren Bereich ist der Steig recht deutlich, er verfällt nach oben hin aber und macht einer Vielzahl von Spuren Platz, von denen allerdings keine sonderlich angenehm zu begehen ist.

Ziel ist zunächst ein großer Felsblock, etwa das untere Drittel der Schuttflanke markierend. Ab und an bestätigen kleine Stänndauben, das ich auf dem richtigen Weg bin. Die Stoamanderl sind in dieser Steinwüste allerdings relativ schlecht auszumachen, und beiläufig erwähnt: Markierungen gibt es hier keine. Orientierungssinn ist insofern gefragt, als man sich seinen Weg durch den Schotter "nach bestem Wissen und Gewissen" selbst suchen muß. Ich halte mich eher an den (im Aufstiegsinn) rechten Rand der Reiße - je höher ich komme, desto steiler wird das Gelände und desto mühsamer das Steigen.

Keine der seitlichen Schluchten wird beachtet - immer hinauf Richtung Scharte! Unterwegs mal ein markanter Doppelturm mit riesigem Spalt - hier guckt inzwischen blauer Himmel durch. Eine Wahnsinnslandschaft - müßte ich nicht so sakrisch schnaufen (das bekannte Motto: zwei Schritt vor, einer zurück), es wär direkt zauberhaft schön. Dolomiten pur, solche Urgewalten an Fels findet man kaum anderswo.

Gegen 8:20 Uhr, also etwa 3 Std. nach Abmarsch, erreiche ich so den obersten Rand des Köhlenbrenngrabens auf gut 2700 m. Ich schaue mich wieder einmal um - und siehe da, ja tatsächlich: dort rechts droben lugt das Gipfelkreuz hervor! Erst jetzt geht es in direkter Richtung auf das Gk zu in eine Seitenschlucht hinein (die Scharten - es sind mehrere -, die den Köhlenbrenngraben oben abschließen, werden nicht betreten!); am Beginn dieser Seitenschlucht einige kleine Steindauben und ein deutlicher Weg. Die Schlucht wird durch eine tief eingeschnittene Rinne markiert, die direkt auf das Gk zuführt. Aber schon am Beginn der Schlucht wird unter einem Absatz nach rechts hinaus in die Seitenflanke der Schlucht gequert - und oh Wunder: plötzlich wird das Gestein erfreulich fest, ich kraxel in unterem Einsergelände ziemlich mühelos dem Gipfel entgegen. Diese Felsflanke sieht im ersten Moment recht unschön aus, läßt sich aber ziemlich angenehm (im Vergleich zur vorherigen Schinderei) begehen. Immer wieder gibt es kleine Steinmanderln, aber immer wieder muß man auch gucken, wie es am besten weitergeht. Auch hier gilt: Blick fürs Gelände, Trittsicherheit und ein gewisses Maß an Schwindelfreiheit unerläßlich. Aber wirkliche Schwierigkeiten gibt es nicht, lediglich ein minimales Maß an harmloser Ausgesetztheit.

Diese Felsflanke führt nun ziemlich rasch hinauf zum Gipfel, für die 250 Hm vom Einstieg bis zum Gipfel braucht man keine ganze Stunde mehr.

Der Haunold (2966 m) besteht aus einer Vielzahl von Gipfeltürmchen, die durch mehr oder weniger tief eingerissene Scharten voneinander getrennt sind. Das Kreuz steht auf einem exponierten Steinspitz zwischen 2 etwas höheren Punkten, die ich beide ebenfalls betreten habe. Der Punkt 10m östlich des Kreuzgipfels wird über ein kleines Wandstück in exzellent festem Fels erklettert (10m hoch, NICHT heikel, II), auf den Punkt 10m westlich des Kreuzes führt ein kleines Weglein (20m) durch sehr brüchiges Felsgeschlamp. Alle diese Gipfelspitzen brechen nordseitig jäh in die Tiefe ab .... knapp 1000 m weiter drunten sieht man die Geröllfelder der Lahner Riebeln.

Leider bläst auf dem Gipfel ein recht kalter Südwind, Wolken quellen in allen Richtungen und verhindern fast jegliche Aussicht. Dabei ist es aber wie immer in diesem Sommer relativ schwül. Um etwaigem Regen zu entkommen, trete ich schon nach knapp 30 Minuten den Abstieg an - auf gleicher Route geht es wieder hinunter, alle Kraxelstellen sind auch im Abstieg ziemlich problemlos zu begehen (klar, Konzentration ist schon nötig: runterfallen darf man nicht, aber das steht auch nicht zur Debatte). Den riesigen Köhlenbrenngraben kann man im Abstieg nur gelegentlich hinunterfahren, meist gestaltet sich der Abstieg wegen der Steilheit des Geländes als konzentriertes, kontrolliertes Abrutschen, das ganz knackig auf die Oberschenkel geht.

Beim Abstieg benutze ich dann auch den offiziellen Steig, also nicht den Aufstiegsweg durch das Bachbett. Er enthält zwar keine Kletterstellen wie das Bachbett des Aufstiegs, aber ist ebenfalls gehörig steil. Inzwischen ist doch wieder die Sonne herausgekommen - ist sitze noch eine ganze Weile in der flimmernden Sommerhitze zwischen den Latschen und genieße die unendliche Stille dieses einsamen Hochkares, durch das ich heute gestiegen bin. Und gegenüber locken mich schon die nächsten Ziele an - diese unendlichen Geröllhalden der Dreischustergrupe ... z.B. der Weg hinauf zur Steinalpenscharte, ja, der müßte auch mal gemacht werden ...

Tourengänger: gero


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Kommentare (4)


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Felix hat gesagt: ja, diesen Reiz muss man erkennen ...
Gesendet am 10. Juli 2011 um 20:51
sonst würde man wohl kaum derartige T(ort)ouren unternehmen ...
Da hast wieder eine gewaltige "Bergfahrt" unternommen - hinsichtlich Krampf, Genuss, Anstrengung und Freude ... Herzliche Glückwünsche, lieber Georg!

lg Felix

ADI hat gesagt:
Gesendet am 11. Juli 2011 um 08:32
Servus, Gero!

schöne Tour auf einen einsamen Sextener Berg; den hab ich auch schon lang im Visier.
Jetzt weiß ich auch, warum ihn die Südtiroler lieber im Winter als SKT machen, da liegt nämlich der Schutt unter einer dicken Schneedecke.

Wettermäßig war's wohl kein AKW, oder?
Dennoch: eine Klassetour! Congratulations!

Liebe Grüße aus M vom G.

kardirk hat gesagt:
Gesendet am 13. Juli 2011 um 19:26
Hallo Gero,

Gratulation zu der Tour, Allerdings frage ich mich ob das in dem Schutt überhaupt Spass macht.Den Haunold hatte ich auch schonmal im Visier, jetzt überleg ich mir allerdings ernsthaft, ob sich das lohnt.

Viele Grüße
Dirk

gero hat gesagt: RE:
Gesendet am 13. Juli 2011 um 20:32
Servus Dirk,

tja, was soll ich sagen. Der Haunold ist letztlich ein Berg wie viele im Karwendel, wo Du ja durchaus ebenfalls recht aktiv und gern zugange bist.
Während des Aufstiegs ist man in diesem Steilschutt natürlich schon gelegentlich am Fluchen - wie letztlich immer in solchem Gelände.
Und wenn man dann droben steht - dann sind die Mühen sofort vergessen, und was bleibt, ist die Freude an der eigenen Leistungsfähigkeit, an der Einsamkeit des Berges (die gegen überlaufende Berge, wie man sie sonst in den Dolomiten kennt, wohltuend absticht). Und vor allem bleibt die Begeisterung über die Urgewalt der Landschaft, die einen umgibt.

Ergo: jetzt im Nachhinein würde ich Dir spontan den Haunold durchaus empfehlen. Sicher ein Erlebnis der besonderen Art - und ja auch mit sehr vielen eindrucksvollen, lohnenden Passagen, wie dem untersten Bereich im Bachbett oder dem obersten Abschnitt des Gipfelaufstieges. Und natürlich mit dem fulminanten Tiefblick nach Norden ins Pustertal.

Du hörst also durchaus eine gewisse Begeisterung in meinen Worten. Now it's up to you - edzerdla liegds an Dir selber!

Gruß vom Georg


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