Grosser Drusenturm, 2830 m - "Schweizerpfeiler"


Publiziert von roko , 14. Oktober 2010 um 23:46.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Prättigau
Tour Datum:14 Oktober 2010
Klettern Schwierigkeit: VII- (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   CH-GR 
Zufahrt zum Ausgangspunkt:St. Antönien
Zufahrt zum Ankunftspunkt:St. Antönien
Unterkunftmöglichkeiten:Carschinahütte - SAC

Vorgeschichte:
Ich war etwa 10 Jahre alt, als ich mit meinem Vater unter der Drusenfluh stand. Er zeigte mir den von ihm mehrmals gekletterten Südwandpfeiler, die Dichtl Gedächtnisführe, in der er nach einem Ausbruch im Jahr 1950 im oberen Teil in arge Bedrängnis geriet. An sein Material kann ich mich noch gut erinnern...ein dickes Hanfseil und selbstgeschmiedete Haken...ein paar Karabiner aus Stahl, jeder so schwer wie ein komplettes heutiges Express-Set. Dann gingen wir weiter unter die Drusentürme und er offenbarte mir den von Wisi Fleischmann und Max Niedermann 1954 erschlossenen Schweizerpfeiler. Damals für mich ein unfassbares Unterfangen...ich fragte mich allen Ernstes, wie man da hinaufkommen sollte. Seit jener Zeit schwebte mir diese Route irgendwie im Hinterkopf herum. Dass ich diesen Pfeiler 50 Jahre später klettern sollte, ich hätte nicht im Traum daran gedacht!

Günti und ich trafen uns um 07.00 Uhr in der Ganda und fuhren nach St. Antönien hinauf. Zäher Nebel hing im Prättigau (der sich auch den Tag über nicht wieder auflösen sollte). Von dort ging es zur Carschinahütte und weiter gegen das Drusator. Nun folgt man Wegspuren, die zu den verschiedenen Einstiegen der Türme führen. Der Einstieg zum Schweizerpfeiler geht in der Falllinie der Schlucht, etwas rechts vom markanten S-Pfeiler zuerst über einen Vorbau (II - III UIAA) hinauf (Vorsicht, Schutt in den Rinnen und auf den Bändern). Den kann man frei oder am kurzen Seil bis zum Stand gehen.
Nun folgen 13 spannende Seillängen mit Quergängen, Platten, Verschneidungen, Rissen und vor allem schönen Kaminen, in der ich Güntis kettern bewundern konnte und die mir immer mehr Respekt vor den Erstbegehern einbrachte. Wenn man die alten Holzkeile zur Absicherung sieht...ob die bei einem Sturz gehalten hätten?
Einzelne Seillängen sind je nach Führer recht hart bewertet. Zum Beispiel die 8 SL . Ein Kamin / Körperriss, der einem ganz schön fordert, der mit 5+ angegeben wird und mir wie eine 6+ vorkam (oder meldet sich da schon das Alter?). Ausserdem stecken in dieser Seillänge kaum Haken, die Absicherung mit Friends ist mühsam und verlangt vom Vorsteiger einiges an Selbstvertrauen - und an dem fehlt es Günti wahrlich nicht!    
Die Route insgesamt hat ihren alpinen Charakter trotz einer sanften, vorbildlichen Sanierung nicht verloren. Die Stände sind mit Muniringen (2 Bohrhaken wären besser) eingerichtet...nur spärlich wurden Bohrhaken als Zwischensicherung gesetzt (nicht unbedingt an den schwersten Stellen). Ansonsten sind noch die alten, geschlagenen Haken vorhanden...einzelne davon jedoch nur noch in schlechter Qualität.
Der Abstieg erfolgt in den Sattel zwischen den Türmen und weiter zum Sporerturm.
Achtung! Der alte Steig zum Drusator hinüber ist wieder in gutem Zustand. Man spart sich einige Höhenmeter wenn man direkt quert und nicht auf dem Normalweg gegen die Lindauer Hütte absteigt.
Der heutige Tag war einfach ein Gedicht. Die Sonne, das Nebelmeer im Tal...man konnte den Blick schweifen lassen wohin man wollte, es war eine Augenweide. In der Wand brauchten wir nicht einmal unsere Pullover auspacken. Herrliche Temperatur und fast kein Wind machten die Tour zum Genuss. 
Manchmal brauchen Dinge eben seine Zeit (und wenn es 50 Jahre sind)...und dann passt alles perfekt  zusammen, so wie heute!
    

Tourengänger: roko


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Kommentare (12)


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petitNic hat gesagt: Bravo!
Gesendet am 15. Oktober 2010 um 16:03
Gratuliere zur Tour! Und wunderschöne Bilder hab ihr geschossen!

roko hat gesagt: RE:Bravo!
Gesendet am 15. Oktober 2010 um 17:34
Danke!
Es war der perfekte Tag

nadirazur hat gesagt: Wow
Gesendet am 15. Oktober 2010 um 22:03
Lieber Robert,

toller Bericht, wunderbar! Freue mich immer wieder, von Dir zu lesen ... und immer wieder diese Region zu entdecken, die in mir Träume weckt ... mal sehen ob es diesen Winter klappt dass ich rüberkomme und mir die Sulzfluh und die Drusentürme mal näher ansehe :)

Liebä Gruess us um Wallis,
Noemi

roko hat gesagt: RE:Wow
Gesendet am 15. Oktober 2010 um 22:48
Liebe Noemi,
dass musst du unbedingt! Von St. Antönien aus kann man mehr als ein Dutzend Skitouren machen. Der Rätikon hat seinen ganz besonderen Reiz. Von der Skitour bis zum alpinen Klassiker ist alles vonhanden.
Lieber Gruss aus dem Bündnerland
Robert

Alpin_Rise hat gesagt: Ultraklassiker
Gesendet am 16. Oktober 2010 um 14:32
Grosses Kino mit den Bildern, da bekommt man gehörig Respekt vor den Erstbegehern!
Leider war mir an diesem Tag kein Panorama vergönnt - meine Tour war zu weit unten angesetzt.
G, Rise

roko hat gesagt: RE:Ultraklassiker
Gesendet am 16. Oktober 2010 um 16:06
So ist es! Was die damals geleistet haben, war Weltklasse.
Wir bedauerten alle (ein wenig wenigstens) die unten im Nebel sitzen mussten...
Gruss
Robert

bikerin99 hat gesagt: Lust auf mehr....
Gesendet am 17. Oktober 2010 um 08:49
Hallo Roko,
tolle Tour, super Bilder! Danke übrigens für den Tipp mit der Drusenfluh.
Gruss Sabine

roko hat gesagt: RE:Lust auf mehr....
Gesendet am 17. Oktober 2010 um 11:22
Hallo Sabine,
die Türme sind auf dem Normalweg über St. Antönien - Drusator - Sporerturm, gut zu erreichen. Viel Erfolg und eine schöne Tour!
Gruss Robert

Martina hat gesagt: Tolle Tour!
Gesendet am 17. Oktober 2010 um 18:56
Herzlichen Glückwunsch zu diesem eindrucksvollen Pause-Klassiker, noch dazu an so einem Traumtag! Dein Bericht macht wirklich Lust diese Ecke auch einmal zu besuchen!
Gruss martina

roko hat gesagt: RE:Tolle Tour!
Gesendet am 17. Oktober 2010 um 21:12
Salü Martina,
das solltest du unbedingt... auf keinen Fall die Neumann - Stanek an der westlichen Sulzfluh auslassen. Es waren die zwei Wiener die sie im Sommer 1946 das erste Mal durchstiegen. Schöne Tour...habe sie im letzten Jahr geklettert.
Gruss Robert

Nyn hat gesagt:
Gesendet am 3. Oktober 2021 um 01:34
Als ich mit dem Klettern begonnen habe, war der Schweizer Pfeiler der Traum aller meiner Däleskollegen (Oberes Donautal). Jeder, der es geschafft hatte, wurde glühend verehrt. Mir war es einige Jahre später auch vergönnt und ich erinnere mich mit gehörigem Respekt daran.
So Rißkaminverschneidungen sind halt schon sehr speziell - mir kam diese Länge auch deutlich härter vor als 5+

roko hat gesagt: RE:
Gesendet am 3. Oktober 2021 um 08:28
Den Rätikon, meine Heimatberge, kenne ich schon seit meiner frühesten Jugend und es ist immer wieder schön, dort eine Tour zu machen und der "Schweizerpfeiler" gehört zu den schönsten Erinnerungen die ich an diese "Heimatberge" habe. Spätherbst, Nebelmeer bis zur Carschinahütte, oben windstill, sonnig...ein Traum.
Mit einem Gruss aus Valens
Robert


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