Schindler.....und andere Aufzüge


Publiziert von Henrik , 16. Dezember 2010 um 20:18.

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Locarnese
Tour Datum:14 Dezember 2010
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-TI   I 
Zufahrt zum Ausgangspunkt:ÖV / PW
Zufahrt zum Ankunftspunkt:ÖV / PW
Unterkunftmöglichkeiten: bei Andreas in Ranzo

.... ennet des Gotthards war ich eine ganze Weile nicht mehr. Die beinahe zweite Heimat von Andreas besuchen zu dürfen, folgte ich gerne. Meine ursprüngliche Nordlandfahrt und auch andere Unternehmungen in meinen fast zwei Monaten Ferien setzte ich ab – irgendwie stimmten Bauch und Kopf nicht überein. Es folgten Tage des Zögerns und kaum zu glauben, eine gewisse Unlust stellte sich auch ein – ich blieb zu Hause und las mich durch eine immense Zahl von hikr.-Berichten: das kann durchaus den Charakter einer Reise annehmen, das hat ja auch z. B. bulbiferum schon festgestellt! Nachdem die „Eiszeit“ über die CH hereinbrach, Schnee und Eis mitunter auch zu Problemen führten, kippte ich Norwegen/Foroyar und Island aus meinen verbleibenden Ferienwochen und begann das Tessin wie auch Südwestfrankreich zu favorisieren. Nachdem nun aber auch aus Frankreich schwierige Strassenverhältnisse gemeldet wurden, war der Anruf aus Bühler /AR sozusagen das Mass für einige Tage Tessin!
 
 .... wie üblich und bald jeder es hier weiss: Calling a Taxidriver. Auf der Passarelle SBB ist Montag gleich Mittwoch oder auch Freitag – Alltag und ein Gewusel, schon um 5.45. So freut es den Bahnreisenden wie mich, dass im Pano-Waggon doch einige Plätze frei sind, es besteht Auswahl. Den Zeitungssack stelle ich neben dem neuen, alten Rucksack, dasselbe Modell wie seit Jahren, auf ebay im Trio-Pack ersteigert.

Wenn zwei Züge aus Bahnhöfen parallel eine Weile nebeneinander herfahren, gibt es kurze Einblicke in rituelle Handlungen von Reisenden – manchmal kommt mir das vor wie Nestbauen beim Vogelgefieder. Lichtblitze von vorbeihuschenden Fahrzeugen auf der Autobahn, die die Bahn ab Basel in Stadionnähe kurz begleitet. Dann trennen sich die Züge und der Montagmorgen hängt noch im Nachtkleid. Fünf Minu-ten später schluckt der Adlertunnel den IR nach Locarno in sich auf, Liestal zieht vorbei und ich ahne es, bald legt sich der Zug in die S-Kurve zwischen Sissach und Gelterkinden – ich drücke meine Nase an das eiskalte Pano-Glas. Nur Schemen sind draussen zu erkennen, Lichterglanz von „Kläusen“ aus Kunststoff, die wie verrenkt an Aussenfassaden hängen – schön, eher nicht, heimatlich noch weniger.
 
 
 .... Gleis 12 (Olten): wahrscheinlich ist mir das einfach bisher nicht aufgefallen – den Bahnkilometer 0 schützt eine Installation, schon lange? In Luzern leert sich der Zug fast gänzlich, und ich schiebe drei halb-gelesene Tageszeitungen draussen in den Alu-Abfallzylinder – es ist frisch und ich fröstle ein wenig.  Zurück im „Sofa“ strecke ich die Beine und greife zur Fortsetzung der Gazettenfülle, noch aus dem vergangenen August, z. B. Sonntagblätter. Nicht doch, doch die Monochromie versetzt mich in Begeisterung, die aufgeschlagenen Zeitungen beiseite gelegt und den Zugersee wie die tiefen Wolkenbänke auf dem gegenüberliegenden Ufer geschaut und schon lichtet es zunehmend – von Sonne keine Spur. Und weder Rigi noch Mythen sind zu erkennen. Der Bahnhofsplatz in Arth-Goldau ist nass und der ICN auf Gleis 4 wird ausgerufen, er schiebt sich pünktlich heran. Hier beginnt für mich ein wenig das Tessin..


.... nach Schwyz-Seewen veranlasst das Wetter wenig Aufmerksamkeit, was draussen passiert: sogar der Schillerstein ist heute nicht vom Zugsfenster aus zu sehen. Es hat zwar Schnee und die –flocken sausen am Fenster vorbei. Die Farbtupfer, die ich vom Sitzplatz erheische, sind signalrot und bewegen sich: entlang des Trasse wird gebaut. In Göschenen kurz die Nase auf den Perron hinausgehalten, es zieht wie so oft....und in Faido scheint die Sonne. Am Bahnhof fallen mir die inzwischen fertiggestellten Lärmschutzwände auf und ich wundere mich über die emsige Bautätigkeit am Bahnhofsgebäude, die mir wenig Sinn macht, halte ich mir vor Augen, dass hier in 8 Jahren vielleicht kein Zug mehr dort geführt wird!
 
 .... in Cadenazzo empfängt mich Seeger und ein beissender Wind! Kaum im Auto zupft Andreas aus seinem Erlebnisköcher das Val Bavona hervor – er möchte mir was ganz besonders zeigen. Das kommt mir insofern gelegen, denn dann könnte ich in Cavergno noch falls zuhause, Heike ansprechen (Ostello La Curva) und wir könnten bei Marco (Hotel Eco-Cristallina, Coglio) noch was trinken. Erstere ist nicht anzutreffen und die Adresse in Coglio kannte Andreas noch nicht. Am Nachbartisch sitzen einheimische Bauarbeiter, die Fröhlichkeit und einen offenen Geist ansteckend verbreiten. Sei es in der Romandie oder im Tessin -  die „Musik“ ist eine andere.
 
 .... Gerade schaffen wir noch Locarno hinter uns zu bringen, bevor die Autos sich in Schlangen durch die Magadino-Ebene schleppen. Jetzt gilt es noch herauszufinden, wo wir abends speisen können – die meisten haben zu dieser Jahreszeit geschlossen. Für mich hält Andreas das im Untergeschoss untergebrachte Studio bereit, das eine imposante Sicht auf das gegenüberliegende Ufer möglich macht, auf eine der lukrativsten Bauzonen der CH für Millionäre oder jene, die sich für solche halten...
 
 
 .... als wir uns am Dienstag an diesen Hang begeben, fallen uns auf dem Weg dorthin die architektonischen Meisterleistungen auf, die den einen ins Auge und wohl den Betroffenen auch ins dementsprechende Portemonnaie gehen. Lifte sind hier unabdingbar, Personenlifte und aber auch sogar fürs Auto, denn man möchte ja hier einerseits gesehen werden, sich andererseits inkognito wissen. Die hiesige Bauwirtschaft wird wie die Gärtner ausgebucht sein, Preise spielen offensichtlich keine Rolle! Je höher wir fahren, desto gigantischer die Villen und aber auch die mögliche Einsamkeit. Dafür stehen unter anderem auch scheinbar unüberwindbar Zäune – sicher eine gutgehende Branche.
 
 .... hoch oben blicken wir auf den gleissenden Lago Maggiore und die wie Little Boxes am Ufer „geklebten“ Dörfer weit nach Italien hinein. Die Strasse, der wir in Serpentinen folgen, ist bis zur Baustelle geteert und zunehmend vereist. Und an dessen Ende steht wie gerufen eine rote Holzbank:  mit Blick auf den Gridone und dessen Ausläufer, ein paar Grade sich gewendet der Blick auf den See.
 
 .... manchmal gelangt man auf Balkone mittels Liften, oder zu Fuss mit einem beinahe Einheimischen, Danke lieber Andreas. 

Tourengänger: Henrik , Seeger


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