Genüssliche Kraxelei über Simmenflue und Nüschlete


Publiziert von Tobi , 15. April 2011 um 18:10.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Simmental
Tour Datum: 7 April 2011
Wandern Schwierigkeit: T6- - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 1600 m
Abstieg: 1550 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Wimmis, Brodhüsi
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Erlenbach im Simmental
Kartennummer:1207 Thun, 1227 Niesen

Nach der langen *Tour im Schaffhausischen musste etwas Kürzeres und vor allem Knackigeres her. Die Simmenflue habe ich mir nach all den anregenden Berichten hier schon vor längerem auf die Pendenzenliste gesetzt, nun schien der richtige Zeitpunkt dafür gekommen zu sein. Zur Vorbereitung stöberte ich in den hier veröffentlichten Tourenberichten, sehe dann aber bald vor lauter Varianten und Routen den für mich idealen Pfad nicht mehr. So beschliesse ich, mich einfach überraschen zu lassen und auf meine Instinkte zu vertrauen. Im Hochtourenbereich würde man das wohl fahrlässig nennen, beim Klettern „on sight“.
 
Kurz vor zehn Uhr entlässt mich der Bus in cff logo Wimmis, Brodhüsi. Der blaue Wegweiser mit der Aufschrift „Sunnighorn“ springt mich förmlich an. Ich lasse mich von diesem auf der Kiesstrasse die Kehren hoch leiten. Der Abzweiger des Klettersteiges ist ebenfalls bestens markiert. Ab dem Einstieg sind nun zusätzlich noch die potentiellen Haltegriffe gelb markiert. So kann man sich definitiv nicht mehr verlaufen.
 
Obwohl ich gemütlich unterwegs bin, treibt mir die gestaute Wärme in der Flue den Schweiss in Strömen aus den Poren. Da ich an einem Wochentag unterwegs bin, hält sich der Verkehr in Grenzen. An Wochenende soll dies anders sein, spätestens dann wäre ein Helm wegen den drohenden Steinschlägen sicher nicht verkehrt.
 
Leider ist der Spass viel zu schnell vorbei und schon stehe ich bei der Verzweigung unterhalb des „Grippelisattels“. Hier weiter nach rechts und kurz darauf geniesse ich beim Gipfelkreuz auf dem Sunnighorn (1397m) die Aussicht. Dabei entdecke ich auch das Steinmännchen auf dem östlichen Vorgipfel. Diesem statte ich im Abstieg noch einen kurzen Besuch ab. Der für den Hin- und Rückweg verwendete Pfad ist mit roten Punkten markiert. Nach diesem kurzen Abstecher steige ich weiter zur vorher erwähnten Verzweigung ab.
 
Ich folge nun dem Pfad nach Westen, der bald in den Bergweg über den auf der LK als „Chienberg“ bezeichneten Bergrücken einmündet. Nach ein paar Höhenmetern stolpert man - zumindest optisch - über eine kleine Steinmauer, da sie irgendwie so gar nicht in die Gegend passt. Von dort zweigt der Pfad zu dem mit tibetischen Gebetsfahnen geschmückten Gipfel der Mittagflue (1421m) ab.
 
Von diesem Gipfel wähle ich den direkten Abstieg über den Westgrat, auch hier sind deutliche Pfadspuren zu erkennen. Bald verlassen diese Spuren jedoch den Grat und stossen wieder auf den für den Abstecher auf die Mittagflue verlassenen Bergweg. Ich kann allerdings der Versuchung des weiteren Gratverlaufes nicht wiederstehen und verschmähe deshalb diesen bequemen Weg. Die anfänglich noch knapp mit viel Fantasie zu erahnenden Pfadspuren lösen sich aber bald in Luft auf und machen einem Dickicht aus Tannenästen und Felsstufen Platz. Nach einigen Metern des Kampfes stehe ich plötzlich auf einem Felsturm, der jäh abbricht. Diesen Felsen schmückt ebenfalls ein Steinmännchen. Es dürfte sich wohl um die von alpinbachi auf den klingenden Namen„AP2“ getaufte Erhebung handeln (gemäss seinem detaillierten *Bericht). Der weitere Abstieg erscheint mir nach allen Seiten unmöglich, deshalb auf dem gleichen „stacheligen“ Grat wieder zurück zum Bergweg.
 
Auf diesem weiter nach Westen, bis man zu zwei Steinstufen kommt. Hier zweigen Pfadspuren zu einer Felsspalte ab. Ich folge diesen Spuren weiter und stehe nach ein paar Kletterzügen (kurze Kette am Einstieg vorhanden) neben dem filigranen Steinmann des Hinterhorns (1422m). Nach dem bestaunen des Panoramas folge ich weiter direkt dem Grat nach Westen und lande wieder auf dem Bergweg.
 
Auch dieser rot-weiss markierte Weg folgt nun ziemlich genau dem weiteren Gratverlauf nach Westen. Nach einer kurzen Felsstufe stehe ich auf einem Sattel und der Pfad weicht nun in die Südflanke aus. Diesen Richtungswechsel mache ich nicht mit und wandere stattdessen weiter dem mit Gras und Moos bewachsenen Grat entlang. Die letzten Höhenmeter zum gerodeten Gipfelplateau des Hürleni (1443.8m) erfordern nochmals etwas Kraftaufwand im Felsen.
 
Der Abstieg nach Westen ist im Vergleich dazu wesentlich einfach. Da der Aufstieg im Osten mit einem roten Pfeil markiert ist, nehme ich an, dass es einen markierten Pfad auf das Hürleni geben müsse. So quere ich in der Südflanke wieder zurück nach Osten und suche nach weiteren roten Zeichen. Leider vergeblich. So steige ich pfadlos in der Südflanke ab. Dieses Unterfangen ist wegen den dörren Tannennadeln ziemlich rutschig. Aber schon bald stehe ich über einem etwa 20m hohen Felsband und muss die Übung abbrechen. Also wieder zurück auf den Grat. Eine gute Entscheidung, denn die Fortsetzung auf dem Grat nach Westen ist wesentlich einfacher und ungefährlicher. Zwar ist die Wegfindung wegen den vielen Steinblöcken und Felstürmchen nicht ganz trivial, aber irgendwo ermöglicht immer wieder ein Bändchen oder eine Lücke das Weiterkommen.
 
Beim folgenden Sattel treffe ich wieder auf den Bergweg. Mit einem letzten kleinen Abstecher über Pt 1460 ist auch das letzte Hügelchen der Simmenflue erobert und ich befinde mich beim Chrindi (1359m).
 
Es ist erst zwei Uhr. Viel zu früh, um schon wieder ins Tal abzusteigen. Praktisch während der gesamten Tour hat mich die Wisseflüe angelacht, also könnte ich dieser doch noch einen Besuch abstatten. Auch die westlich davon thronenden Felszacken sehen sehr verlockend aus. Ich könnte noch ein wenig weiter nach Westen ausholen und versuchen, dem Grat von oben bis zur Wisseflüe zu folgen. Doch von wo genau soll ich beginnen? Ich fasse den Mattestand (Pt 1760) als möglichen Start ins Auge.
 
Über prächtig blühenden Weiden laufe ich hoch zur Alp Obers Heiti (1484m). Hier begrüsst mich ein plätschernder Brunnen. Das Angebot nehme ich dankend an, da meine zwei Liter an Wasservorrat sich doch langsam zu Ende neigen. Voll betankt geht es weiter zur Alp Matte (1563m). Hier verlasse ich den Bergwanderweg und steige direkt in der Falllinie dem Grat entgegen.
 
Etliche Schweisstropfen später stehe ich auf dem lichtbewaldeten Grat. Aber wo genau? In welche Richtung befindet sich nun der anvisierte Pt 1760? Ich beschliesse weiter nach Westen zu kraxeln, von oben hat man ja bekanntlich einen besseren Überblick. Das Gelände wird im Folgenden immer steiler und anspruchsvoller, ein wahrer Genuss also. Und ehe ich mich versehe, bin ich schon auf dem Grat der Nüschlete. Von hier oben kann ich dann auch auf der Karte nachvollziehen, dass ich eigentlich ziemlich genau beim Grenzstein westlich vom gesuchten Pt 1760 auf den Grat gestossen wäre.
 
Ich nehme den Fauxpas sportlich zu Kenntnis, aber jetzt wieder abzusteigen, wo ich doch schon mal hier bin, das widerstrebt mit vollends. Jetzt ist rollende Tourenplanung angesagt, das Eindunkeln ist ja noch fern. So nehme ich die Herausforderung an und werde nicht enttäuscht: Die Überschreitung der Nüschleten (1987m) ist ein wahrer Genuss für den T6-Fan, wobei die Schwierigkeiten eher im moderaten unteren Bereich anzusiedeln sind. Der gesamte Grat ist praktisch schneefrei, nur an einer Stelle muss für ein paar Schritte in den harten Schnee auf der Nordseite ausgewichen werden.
 
Auf dem Laseberg (2019m) wird mir das unglaubliche Wetter erst so richtig bewusst. Ich stehe nun anfangs April im T-Shirt auf über 2000m und würde auch in kurzen Hosen nicht frieren! Der Abstieg nach Oberbärgli (1787m) führt über einige weiche und tiefe Schneefelder und ist deshalb eher mühsam. Doch schon bald habe ich wieder festen Boden in Form blühender Wiesen unter den Füssen.
 
Bei der Zwischenstation Chrindi (1637m) sind einige Arbeiter mit der Revision der Seilbahn beschäftigt. Dies gibt mir die Möglichkeit, nochmals meine inzwischen wieder leeren Wasserfalschen zu füllen. Es folgt der ruppige Abstieg auf dem Bergwanderweg über Oberchlusi (1311m), Underchlusi (1147m) und Moos (918m) hinunter zum Bahnhof cff logo Erlenbach im Simmental (681m).
 
 
Fazit: Die geplante lockere Tour wurde spontan etwas ausgeweitet, aber ein solcher Prachtstag musste einfach voll genutzt werden. In solchen Situationen ist man froh mit dem ÖV unterwegs zu sein und nicht zwingend wieder zurück zum Auto kehren zu müssen.

Tourengänger: Tobi


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Kommentare (4)


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kopfsalat hat gesagt:
Gesendet am 15. April 2011 um 21:22
> Nach ein paar Höhenmetern stolpert man - zumindest optisch - über eine kleine Steinmauer,

handelt sich wohl um die Überreste einer militärischen Seilbahn aus dem 2. Weltkrieg, weiter Details gibts hier

Tobi hat gesagt: RE:
Gesendet am 16. April 2011 um 12:12
Vielen Dank für diesen Hinweis. Gemäss der Übersichtskarte auf der von dir angegebenen Internetseite passt dies ziemlich genau. Allerdings habe ich diese Steinmauer nicht mehr so gross wie auf den dortigen Fotos in Erinnerung.
Stollen 4 habe ich einen kurzen Besuch abgestattet, da dieser direkt am Pfad zum Sunnighorn liegt.

alpinbachi hat gesagt:
Gesendet am 16. April 2011 um 10:23
Hoi Tobi, toller und ausführlicher Bericht (-: Das Gebiet ist immer ein Besuch wert und meistens schon im Februar/ März schneefrei. Das Hürleni muss ich bei Gelegenheit noch nachholen, so wie es Axi nach unserer Tour gemacht hat. Jetzt wissen wir wo hoch... Werde in Zukunft besser klingende Namen erfinden als AP1, AP2 etc (-; Die Nüschlete ist leider etwas über meinem alpintechnischen können. Bin einmal aufgestiegen, habe dann abgebrochen als ich nur noch auf allen 4en unterwegs war... Beste Grüsse Bachi

Tobi hat gesagt: RE:
Gesendet am 16. April 2011 um 12:17
Vielen Dank für das Lob. Das Hürleni ist wirklich einfach zu knacken, wenn man immer dem Grat entlang geht, im Auf- wie auch im Abstieg.
AP1, AP2,... ist eigentlich gar nicht mal so schlecht: einfach zu merken und sprachneutral ;-)

Gruss Tobi


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