Zuestoll "Neue Süd"


Publiziert von Alpin_Rise , 13. April 2011 um 12:13.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum: 8 April 2011
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: VII- (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Churfirsten   CH-SG 
Aufstieg: 950 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Walenstadt Höhenklink oder in der Hochsaison auch mit privatem Bus ab cff logo Walenstadt auch bis nach Schrina (P) möglich

Zuestoll, der schönste Churfirst! Meinem Urteil wird wohl fast jede/r HikrIn zustimmen...?
In Kletterkreisen ist's klar: die Südwand des Zuestoll hat von allen Churfirsten die beste Felsqualität, praktisch alle  Routen verlaufen in silbergrauem, rauem Schrattenkalk. Trotzdem ist das eine oder andere Grasband oder ein loser Griff anzutreffen. Zusammen mit den anspruchsvollen Zustiegen bleibt die Kletterei in der 250m hohen Wand ein alpines Unternehmen.

Für mich ging mit der "Neuen Süd" ein alter Traum in Erfüllung. Seit ich mit Ossi untwerwegs bin, ist die 1982 erstbegangene Route unser ewiges Projekt. Dieses Jahr hats
bereits sehr früh gepasst: Ein fordernder, aber grandioser Auftakt in die Klettersaison 2011!

Eindrückliche, alpine Kletterroute durch die wohl beste Südwand der Churfirsten!

Wir starten in Schrina Hochrugg, transportiert von der charmanten Nachfolgerin von Ossimobil (R.I.P). Über den Sitzsteinweg und den schmalen, teils ausgesetzten Pfad in die Palisnideri (T4+). Einige Schneefelder, schmierige Wegpassagen, flachgepresstes Gras und die finale Wächte im Sattel machen den wunderbaren Südaufstieg spannender. 

Von der Palisnideri folgt man schmalen Bändern direkt unter der Zuestoll Südwand, in zwei abdrängenden Passagen den dünnen Drahtseilen vertrauend bis zum Grassporn unter dem Vorbau (etwa T5, sehr ausgesetzt!). Vom erstaunlich geräumigen Spornkopf starten fast alle Zuestoll-Routen mit der
1. Sl 3+ im grasdurchsetzen Fels auf den Vorbau hinauf, gar nicht so übel wie erwartet, die Länge für T6-Fetischisten
2. Sl 7- Start mit einem Quergang, dann ist eine feine Plattenstelle zu überwinden, bevor es linkshaltend auf ein Band zum Stand geht.
3. Sl 6- erst einfache Querung, dann gut gesichert durch eine Verschneidung hoch. An diesem 3. Stand trennen sich diverse Routen, so führt z.B. die "Alte Süd" von hier durch den rechten Wandteil, während unsere "Neue Süd" die zentralen Überhänge links umgeht.  Bis hierher profitiert man auch von der kürzlich erfolgten Sanierung mit goldenen Fixe-Plättli: diese untersten drei Seillängen sind nun beinahe klettergartenmässig eingebohrt...
4. Sl 7- Plattig an Seitgriffen linkshaltend hinauf - ziemlich anspruchsvolle Stehprobleme und ein grossgriffiger, eindrücklicher Quergang fordern auch den Nachsteiger. Den ersten BH mit Vorteil verlängern.
5. Sl 6- Je nach dem, wo auf dem Band der Stand eingerichtet wurde, zuerst dem Band entlang oder direkt links hinauf in die wunderbar rauen Platte. Die Schlüsselstelle kann gut mit kleinem Cam oder mittlerem Keil gesichert werden. Auf dem folgenden Band nach links, den BH hängen und noch weiter um eine Nase herum, dann gerade hoch (Verschneidung, Grasbüschel), obwohl keine Haken mehr zu sehen sind, Stand in einer Nische unter der markanten Verschneidung. Auf dem erwähnten Band kann auch ein Stand der "Quiero Thierry" bezogen werden (goldene Plättchen).
6. Sl 5+ Wunderbare, jedoch kurze Verschneidung, kann gut an die 5. Sl gehängt werden, wenn nicht wie oben erwähnt in der 5. Sl der "Quiero Thierry" Stand gemacht wird.
7. Sl 7- Die Schlüssellänge: interessante, teils feingriffige Verschneidungs und Wandkletterei, anstrengend und steil. Der 4. Haken (NH) muss verlängert oder ausgelassen werden, da sich sonst das Seil zum 5. BH unter einer Nase verhängen kann und allenfalls massiven Seilzug verursacht.
8. Sl 6+ beginnt mit einem exponierten 6m Kriechband, bevor dann eine kräftige, obligatorische Schlüsselstelle in die wunderbare Verschneidung leitet, die Kletterei bleibt anhaltend in bestem Fels.
9. Sl 6 Wieder ein kurzer Quergang, bevor eine schwierige Einzelstelle den Weg etwas grasiges Gelände freigibt.
10. Sl 6-  Kurze Schlüsselstelle an Seitgriffen, leichter zum grossen Band unter dem Gipfelkopf.
11. Sl 6+ Hier haben die erstbegeher wieder eine wunderbare Linie entlang einer Verschneidung entdeckt: bester Fels und einige Stellen für eigene Cams führen rechts hinauf in die Kontaktzone mit der Garschellaformation.
12. Sl 3+ Ein letzter Zug im Schrattenkalk, dann im Steilgras hinauf, über eine Stufe in die Ausstiegsschlucht und Stand beim Gipfelkreuz.

Am Ausstieg erwärmt die prognostiziete Sonne doch noch unsere müden Glieder. Eine kurze Unsicherheit bei der Routenfindung in der 6. Sl und der ärgerliche Seilverhänger in der Schlüssellänge, welcher Ossi seinen Seilschafts-Onsight gekostet hat, liessen uns doch 6 Stunden in der Route verweilen. Wind , Nebel (hier war wieder der Alpstein-Effekt am Gange: überall Sonne, ausser ganz im Osten wolkig...) und kalte Finger haben den alpinen Anspruch eindrücklich unterstrichen, so dass ich am Ausstieg ziemlich geschafft bin. Die Ansprüche sind hier - bei ähnlicher Schwierigkeit und Länge auf dem Papier - doch deutlich höher als im Jura...

Nach einem Tiefblick in die verschneite Nordflanke muss nochmals die Konzentration fürs Abseilen über eine unbekannte Route aufgebracht werden. Eine erste Abseilfahrt vom Stand 10m südöstlich unter dem Gipfelkreuz bringt uns auf das grosse Band beim letzten Stand der Chico Mendez (unter der Ausstiegsverschneidung der Baustopp), nur mit 55m oder 60m Doppelseil machbar!
Beim Seilabziehen dann der Schreckmoment: das Seil lässt sich nicht abziehen... Ossi ist im Geiste schon wieder am Hochsteigen, ich möchte erst noch diesen Leitfaden dem Praxistest unterziehen... und sehe, nach 10min bei Punkt Nr.4 löst sich das Problem doch noch, puh!
Die weiteren 4 Abseilenfahrten gehen in der leicht überhängenden Wand problemlos und schnell, es sind zahlreiche Stände vorhanden. Die Route, über die wir abseilen, "Chico Mendez" sieht traumhaft aus - es ist fraglich, ob ich je das Kletterniveau für eine gepflegte Durchsteigung haben werden, erfüllte Träume gebären weitere Träume...

Die Querung unter der Wand und der folgende, durch Schmelzwasser teils schmierige Abstieg fordert nochmals volle Aufmerksamkeit, mit dem letzen Tageslicht kommen wir schliesslich beim neuen Ossimobil an.

Material: ein Satz kleine und mittlere Cams, fakultativ Klemmkeile und einige Schlingen. Die Route ist für Churfristenverhältnisse gut und solid abgesichert, trotzdem darf an einem halben Dutzend Stellen selbst abgesichert werden; die Routenführung ist nur am Ende der 6. Sl nicht durch Haken gegeben. Min. 50m Doppelseil, sofern man abseilen will oder für einen allfälligen Rückzug. Helm, griffiges Schuhwerk und entsprechende Trittsicherheit sind in den Churfirsten unerlässlich.

Herzlichen Dank dem unvergleichlichen Ossi für den guten Spirit beim Vorsteigen, die treffenden Unterhaltungen an den Ständen und der Erfüllung unseres "Soll" nach fast 4 Jahren ungeduldigem Warten...



Eine Auswahl  lohnender, einfacher Routen in den Churfirsten Südwänden
Von Ost nach West:

Südpfeiler am Selun Ostgipfel (leichteste der lohnenden Klettertour der Churfirsten, 4b)
Linker Silberi am Frümsel Silberi (einfachste der gut eingerichteten Wandroute, 5c)
Lucki und Sina am Brisi Westgrat (zugänglichste Kletterroute am Brisi, jedoch schwieriger als im Topo angegeben, 6a obl.)
Etterdach am Rosenboden (mittelschwierige Freikletterei mit einer imposanten Ae-Dachseillänge, 6a)
Munigrind am Tristencholben (wunderbar ausgesetze, steile und dennoch unschwierige Route, 5b)

Tourengänger: Alpin_Rise


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Kommentare (3)


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TeamMoomin hat gesagt: Wahnsinn
Gesendet am 13. April 2011 um 12:31
Für einen Gelegenheitskletter wie mich (So maximal 4b) wirkt das echt Wahnsinn was Ihr da macht! Extrem eindrücklich, und Hammer Bilder! Gratulation tolle Tour!

Grüsse

Oli und Moomin

mde hat gesagt: Gratulation / Abseilen am Zuestoll
Gesendet am 13. April 2011 um 14:17
Gratuliere, schön gemacht, guter Saisonstart!

Das Abseilen über die Südwand geht am einfachsten, wenn man vom obersten Stand nur ca. 25m abseilt, und dafür dann nachher gleich volle 50m an den vorletzten Stand der Chico Mendez (derjenige vor der 7a-Länge, vor der Querung, unter den Überhängen). Alles schon ausprobiert, das Seilabziehen geht definitiv leichter so :-)

Alpin_Rise hat gesagt: RE:Gratulation / Abseilen am Zuestoll
Gesendet am 13. April 2011 um 14:38
Ja, das ginge wohl leichter. Ich wusste, dass die Seile sicher bis zum Band reichen, die Idee dazu kam aus dem Skitouren.ch Bericht (5x 50m). Mangels Routenkenntnis haben wir deine - bessere - Variante nicht in Betracht gezogen. Möglich gewesen wäre sicher auch die sanierte Baustopp.
Rise


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