Glärnischgruppe endlich komplett: Bösbächistock 2657 m


Publiziert von PStraub , 12. September 2010 um 21:10.

Region: Welt » Schweiz » Glarus
Tour Datum:12 September 2010
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GL   Glärnischgruppe 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 2000 m
Abstieg: 2000 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Klöntal - Plätz
Unterkunftmöglichkeiten:Chäseren
Kartennummer:1173

Seit geraumer Zeit habe ich auf die Gelegenheit gewartet, mit der Besteigung des Bösbächistocks (2657 m) den letzten fehlenden Berg der Glärnischgruppe im HIKR beschreiben zu können.
 
Ohne grosse Eile von zuhause aufgebrochen: Da die Nacht kalt war, war zu erwarten, dass auf dieser Höhe das Schmelzwasser des Neuschnees gefroren ist. Darum steigt man in der fortgeschrittenen Jahreszeit besser nicht zu früh in Nordwände ein.
Also um ca. 08:00 Uhr im Plätz losgelaufen. Die (eher langweilige) Strecke Plätz - Chäseren - Zeinenmatt kenne ich mittlerweile bis zum Abwinken. Dann weiter Richtung Zeinenfurggel. Ich habe diese bisher nur von der Bächiseite her begangen, und schon da hielt ich die Markierungen für ungenügend. Hier, auf der Zeinen-Seite, ist das schlicht eine Frechheit. Alle Jubeljahre eine weiss-blaue Markierung, was soll denn das? Markierungen sind für Begeher, die das Gelände nicht kennen, die andern brauchen sie nämlich nicht.
Nun gut, irgendwann bin ich nach rechts abgebogen, um zum (vermeindlichen) Einstieg auf 2200 m zu gelangen. Hier durch eine schön gestufte Rinne hoch, so zwischen T4 und WS. 
Ich war überrascht. Von meiner ersten und einzigen Begehung dieser Route (07.08.1993) war mir die erste Rinne als heikel in Erinnerung. Nun ja, man beklagt sich ja nicht ..
Dann kam ich auf die untere Stufe mit den Schuttbändern. Hier muss man gemäss Beschrieb eher rechts haltend die Wand hoch. Das ging anfänglich recht gut, aber die Wand wurde immer steiler, die Schuhe (im Verhältnis zu den Ständen) immer breiter. Irgend etwas war da faul.
Also zurück auf die Bänder. Nun ist es ja immer möglich, dass man einer Route einfach nicht mehr gewachsen ist. Aber gerade so krass? 
Da kam mir die Idee, den Nordostgrat zu versuchen. Ich folgte also den recht gut begehbaren Bändern (T5) und kam zu einem Punkt, der mir irgendwie bekannt vorkam. Ich hatte vorher schlicht den falschen, aber einfacheren Einstieg erwischt. 
Von hier war es kein Problem, eher rechts haltend die Stufe zu übersteigen (WS) und auf die Halde unterhalb des Gipfels zu gelangen. Die letzten 200 Meter sind ein Gemisch von Platten und Schutthalden. Da ist alles lose, selbst grösste Felsbrocken lösen sich ohne Vorwarnung. Ständig kracht was den Hang runter. Was dem Seelenfrieden wenig zuträglich ist. Wer will denn schon die ganze Zeit wissen, wie weit es da runter geht?
Immerhin, nach einiger Plackerei war der Gipfel erreicht. Die Aussicht ist ganz erstaunlich. Ein Turmfalke spielte mit dem Aufwind. Eigentlich gehörte der bei uns in die Täler und Ebenen. Aber dort lebt ja mittlerweile so gut wie nichts mehr ausser Krähen. Vor allem keine Tiere, die auf naturnahe Wiesen angewiesen sind. 
Im Gipfelbuch sind seit 1996 3 Seiten vollgeschrieben: Mit meiner sind es ganze 12 Besteigungen in 15 Jahren, davon mehr als die Hälfte von immer der gleichen Gruppe. Die machen scheinbar regelmässig die Überschreitung über den Rüchigrat (Zeinenfurggel - Bösbächistock - Rüchigrat - Gassenfurggel). Das ist eine wirklich krasse Tour, sowohl von der Schwierigkeit wie auch von der Höhendifferenz her.
 
Im Aufstieg hatte ich mir den Einstieg in die Steilstufe mit einer Reepschnur markiert. Diese sah ich schon von weitem, aber zuerst muss man sich da runter bescheissen. Im Abstieg rutscht das Zeugs ja noch viel extremer, da war manchmal der halbe Hang unterwegs. Immerhin erreichte ich die Markierung noch recht schnell. Also geradewegs runter in die "Normalroute". Tatsächlich fand ich dort eine steile, ausgewaschene Rinne. Doch die wurde immer steiler - und irgendwann so steil, das sie nur im freien Fall zu "begehen" war. Das hatten meine Stöcke bereit getan - sollen sie dort oben auf den nächsten Begeher warten.
Ich würgte mich irgendwie wieder hoch (das war weit jenseits von ZS) und stieg zurück zu den Bändern. Denen folgte ich bis zum Felskopf, den ich vom Aufstieg in Erinnerung hatte. Dort fand ich auch den problemlosen Abstieg zur Schutthalde seitlich der Zeinenfurggel-Wegspur, den ich als Aufstieg benutzt hatte.
Beim Aufstieg verstiegen, beim Abstieg verstiegen: Eigentlich hätte ich genug "Action" gehabt für einen Tag. Aber es sollte noch "besser" kommen: Am oberen Ende der Schutthalden wollte ich ein kleines Altschneefeld queren. Kaum darauf, fiel ich auf den Arsch (die Stöcke fehlten halt). Zuerst mit den Beinen voran mit erstaunlicher Beschleunigung runter. Dann kam ein Loch im Schnee, von dem ich hoffte, es würde den Sturz aufhalten. Nichts dergleichen: Die Beine fielen rein, der Oberkörper darüber. So dass ich die Fahrt nun kopfvoran fortführte. Zu meinem Glück war darunter ein Haufen abgerutschter Neuschnee. So blieb es bei einigen Abschürfungen und einer Prellung an der Schulter. Ohne diesen Schnee dort würde ich vermutlich hier keinen Bericht schreiben ..

Bis zum Bierchen beim Chäserenwirt waren es noch rund 1000 m Abstieg, diesmal wirklich ereignislos.
 
Die einfachste Route ist also: Bei Höhe 2200 m durch die Rinne hoch, dann - immer leicht steigend - ca. 400 m auf den Bändern, dann eher rechts haltend durch die Wand, dann eher links haltend Richtung Grat und so zum Gipfel. Obwohl technisch nicht wirklich schwierig, verlangt die Route äusserste Konzentration und sicheres Gehen auf losem Schutt, ein ZS ist sicher angemessen. 
 
Damit ist mit der Glärnischgruppe die achte von elf Gruppen komplett. 
Es fehlt "nur" noch die südwestliche Ecke: Clariden-, Tödi- und Bifertengruppe. Ich hoffe auf die Mithilfe anderer HIKRs, damit in absehbarer Zeit für alle Gipfel aller Gruppen des 'Glarner Führers' mindestens eine Beschreibung vorliegt.

Tourengänger: PStraub


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Kommentare (8)


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Runner hat gesagt:
Gesendet am 12. September 2010 um 21:41
also erst hab' ich mir einen abgelacht ab diesem Bericht, aber harmlos war's ganz offensichtlich nicht - das besch... Gefühl wenn's nur noch runtergeht und Du weisst nicht wie lange wo lang kenn' ich bestens! Bei mir war's feuchtes Berggras aber was soll's... Zwei Fragen: wie ist der Zeinenfurggel für nicht 100% Schwindelfreie Bergwanderer? Und wo findet sich Deine Page über die Glarner Pässe? Die war doch von Dir?

PStraub hat gesagt: Fragen
Gesendet am 13. September 2010 um 07:41
Hallo Runner

Die Zeinenfurggel ist technisch simpel. Der Hang von Bösbächi nach Chamm ist zwar recht steil, aber der Weg leicht und recht gut zu finden. Oben gehst du teilweise über den dort harmlosen Bächifirn. Der Schutt beidseits der Passhöhe ist "geschmacksache", aber ungefährlich, du kannst auf den Fotos sehen, wies dort aussieht. Ich habe vor Zeiten auch einen Bericht im HIKR darüber geschrieben.

Die Pässe-Seiten findest du jetzt unter www.gyro-bau.ch/ ; die Domain www.berge.gl habe ich aufgegeben.

Runner hat gesagt: RE:Fragen
Gesendet am 13. September 2010 um 08:32
besten Dank für die Info. Demnach scheint die Zeinnefurggel technisch nicht anspruchsvoller als der Vorderglärnisch von der Klöntalerseite. Das wäre für mich also machbar... Gruäss Runner

ma90in94 hat gesagt: Bösbächistock
Gesendet am 13. September 2010 um 14:12
Hallo Peter
Ich möchte den Bösbächistock auch mal als anspruchsvolle Skitour im Spätwinter vorschlagen. Ich bin über das erste Band auf Höhe der Zeinenfurggel in die Flanke eingestiegen und die Flanke hoch bis zum letzten flacheren Gratstück.
Wirklich steil ist nur das Band zu Beginn, wo es noch nicht so ausgesetzt ist. Ich hatte damals am 2 .Mai 1995 besten Trittschnee. Wenn du mir Deine Mailadresse mitteilst, kann ich Dir ein Foto von gegenüber, vom Rad zusenden, falls es Dich interessiert.
Gruß Günter

PStraub hat gesagt: RE:Bösbächistock
Gesendet am 13. September 2010 um 17:00
Hallo Günter
Danke für das Angebot, aber ich habe ja oben bereits eine Foto vom Rad aus drin.
Bezüglich Skitour habe ich zwiespältige Gefühle. Bei Trittschnee machbar - ja. Aber soll man eine Route empfehlen, die in der Falllinie (Gipfel nach NNW) im Durchschnitt über 60 Grad steil ist (400 Hm auf 325 m horizontal)?
Ich meine, nein.
Wer das machen kann, solls machen. Ich würde keinen in so etwas geschickt haben wollen.
Gruss Peter

ma90in94 hat gesagt: RE:Bösbächistock
Gesendet am 15. September 2010 um 23:13
Hallo Peter
Das Skidepot ist so ca auf 2460 m. Den NE-Grat erreicht man bei etwa 2620 m über den östlichsten Teil der Flanke. Geschätzte Steilheit knapp 50 Grad. Mehr würde ich mir auch nicht zutrauen.
Ist sicher nicht die typische Frühjahrsskitour.
Gruß Günter

PStraub hat gesagt: RE:Bösbächistock
Gesendet am 16. September 2010 um 07:50
Du hast natürlich recht: Es sind 50, nicht 60 Grad.
Kaum geschickt, habe ich den Tippfehler gesehen, liess sich aber nicht mehr korrigieren.

Runner hat gesagt: RE:Bösbächistock
Gesendet am 13. September 2010 um 21:41
Hallo Günter, falls nichts dagegen spricht: könntest Du mir das Foto zusenden auf richard.hofer@gmx.ch

Gruss Runner


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