Churfirsten - die Einsteiger-Rundtour


Publiziert von quacamozza , 30. Juni 2011 um 09:17.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum:27 Juni 2011
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Churfirsten   CH-SG 
Zeitbedarf: 14:30
Aufstieg: 3780 m
Abstieg: 3480 m
Strecke:Unterwasser-Chäserrugg-Hinterrugg-Schibenstoll-Zuestoll-Brisi-Frümsel-Selun-Muelten-Ochsenhütte-Starkenbach/Steg-Alt St.Johann-Unterwasser
Zufahrt zum Ausgangspunkt:PW:Autobahn bis Wil, dann über Wattwil ins Toggenburg; öV:Postautoverbindung Wattwil-Buchs SG
Kartennummer:LK 1:25 000 Nr.1134 Walensee

Die Churfirsten sind das ideale Umfeld, um den persönlichen Trainingszustand zu evaluieren. So treffen sich hier fast zu jeder Tages- und Nachtzeit Bergsteiger jeglichen Levels.

Meine Freundin schaut sich die Churfirsten am liebsten von unten aus an (auch schön), während ich vor langer Zeit mal drei an einem Tag schaffte. Bisher hatte ich es für mich ausgeschlossen, alle an einem Tag zu besteigen. In der Midlife-Krise kommen einem dann auf einmal so komische verrückte Gedanken... 

Weiterhin gibt es den 80-jährigen, der zum 230. Mal den Brisi besteigt, den Genießer, der zwei Gipfel pro Tag besteigt, den "Normalbergsteiger" wie mich, der mal schaut, ob die 7 Churfirsten an einem Tag in fortgeschrittenem Alter und ohne Mega-Trainingsaufwand möglich sind, ja, und dann gibt es noch die Profibergsteiger und andere Spitzenathleten (siehe aktuelle Berichte von Delta und Merida. Mir sind auf der Tour aber auch noch andere Aspiranten begegnet, die definitiv ihre Hitzeresistenz bei zügigem Tempo testeten). Topsportler also, die abends um 8 am Walensee starten, auf den Leistkamm oder Alvier sprinten, dann bis zum Chäserrugg oder Leistkamm alles abräumen, und das in 12 Stunden, um dann (das vermute ich jetzt mal) locker mittags im Tal einen kleinen Teller Pasta zu essen (Betonung auf klein, man hat ja nicht so viele Kalorien verbraucht...).
Gut, diese Spezies hat meines Erachtens einen zu starken Ehrgeiz ...naja, man schaue sich die Gipfelbucheinträge an (5 Std. alles drüber, weiter....11 Std. alles drüber weiter weiter..es gab ja schon mal einen Kommentar, der die übertriebene Berufsehre gewisser hikrs in Frage stellte), aber trotzdem RESPEKT und GRATULATION allen, die an den Churfirsten einen Sieg über ihren inneren Schweinehund einfahren...und natürlich Euch beiden Glückwunsch zu Euren Monstertouren.


Vielen Dank auf jeden Fall auch an alle hikrs, die hier schon die tollsten Tourenberichte abgeliefert haben. Ich stelle deshalb hier die persönlichen Eindrücke in den Vordergrund.

Zunächst mal: Es war eine Hitzeschlacht. Ab 11 Uhr fühlte ich mich wie in der Sauna. Wenn man so durchgegrillt wird, vergeht einem die Lust aufs Bergsteigen.

Zum Wasserverbrauch: Ich nahm 5 Liter mit. Dies reichte hinten und vorne nicht! Insgesamt konsumierte ich zwischen 6,5 und 7 Liter. Tipp vom Insider (genau, der mit den vielen Brisis): An der Alpe Torloch kann man die Wasserflaschen auffüllen. Dort erfährt man beim Anblick der Tränke derartige Hochgefühle, das stellt jedes Gipfelglück in den Schatten. Ein Highlight der Tour. Übrigens, jetzt noch ein Tipp von mir: Etwas oberhalb der Alpe gibt es eine Quelle - genial. Dieser 10-Minuten-Umweg lohnt sich, gerade für die, die keine Kamel-Wasserspeicher in ihrem Körper nutzen können.

Zur Nahrungsaufnahme: Energieriegel, Gels und Trockenfrüchte (letztere am besten Bio, also ungeschwefelt) sind gut. Alles, bei dem irgendwas mit "Power" drauf stand, habe ich eingepackt (z.B. etwa 25 Riegel). Ich musste ständig futtern. Auf der gesamten Tour verbrannte ich 10 900 Kalorien (in brutto 15:55 Std), also, da darf es nachher auch mal der Jumbo-Eisbecher sein.

Zur Ausrüstung: feste Bergschuhe, Stöcke, leichte Funktionskleidung. Ich nahm noch Ersatzsocken, kurze Hose und etwas Rettungsmaterial mit, nicht zu vergessen die 2 Kilo Übergewicht am Körper, also auf jeden Fall viel zu viel.

Ich habe (weil ich kurz unter dem Wart keinen Bock mehr aufs Weiterlaufen hatte) die kleine Runde gewählt. Die große Runde geht über den Leistkamm und dann über die vordere Höhi nach Starkenbach und Unterwasser zurück. Dafür müssten nochmals ca. 4-5 Stunden mehr inklusive der unechten Churfirsten eingerechnet werden (gesamt ca. 19:30 Std. bis Starkenbach) - dieses Projekt werde ich mit etwas mehr Training vielleicht irgendwann in ferner Zukunft angehen. 

Die technischen Schwierigkeiten sind als einfach zu bewerten. Nur am Selun-Westgrat ist es richtig ausgesetzt, dort geht's "gach naa". Ansonsten dürfte die Fortsetzung bis zum Leistkamm schwieriger sein. Wer nur die 7 Churfirsten an einem Tag besteigen möchte, braucht nicht unbedingt nachts loszulaufen. Ich gönnte mir als Hobbywanderer Reserven, wollte aber auf jeden Fall bei Helligkeit auf dem Chäserrugg sein. Da ich dann doch etwas schneller als geplant war, blieb es jedoch bis zum Gluristal stockdunkel. Im Nachhinein (wegen der sengenden Hitze) war ich froh, so rechtzeitig gestartet zu sein, aber das Gluristal im Dunkeln kostet Nerven, Zeit und auch Geld, weil man immer mit irgendeinem Stockteller oder Hosenbein am Wildwuchsgestrüpp und spitzem Karst hängen bleibt.

Pausen machte ich jeweils nur etwa 10 Minuten, dafür aber ständig (siehe Wasser und Futter).

Insgesamt eine reine Konditionstour, technisch einfach und jederzeit verkürz- oder verlängerbar.

Die Tour ist übrigens sowohl öV-, als auch autotauglich. Achtung: Parkplätze an der Iltiosbahn sind den Bahnbenutzern vorbehalten, und es wird auch aufgeschrieben. Ich war wie immer Hotelgast, da hat man diese Probleme nicht.



In tiefster Nacht lief ich los, in gespannter Erwartung. Das Wetter sollte prächtig werden.
Am Iltios und am Stöfeli traf ich auf Kuhherden. Die schienen das grelle Licht meiner Stirnlampe gewohnt, keine Aggressivität oder lautes Muhen.
Zeitmäßig deutete sich bald an, dass ich ungefähr das Tempo von xaendi ging. Ich denke, man spart sich noch mehr Zeit, wenn man sich besser auskennt und nicht so viele Umwege macht wie ich.

Beim Abstieg durch das Gluristal muss man in der Dunkelheit aufpassen, es ist steil und der Weg schmierig. Und dann die Begegnung mit Delta um kurz nach 4...wir grüßten uns gegenseitig, bekamen es aber nicht mit, und so dachte wohl jeder von uns: "So ein komischer Kauz aber auch". Strange...Ich ahnte zwar, dass hier jemand eine Ultra-Tour absolvierte, aber wie soll man auch reagieren, wenn einem der "große Kurfürst" entgegenkommt?  ;-)..ich musste natürlich auf dem Schibenstoll gleich mal ins Gipfelbuch schauen...da war mir dann alles klar...

Am Schibenstoll muss die "gwundrige Schafherde" nicht mehr mit Darvida-Biskuits gefüttert werden. Der Sonnenaufgang gehörte für mich zu den absoluten Höhepunkten der gesamten Tour. Abstieg bis auf 1740m zur Weggabelung Schibenstoll-Zuestoll.

Der Zuestoll hat den landschaftlich schönsten Aufstieg zu bieten, leichte Kletterei, guter Weg. Ich stieg wieder auf dem Normalweg ab. Die anschließende Querung ist weglos. Ich hatte zuviel Respekt vor den Felswänden und nahm einen Umweg in Kauf.

Auf ca. 1750m wieder auf Wegspuren zur Gabelung Brisi-Frümseltal (ca. 1800m). Links hoch zum Brisi. Längere Gespräche mit Einheimischen sind mir aufschlussreich und wichtig gewesen, auch wenn eine Viertelstunde im Zeitplan draufgeht...das ist eben der Unterschied zwischen Genuss und Action. Da ich letzteres im Job ohnehin zur Genüge habe...
Ich folgte dem Weg ins Frümseltal, um später in einem Bogen zur Torlochalpe (1786m) abzusteigen. Ab hier wurde es richtig heiß.

Der Frümsel ist der steilste der Churfirstengipfel. Auf etwa 1900m kann dann entlang eines Weidezauns zur Ostseite des Seluns gequert werden.

Den markierten Aufstieg (angeblich orange Punkte) habe ich nicht gefunden, wohl aber die Gedenktafel für die im September 2009 hier abgestürzte Deutsche. Mit Tränen in den Augen hielt ich kurz inne, denn neben gleichem Alter nenne auch ich meine Freundin "Maus(erle)". Von hier (ca. 1930m) ging's in einem Rechtsbogen über eine grasige Rampe und eine brüchige, aber leichte Rinne sehr gut und zügig auf den Nordrücken und noch weitere knapp 200 Höhenmeter auf dem Wanderweg zum Gipfel des Selun. Hier wurde ich sofort nach der Zahl der schon bestiegenen Gipfel gefragt, ob ich die Wanderung überhaupt noch genießen könnte und ob es nicht gefährlich wäre, nachts alleine durch die Gegend zu laufen.


Mein Ziel hatte ich jedenfalls erreicht und überlegte nun, wie ich weitermachen sollte. Ins Gipfelbuch trug ich meine Unentschlossenheit ein (Wart oder Tal -das mache ich sonst NIE wegen Unklarheit bei eventueller späterer Bergrettung - aus jenem Grund schreibe ich auch meine Zeiten und meinen Weiterweg ein...keineswegs aus dem Grund, um mit Bestzeiten zu protzen).

Da ich den Normalweg zum Selun schon kannte, beschloss ich, über den Südwestgrat abzusteigen und dann weiter zu sehen. Schnell geht es hinunter, für mich der schönste Abschnitt der gesamten Tour, keine Kletterei, sondern teilweise Steilgras, recht ausgesetzt, immer mit faszinierenden Tiefblicken hinunter zum Walensee und weit hinein in die Glarner Alpen. Ganz wunderbar.

Unten das Geröll queren und im steilen großblättrigen "Gemüsefeld" hinauf. Auf ca. 1970m wurde mir der Aufstieg zu mühsam. Keine sicheren Tritte, kein Pickel dabei und ein Ausrutschen hätte verhängnisvolle Folgen...naja, wahrscheinlich alles Ausreden...ich muss gestehen, dass ich mir kurz vorher die Karte angeschaut habe, und da habe ich bei P. 1812 einen kleinen See entdeckt. Super, Wasser, reinspringen, Füße kühlen...das war einfach eine zu große Verlockung in der brütenden Mittagshitze. Es sind beneidenswerte Charaktere, die in so einer Situation den Berg vorziehen, aber ich war heute leider leicht zu verführen...


Vom See zu einer ersten Alpe, dann nach Hinter Selun/Muelten (1688m) und auf breitem Weg zur bewirtschafteten Ochsenhütte (1677m). Hier floss in großen Schlucken das nächste Getränk durch meine durstige Kehle. Weiter nach Vorder Selun (1580m; Wegweiser) und hinab nach Säss (906m) zur Selunbahn.


Jetzt kommt noch die Flachetappe von gut 5 Kilometern auf Asphalt, heute bei gefühlten 40 Grad. Abartig, wie die Sonne vom wolkenlosen Himmel sticht...Rechts ab (Beschilderung "Postauto") werden zwei Felder und ein Campingplatz nach Eschen (894m) überquert. 
Weiter über die Thurbrücke (Steg; 879m) nach Alt St. Johann (890m) und schließlich auf schönem Spazierweg an der Thur entlang zum Chlostobel. An der Iltiosbahn schließt sich nun die Runde, und noch am Tennisplatz sowie am Hotel Säntis vorbei geht's zum Startpunkt auf 935m.


P.S.: Am Abend ging ich noch ein gutes Stück des Weges zum Iltios hoch, um wenigstens die ersten paar hundert Höhenmeter zur Abwechslung in der Helligkeit kennenzulernen. ;-) Und oben auf dem Plateau weiß man erst, wie schön das Toggenburg auch ohne große Wanderung sein kann...ergo: Faulenzen muss gelegentlich sein...da bin ich wieder mit Mauserle einig...


Zwischenzeiten:

Unterwasser     01.20 Uhr
Iltios                  02.05 Uhr
Chäserrugg       03.45 Uhr
Hinterrugg        04.00 Uhr
Schibenstoll       05.45 Uhr
Zuestoll              07.15 Uhr
Brisi                    09.00 Uhr
Torlochalpe        10.20 Uhr
Frümsel              11.15 Uhr
Selun                   12.50 Uhr
Aufstieg Wart      13.45 Uhr
Vorder Selun       15.25 Uhr
Starkenbach        16.15 Uhr
Unterwasser       17.15 Uhr




Tourengänger: quacamozza


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Kommentare (3)


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xaendi hat gesagt:
Gesendet am 5. Juli 2011 um 21:26
Super Sache - Gratulation zu deiner Tour! Das Gemüsefeld am Wart hat mich auf meiner Tour auch ziemlich fertig gemacht - hier war ich am nächsten dran, aufzugeben. Das mit der Quelle bei der Alp Torloch hab ich mir fürs nächste Mal notiert ;-)
xaendi

quacamozza hat gesagt: Gratulation zurück
Gesendet am 6. Juli 2011 um 18:59
Hallo xaendi,

danke danke...ich habe unterwegs realisiert, dass Du mit Deiner Churfirsten-Komplett-Tour eine großartige Performance abgeliefert hast. Du hast Dir dafür allen meinen RESPEKT und GLÜCKWUNSCH verdient. Pfingstsonntag waren ja auch keine guten Verhältnisse....und dann hast Du nochmal drei Stunden drangehängt... Bei Hitze habe ich sehr hohen Energieverbrauch, deswegen machte das ab Mittag keinen Sinn mehr (zeit- und konditionsmäßig wäre die große Runde drin gewesen)...vielleicht möchtest Du ja noch mal diese Magic 13 angehen, dann könntest Du mir doch Bescheid geben, ich wäre auf jeden Fall dabei...da wir anscheinend ein ähnliches Tempo laufen, könnte das doch gut passen...
Sportliche Grüße von Ulf

xaendi hat gesagt: RE:Gratulation zurück
Gesendet am 13. Juli 2011 um 07:12
Hallo Ulf

Danke. Bei meiner Tour war das Wetter nicht das allerschönste, dafür war es auch nicht allzu heiss - was mir sehr willkommen war ;-) Ob ich die 13 nochmal angehe, weiss ich nochn nicht. Vielleicht begnüge ich mich dann mit einer Leistchamm-Rundtour.

Grüsse
xaendi


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