Der lange Hatscher aufs Zermatter Breithorn


Publiziert von akka , 31. Januar 2011 um 21:53.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum: 5 April 2007
Hochtouren Schwierigkeit: L
Schneeshuhtouren Schwierigkeit: WT4 - Schneeschuhtour
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS   I 
Aufstieg: 2760 m
Abstieg: 2760 m
Strecke:Zermatt Bhf. 1606 - Furi - Furgg - Trockener Steg - Breithornpass - Breithorn 4165m - retour

Das Breithorn ist ein wunderschöner Berg. Das es mit den Bergbahnen so entehrt wird, schmerzt. Als wollte ich diesen Schmerz wettmachen, habe ich diesem Berg rein zum Trotz von Zermatt aus einmal im Sommer (Abmarsch am Campingplatz) und einmal im Winter mit Schneeschuhen ab dem Bahnhof Tribut gezollt. Zwei weitere Winterversuche (jeweils nur mit Steigeisen) beendete ich am Kleinen Matterhorn, einmal wegen gefährlich unzureichender Schneeauflage, einmal wegen Höhenkoller-Augenroller. Immer bin ich dann auch den Weg wieder zurück nach Zermatt gelaufen. Freilich kommt mir limitierten T4 Wanderer entgegen, das dieser von Zermatt so furchterregend uneinnehmbar wirkende Klotz, ganz einfach zu besteigen ist. Für den Normalweg braucht es keine Helden.

Es ist dennoch hart. Nicht nur wegen der Höhendifferenz, der Gipfelhöhe von über 4000m, auch wegen der Länge von insgesamt ca. 38-40 Gehkilometern. Der Theodulgletscher ist hier das Schreckgespenst. Nicht enden wollend entnervt er, wenn es einem nicht gelingt, nicht ständig auf den Höhenmesser zu sehen. Ausmalen kann ich mir unmöglich, was es bedeuten würde, diesen Berg von Brig aus zu besteigen. Eine unfassbare Leistung von eugen.

Anfang April 2007. Zweite Hälfte einer Ferienwoche in Täsch.
Zwei Tage vorher hatte ich zusammen mit meinem Bergkollegen schon einen anderen Schneeschuhmarathon hinter mich gebracht (Monte Rosa Silbersattel - Zermatt). 
Der anschliessende Schlechtwettertag diente, den Kollegen zum Bahnhof nach Visp zu bringen und anschliessend die Beine hochzulegen. Als am Folgetag morgens um 6:30 beim Blick aus dem Fenster ein traumhaft schöner Tag anbrach, fasste ich den Entschluss, aufs Breithorn zu gehen. 

Eine Stunde später stand ich in Zermatt und los ging es. Wer es kennt, weiss Bescheid. Um 7:30 Uhr ist es noch relativ ruhig in Zermatt. Aus den Pub`s sind die letzten Partywesen bereits verschwunden. Die Hautevolee bewegt sich vor dem Zmorge Richtung Nagelkur im Beaty studio der Luxushotels und die Skifahrer verdrücken gerade ihr Sausage with egg sofern sie angelsächsischer Herkunft sind, oder ihr Konfibrötli und Gipfeli  falls sie germanische Frühstückskultur pflegen. Jeder im Rahmen dessen, was er unter Ferien versteht. Mich würden heute wohl die wenigsten verstehen. Ganz weit dort hinten steht das Breithorn. Unübersehbar, unerreichbar (oder eben mit der Matterhornbahn schon). Von dort oben will ich in etwa sechseinhalb Stunden auf Zermatt herunterblicken.
Wie motiviert man sich für sowas? Ein Tag wie dieser ist Motivation genug. Eine Berglandschaft wie diese ist genügend Ansporn. Die zu erwartende Aussicht vom Gipfel zündet den Motor. Ich muss mich disziplinieren, nicht zu schnell anzulaufen.
Zermatt ist ein langer Ort. Bis Furi zieht es sich. Dort hat man die erste kleine Wanderung bereits geschafft. Allerdings nur 260Hm. Jetzt wird es gleich steil. Ich muss auf die Skipiste, um schnellstmöglich Furgg zu erreichen. Ich drücke aufs Tempo, die ersten Skifahrer sitzen bereits in den Gondeln. Erwartungsgemäss nimmt nun der Gegenverkehr zu. Ich pace hoch. In Furgg mag ich keine Pause machen. Es tanzt bereits der Bär. Ich sondere mich ab und und finde abseits der Pisten ruhigeres Gelände. Die Schneeschuhe sind nun ideal. Auf 2800m Rast. Es ist kalt und ich mag nicht lange zuwarten. Ich halte auf die Bergstation Trockener Steg zu. Den Theodulgletscher möchte ich auf der Skipiste begehen. Kein Risiko hier.
Der Theodulgletscher. Mir bestens bekannt. Er saugt einen aus. Blick auf den Höhenmesser: 4m/min. Verdammt ich komme nicht recht höher... Das Hinterhältige an der Sache. Ab 3400m wird es dann steiler und man hat eine Schrittfrequenz verinnerlicht, die diesen Rythmus nicht mehr verleiden mag. Zwischen 3400m und 3800m entscheidet sich, ob man den Gipfel erreicht. Entweder man kriecht völlig erschöpft zur Bergstation Klein Matterhorn, oder man zieht das Ding noch durch.
Ich bieg zum Breithornpass ab. Nun begebe ich mich in die Gefahrenzone. Spalten sind ein Thema.
Am Plateau bläst es zumeist heftig. Obwohl 1km vor mir Leute mit Skier unterwegs sind, ist die Spur teilweise schon nicht mehr zu erkennen. Mit Schneeschuhen eh nur eine begrenzte Sicherheit. Wieder ist es flach, flach, flach. O Hm/min... Ich bin dankbar, als es in die Südflanke und weiter Richtung Westgrat (mehr ein Rücken) geht. Am Schrund zwei kleinere, gut sichtbare Spalten. Hier hole ich den Pickel hervor. Nur nicht abruschen. Dannach ist alles billig. Das letzte Triebwerk wird geschalten und wenig später stehe ich alleine auf 4165m. Durchatmen, die Luft brennt in den Lungenflügeln. Es ist erstaunlich warm. Als ich mal im August hier oben war, fror ich mir fast die Finger ab.
Das Panorama ist ein Geschenk der Extraklasse. Alles vertreten. Von Jungfrau bis Monviso. Ich bin glücklich, es geschafft zu haben, es mir selbst erarbeitet zu haben. Den Mut und den Willen aufgebracht zu haben. Der Blick die Nordwand  hinab beeindruckend. Wegen seiner südlichen Lage ist das Breithorn ein sagenhafter Aussichtspunkt.

Es nützt alles nichts. Ein langer Rückweg steht mir bevor. Ich muss aufbrechen. Die Flachpassagen am Breithornpass und Theodulgletscher brauchen nun schon etwas Überwindung. Aber ich werde nicht schwach. Die nahen Bergbahnen schliessen bald. Dann wird es ruhiger. In Furgg hätte ich noch einmal Gelegenheit für eine Talfahrt. Ich zögere, stehe am Eingang  der Bahn, werde fast schwach. Eine Gruppe Deutscher Skifahrer geht mir aber sofort auf den Keks. Okay, weiter absteigen. Die Bahn macht kurz darauf dicht. Ich steige wieder den engen Schlauch nach Furi hinab. Die Knie schmerzen nun. Die ausgefahrene Skipiste ist mit Schneeschuhen wahrlich keine gelenkschonenede Angelegenheit.

 Zuletzt bleibt der lange, flache Kehraus nach Zermatt. Teils einsam, bei Blatten begleitet von après ski und dem Anton aus Tirol. 
 
Was unbedingt kritisch erwähnt werden muss: Wer solo auf das Breithorn geht, riskiert Spaltenstürze!!! Eine Spur garantiert nie, das sie auch trägt. Am Breithornpass bläst einem der Wind in der Regel flott um die Ohren. Von meiner eigenen Spur war bereits nach wenigen Minuten nichts mehr zu sehen.
Vorsicht bei drohenden Nebel oder Schlechtwetter. Die Orientiereung wird dann plötzlich sehr schwierig und wegen fehlender Anhaltspunkte kann in diesem endlos weitem weissen Nichts eine vermeindliche easy-Tour im Debakel enden.


Tourengänger: akka


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Kommentare (3)


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xaendi hat gesagt:
Gesendet am 1. Februar 2011 um 09:18
Gratulation zu dieser Tour - deine Worte lassen erahnen, wie viel Überwindung und Durchhaltewillen so etwas braucht! Ich bin im Sommer mal vom Breithorn zum Trockenen Steg gelaufen - nur schon das kam mir endlos vor!
xaendi

eugen hat gesagt: Salü
Gesendet am 1. Februar 2011 um 10:38
Ein sehr spannender Bericht, den ich von A bis Z genossen habe und wunderschöne Postkartenphotos.
Gruss aus dem Lehrerzimmer in Visp (wo ich sonst nur arbeite)

Eugen

akka hat gesagt:
Gesendet am 1. Februar 2011 um 20:36
Salut

xaendi:
Wo ein Weg, da ein Wille...

Eugen:
Im Wallis hat es eben nur Postkartenmotive.
In Visp würde ich eigentlich auch nicht ungerne arbeiten...

Gruss
Jörg


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