Komplette Rigi-Überschreitung von Luzern aus


Publiziert von Tobi , 20. April 2011 um 21:06.

Region: Welt » Schweiz » Schwyz
Tour Datum:18 April 2011
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Rigigebiet   CH-SZ   CH-LU 
Zeitbedarf: 16:30
Aufstieg: 3850 m
Abstieg: 3850 m
Strecke:45.3km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:z.B. cff logo Luzern, Maihof
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Schwyz

Zwei Projekte geistern schon lange in meinem Kopf herum: die Überschreitung aller Gipfel der Rigi (inkl. Vitznauerstock) und eine Besteigung der Rigi von zu Hause aus. In der vergangenen Vollmondnacht und dem darauffolgenden sonnigen Tag wurden nun beide Projekte auf einmal in die Tat umgesetzt.
 
Kurz nach 2 Uhr in der Nacht schliesse ich die Wohnungstüre hinter mir und trete in eine angenehm kühle Nacht hinein. Durch die Quartierstrassen schleiche ich mich via Uteberg auf den Dietschiberg (Pt 620). Für mich genügen diese über zweieinhalb Kilometer auf dem Boden der Stadt Luzern als Legitimation für eine Besteigung der Rigi von Luzern aus. Puristen würden eine solche wohl nur vom Bahnhof Luzern aus anerkennen.
 
Mit der Überschreitung des Dietschiberges habe ich auch schon den ersten Rigigipfel gemeistert, denn dieses Luzerner Naherholungsgebiet hat in seiner touristischen Blütezeit (Bahnbetrieb) als die "Kleine Rigi" gegolten. In Adligenswil (534m) tauche ich vom angenehm fahlen Mondschein in das im ersten Moment grell wirkende Licht der Strassenbeleuchtung ein. Ich folge nun der Hauptstrasse Richtung Udligenswil. Bei dieser Monotonie beginne ich zu rechnen und komme zum Schluss, dass ich wohl etwas schneller gehen sollte, wenn ich auf der Rigi den Sonnenaufgang bestaunen möchte. Eilenden Schrittes zweige ich beim Sagehof ab und folge dem Waldrand. Beim Wagemoos (603m) empfangen mich quakende Amphibien, deren Geräusche aber leider bei meiner Präsenz bald verstummen.
 
An den Gehöften Haggenegg und Allmig marschiere ich mit einer gewissen Anspannung vorbei, immer darauf gefasst, dass gleich ein bellender Hofhund aus der Dunkelheit auftaucht. Aber ausser den Weckrufen zweier Gockel bleibt es ruhig. Unbeschadet erreiche ich kurz vor fünf Uhr Küssnacht (436m). Mit dem Sonnenaufgang um ca. 6:40 auf der Rigi könnte es knapp werden.
 
Über Leimgruebi, Alpenhof und Rossweid gewinne ich schnell an Höhe und stehe bald schon auf der Seebodenalp (1020m). Während der Mond langsam eine orange Farbe annimmt, färbt sich der Horizont in der anderen Himmelsrichtung zunehmend violett. Es beginnt zu Dämmern. Ich drücke nochmals etwas aufs Tempo und steuere via Grodstafel und Holderen auf den Ronenboden zu. Im noch dunkeln Wald bei Rütlerplangg muss ich wohl den richtigen Abzweiger übersehen haben und lande knapp unterhalb der 1200er Höhenlinie auf dem Pfad, welcher von Schwändi her zum Ronenboden hochführt.
 
Auch auf dem folgenden Abschnitt ist die Wegfindung im Wald bei Dämmerung nicht einfach. Ich lasse mich von den abgetretenen Wurzeln leiten. Das Überwinden des Nagelfluhbandes an den Stahlseilen ist herausfordernder als gedacht. Ein ziemlicher Kraftakt, der durch den schmierigen Lehm an den Schuhsohlen nicht erleichtert wird. Volles Vertrauen in die Drahtseile ist gefragt. Um halb sieben erreiche ich das Bänkli samt Wandbuch auf dem Tristboden (1580m).
 
Doch die Zeit für einen Eintrag nehme ich mir nicht, die Sonne wird jeden Moment aufgehen. Ich hetzte weiter Richtung Gipfel. Doch weit komme ich nicht. Im Augenwinkel entdecke ich plötzlich eine orange Sichel: die Sonne zeigt sich. Andächtig halte ich inne und geniesse den zauberhaften Augenblick. Schon nach wenigen Minuten ist das Spektakel vorbei. Ich nehme die restlichen rund 150 Höhenmeter in Angriff. Es hat zwar noch einige hartgefrorene Restschneefelder, doch Dank den tiefen Trittspuren stellen diese kein Problem dar. Kurz vor sieben Uhr darf ich die malerische Rundumsicht von der Rigi Kulm (1798m) für mich alleine geniessen.
 
Doch lange halte ich es auf dem Gipfel nicht aus, der kalte Wind zwingt mich bald zum Aufbruch. Kurz nach der Kapelle kommt mir ein älterer Mann entgegen. Bei einem kurzen Schwatz verrät er mir, dass er jede Woche einmal auf die Rigi wandere, bei Vollmond während der Nacht. Und das mit 93 Jahren, dagegen verblasst meine Leistung geradezu! Nach dieser beeindruckenden Begegnung nehme ich das zweite Projekt des heutigen Tages in Angriff.
 
Auf dem Gipfel des Rotstock (1659m) gönne ich mir eine längere Pause und hole das Morgenessen nach, welches kurz nach Mitternacht etwas zu kurz gekommen ist. Inmitten Matten blühender Krokusse steige ich hinunter nach First. Auch die Überschreitung der beiden nächsten Hügel Schild (1548m) und Würzestock (1482m) führt über Blumenteppiche, welche die zu bezwingenden Höhenmeter fast vergessen lassen. Der Aufstieg zum Dosse (1685m) ist da schon etwas nahrhafter. Um zehn Uhr kann mit der Rigi Scheidegg (1656.1m) auch der nächste Rigigipfel abgehakt werden. Während hier an einem schönen Wochenende Hochbetrieb herrscht, ist jetzt gähnende Leere angesagt. Alle Restaurants sind geschlossen, zum Glück ist das WC bei der Bergstation des Skilifts offen, so kann ich meine Wasserflaschen wieder auffüllen.
 
Dem Skilift folgend gelange ich zur unteren Fahrstrasse und wandere auf dieser wieder retour nach Westen. Nach einem halben Kilometer biege ich links ab und steige zunächst weglos der Kantonsgrenze entlang ab zum Sattel Fälmis (1176m). Es folgt der schweisstreibende Aufstieg über unzählige Tritte und Kehren durch die mit Bärlauch überwachsene Flanke auf den Vitznauerstock (1451.6m). Nach dem Besuch des Gipfelkreuzes und des höchsten Punktes wandere ich auf dem gleichen Weg wieder zurück zum Sattel und bin nach einem kurzen Gegenanstieg wieder bei Pt 1256 (Chruwele). Es folgt die lange Traverse zum Gätterlipass (1190m), die grösstenteils auf einer asphaltierten Strasse erfolgt. Das Restaurant beim Pass hat wie auf der Homepage angekündigt geschlossen. Dies hält mich aber nicht davon ab, auf der Terrasse meine kurze Mittagspause zu geniessen.
 
Kurz nach ein Uhr werden die Trinkflaschen nochmals am spärlich fliessenden Brunnen neben dem Restaurant gefüllt und zum Sturm auf den nächsten Gipfel angesetzt. Keine Stunde später erklimme ich die letzten Sprossen der Leiter und stehe auf der Rigi Hochflue (1698m). Nach einer kurzen Verschnaufpause nehme ich bereits wieder den Abstieg in Angriff. Dieser führt mich zunächst gemütlich auf dem Grat nach Osten, dann folgen aber die heiklen Kletterpassagen. Die Felsen sind feucht, überall hat es noch Schneereste und an den Schuhsohlen klebt Matsch. Höchste Konzentration ist gefragt, die Eisenbügel und Stahlseile leisten wertvolle Dienste. Über die schon etwas aufgeweichten Schneefelder führen schon etliche Trittspuren, so dass die mitgeschleppten Steigeisen heute definitiv im Rucksack bleiben können. Einen kurzen Abstecher auf den Spitz (1410m) kann ich mir nicht verkneifen, schliesslich möchte ich am heutigen Tag auch noch einen Gipfel erobern, den ich noch nie besucht habe. Nach etwas mehr als einer Stunde Abstieg stehe ich auf sicherem Boden beim Sattel Egg (1288m). Dieser alpine Bergweg sollte definitiv nur in zwingenden Fällen in dieser Richtung begangen werden.
 
Die nächsten etwas mehr als hundert Höhenmeter aufs Gottertli (1396m) gehen erstaunlich flott aus den Beinen. Beim Sattel bei Pt 1198 mache ich den nächsten Abstecher, zu meinem grossen Erstaunen hat die Bergwirtschaft Timpel geöffnet. Ich genehmige mir eine Glace und strecke die Beine auf der Terrasse. Nach dieser Stärkung ist es auf die Stockflue (1137m) nur noch ein Katzensprung.
 
Auf dem anderen Wanderweg steige ich wieder hoch zu Pt 1198, um weiter dem Grat zu folgen. Die Erhebung beim Pt 1253 will schliesslich auch überschritten werden, diese kann quasi als höchster Punkt des Urmiberges interpretiert werden. Beim steilen Abstieg zum Ränggen 930m machen sich langsam die Füsse bemerkbar, doch es wartet ja nur noch ein Gipfel auf mich. Ich hätte nach meinem letzten *Besuch nie gedacht, dass ich nochmals auf der Zünggelnflue (1088m) stehen werden. Aber zu einer kompletten Rigi-Überschreitung gehört sie eben dazu. Immerhin finde ich heute den kotierten Punkt, den ich bei letzten Mal vergeblich gesucht habe.
 
Der Abstieg ist alles andere als ein gemütliches Auslaufen. Nach über fünfzehn Stunden Wandern gibt es sicher Angenehmeres, als eine solche Spurensuche durch den Wald. Zu allem Übel verliere ich im unteren Teil etwas die Orientierung und befinde mich plötzlich in einem steilen Waldstück, das mir von meinem letzten Besuch her gänzlich unbekannt vorkommt. In der Meinung, zu weit nach links geraten zu sein, zieht es mich nun nach rechts, um nicht zu nahe an die nördlichen Abbrüche zu kommen. Allerdings begebe ich mich mit dieser Korrektur definitiv weg vom Grat und steige so ziemlich genau nach Osten ab. Als ich den Stall nördlich von Lützli erblicke, weiss ich endlich wieder mit Gewissheit, wo ich bin. Über die Lichtung Hebleren erreiche ich die Fahrstrasse, welche runter nach Seewen führt. Nach den letzten Metern auf dem Asphalt erreiche ich nach über sechzehn Stunden erschöpft den Bahnhof cff logo Schwyz (455m).
 
 
Fazit: Mit dieser langen Tour konnte ich endlich zwei lange gehegte Ideen verwirklichen. Der Muskelkater wird sicher bald vorbei sein, aber die vielen schönen Erlebnisse und Eindrücke (Vollmond, Sonnenaufgang, Krokuswiesen,…) werden noch lange in Erinnerung bleiben!
 

Tourengänger: Tobi
Communities: Monstertouren


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Kommentare (12)


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maawaa hat gesagt: Wow...
Gesendet am 20. April 2011 um 21:20
Nicht zu fassen...

Eine weitere " Rigi - MONSTER - Tour ", ein grosses Kompliment zu dieser Leistung ! Insbesondere auch wenn ich mir die Strecke ansehe, 45,3 Kilometer...puh...

Viele Grüsse & schöne Feiertage !
Marco

johnny68 hat gesagt: Spitze
Gesendet am 20. April 2011 um 21:31
Hallo Tobi
Ich gratuliere zu dieser Mega-Tour. Klasse Leistung! Die Nacht-Photos und jene des Sonnenaufgangs finde ich super.

MaeNi hat gesagt:
Gesendet am 20. April 2011 um 21:41
Hut ab!!! Ganz klasse Leistung!

kopfsalat hat gesagt:
Gesendet am 20. April 2011 um 21:51
Hoppla! Tolle Leistung und erst noch all die grandiosen Fotos!

ossi hat gesagt: Uups!
Gesendet am 20. April 2011 um 22:21
Öhhhh, das ist aber doch recht weit, gell??

Bravo!

Tobi hat gesagt: RE:Uups!
Gesendet am 23. April 2011 um 16:50
In der Tat eignet sich diese Wanderung wohl bezüglich Länge nicht für eine Kids&Hike-Tour ;-)

UrsiMarco hat gesagt: Chapeau
Gesendet am 20. April 2011 um 23:38
Als Vitznauer ist die Rigi ist auch unser Trainingsberg für die Hochtourensaison. Deine Leistung ist aber schon aussergewöhnlich!! Da zieh ich meinen Hut! GrAtUlAtIoN :-)

alpstein hat gesagt: Phänomenal
Gesendet am 21. April 2011 um 06:43
Wie andere, ziehe ich auch meinen Hut!

Großartige Leistung und toller Bericht

Grüße
Hanspeter

Bombo hat gesagt:
Gesendet am 21. April 2011 um 17:29
Absolut top, Brutalation auch von meiner Seite!

Marius hat gesagt:
Gesendet am 21. April 2011 um 21:43
Absolut tolle Tour, sowohl was Planung als auch Umsetzung betrifft! Gratualation auch von mir.

Tobi hat gesagt: Vielen Dank...
Gesendet am 23. April 2011 um 16:48
...für all eure Gratulationen und Komplimente!
Der Muskelkater ist nun vorbei, ich werde aber trotzdem die nächsten Tage weiterhin nur kleinere Brötchen backen. Aber die nächste Monster-Tour kommt bestimmt...

Ich wünsche allen noch erholsame Ostertage,

Gruss Tobi

3614adrian hat gesagt: Coole Runde! Gratulation!
Gesendet am 20. Juni 2020 um 15:21
Ja, den Vitznauer/Gersauerstock auszulassen hat mich auch gestört und so habe ich diesen Abstecher auch gemacht. Im Wandertempo wär mir das aber zu lang!
Zum Glück gibt‘s Trailrunning


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