Faber-Castell - Bleistifte der Extra-Klasse.....


Publiziert von Henrik , 28. August 2010 um 10:17.

Region: Welt » Norwegen
Tour Datum: 4 Februar 2009
Wegpunkte:
Geo-Tags: N 
Strecke:Trondheim - Oslo / Im Nachtzug
Zufahrt zum Ausgangspunkt:ÖV
Zufahrt zum Ankunftspunkt:ÖV
Unterkunftmöglichkeiten:NSB Nattog

 
In Bodø endet der Schienenstrang der norwegischen Staatsbahnen (NSB), dieser Teil der Strecke wurde erst in den 60er-Jahren fertiggestellt, davon zeugt auch der schmucklose Backsteinbau, der als Bahnhof, nicht im klassischen Sinne, hier steht und genauso gut auch ein Bürokasten sein könnte – einst auch als Jugi genutzt! Vier Geleisestumpfe und viel Wind sind das Bild, dass dieser Bahnhof abgibt – zugig ist es und nach Westen hin sieht man Masten und Seitenborde der am Hafen liegenden Schiffe, die dort entladen werden: Die Hurtigrute-Linie legt hier täglich zweimal an – süd- und nordwärts.

 
Bodø ist der Verwaltungszentrum, das das Tor zu den Lofoten darstellt – in Bodø zu leben, heißt sich permanentem Zug auszusetzen – es windet dauernd! Die Zugskomposition, die sich um 12.15 nach Süden Richtung Trondheim in Bewegung setzen soll, besteht aus einer Diesellok und vier Waggons – es liegen über 700 km vor ihr – die den Polarkreis und das Saltfelt (nordisches Hochgebirge) queren werden. Diese Fahrt habe ich in früheren Reisen schon mehrmals unternommen – jetzt, da ich den Inter-Global-Pass-1.-Klasse bei mir habe, erhoffte ich, etwas komfortabler unterwegs sein zu dürfen ....doch wie bereits bei der Bergen-Fahrt wahrgenommen: in Norwegen gibt es keine 1.-Klasse-Abteile, hingegen eine Komfort-Zone, die aber außer gehoben wirkender Stoffbekleidung der Sitze nichts weiteres bietet! Und wieder bin ich erstaunt, wie wenig den Gepäckstücken man Raum anbietet – soviel Platz wie die Waggons der SBB oder der DB anbieten, findet sich weder in Schweden noch in Norwegen, obwohl gerade in diesen beiden Staaten, Fernreisen mit über 1500 km auf einzelnen Strecken üblich sind! Hingegen wirkt die sonstige Möblierung dieses Komfort-Waggons wie aus dem Zeitalter des Orient-Express’: aus Holz und Messing, seitliche Verkleidungen und Trennvorhänge zwischen den Sitzen, eine Liegestuhl-Klappe, die den Hintermann in Verzweiflung geraten lässt, da dann keine Beinfreiheit mehr zur Verfügung steht .... Die Ausstaffierung wirkt veraltet und ungepflegt – so auch die anachronistisch wirkende Toilette, die zwar Flush-Spülung aufweist, aber die Türe lässt sich nicht ganz schließen und das Schloss scheint wenig designhaft, sie klappert sehr geräuschvoll! Zwischen den Waggons liegen ganze Schneehaufen, die durch die undichten Gummimanschetten heraufgeweht werden – sieht aus wie bei der MOB, vor ihrer Restaurierung ... Der Zug fährt mit einer Geschwindigkeit eines Trams, deshalb ist die Bahn auch fast 12 Stunden unterwegs. Grotesk wirkt auch der mittig platzierte Cafe-Waggon, der viel Gangfreiheit aufweist, aber dem Sitzenden pures Sardinen-Konserven-Gefühl aufdrängt.
 
 
Die Snacks kommen alle aus der Plastiktüte, sofern gewünscht gewärmt, wandern auch alle in die Mikrowelle und die Getränke wiederum stehen in Glasfläschchen klappernd nebeneinander....Kaffee bezahlt man in Norwegen bei der Bestellung und kann dann ohne nachzubezahlen unentgeltlich nachschöpfen – das ist sehr sympathisch .....
 
 
Was sich die norwegischen Staatsbahnen beim Einchecken der Schlafwagenabteile erlauben, muss man erlebt haben, in Echtzeit! Vorweg, die Abteile sind entsprechend geräumig und modern, entsprechen den Anforderungen, die ich auch von der CNL kenne – doch das Procedere am Bahnsteig wirkt wie aus einer längst vergangenen Zeit: da steht ein Männlein am Bahnsteig, vor der Luke des Café-Waggon, der auch im Schlaf- und Liegewagen-Zug nach Oslo jede Nacht mitgeführt wird, bewaffnet mit Bleistift (Marke Faber-Castell gelb) und einem Folder, auf dem die Abteile erkennbar sind und bittet die Passagiere, die sich in einer Schlange vor ihn aufstellen (es weht ein eisiger Wind durch den Kopfbahnhof) und reklamiert die Reservationen, damit er diese in seine Liste eintragen kann; danach erhält jeder Passagier, der nachgewiesenermassen das Recht auf einen Schlafplatz hat, seinen Plastic-Schlüssel (es sind ja keine Schlüssel, sondern Badges, die in die Abteil-Türen gesteckt werden), mit etwas Nachdruck, danach lässt sich die Türe öffnen – es ist das heute gängige Vorgehen, wie es bei allen modernen Hotels der Welt schon seit bald einem Jahrzehnt üblich ist. Hat man dann seinen Badge, sucht man den Einstieg – nun weisen die norwegischen Schlafwagen nur eine Türe auf pro Waggon, das heißt man „wuselt“ mit dem jeweiligen Gepäck durch die Gänge, was bei der Enge durchaus auch Flüche nach sich ziehen kann!
 
Ich leiste mir ein Einzelcoupé – denn die bisher angetroffene Enge möchte ich nicht mit jemanden zusätzlich teilen – schon vor der Abfahrt 23.15 lege ich mich in das erstaunlich lange Bett, muss mich also nicht in Löffelstellung bringen und döse schon beinahe zufrieden ein, als der Zug sich dann in Bewegung setzt. Jetzt meldet sich der Hunger – also nochmals in die Kleider und die schmalen Gänge entlang zum Café-Waggon: dort bestelle ich mir ein Pizza-Brötchen – aus der Plastikverpackung und hinein in die Mikrowelle, zehn Minuten später serviert mit einem Kartonbecher heißer Schokolade....wenig stilvoll, und beinahe sättigend! Angepriesen wird mit großer Kelle – die NSB sind stolz auf ihre Komfort-Zone auf ihren Strecken und vergessen die wirkliche Qualität .....Nach ein Uhr liege ich dann im Bett – und lasse mich durch das Handy um viertel vor sechs wecken.
 
 
 
Fahplanmässige Ankunft ist 6.50 in Oslo – um 7 Uhr dann vorgesehene Weiterfahrt nach Gøteborg. Den Zugsbegleiter frage ich noch, ob er mir die entsprechenden Geleise mitteilen kann, wo unser Zug einfährt und wo der Zug nach Gøteborg wegfährt – so sind die Gesetze eben .....es könnte knapp werden: ich muss von Gleis 3 zu Gleis 19! Ein Kränzchen soll aber der NSB hier gewunden werden – der Zug fährt pünktlich in Oslo ein und ich erreiche den Anschlusszug. Und wie bei der Hinfahrt – ich erhalte einen Platz in der 1. Klasse, obwohl ich nicht reservieren konnte, weder in Trondheim noch in Bodø. Der Zugsbegleiter auf diesem Zug ist Däne, in Diensten der NSB, und scheuchte mich weg aus der Konsumationszone, wo man Café und Snacks kaufen kann – dieser Bereich sei nicht vorgesehen für Daueraufenthalte, zudem müsse er arbeiten und meine Anwesenheit würde ihn stören! Solcherlei Argumentation habe ich noch nirgends in einer Bahn gehört – ich zog Leine.
 
 
Draußen zogen Uferlandschaften vorbei, immer noch war die vorherrschende Farbe der Holzbauten „Dalarna-Rød“, immer noch lag dichter Nebel und zum Glück gab es keinen Zusammenstoss mit Elchen .... Immer noch rumpelte der ICE nordischer Prägung über Strecken, die mit Zwischenhalten unterbrochen werden mussten, da keine Doppelspur ...und immer noch blies statt warmer Luft im Abteil eine auf kalt gestellte Aircondition Kühle in den offenen Nacken – ich beschwerte mich beim Dänen, der Besserung versprach, die kurz vor Göteborg einsetzte ...


(Die Bilder sind aus den unendlichen Weiten des www. entnommen)
 

Tourengänger: Henrik


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentare (1)


Kommentar hinzufügen

whannes hat gesagt:
Gesendet am 28. August 2010 um 11:24
Ein spannender Bericht!

Ich war diesen Sommer zwecks Klettern auf den Lofoten: Weil wir zu zweit rund 100kg Gepäck dabei hatten (Campingausrüstung, Kletterausrüstung, Boulder-Matte, ... ) nahmen wir eine fast 48h Zugfahrt auf uns. Als Studenten leisteten wir uns natürlich nur die Liegesessel im Nachtzug, ein wenig schlafen liess sich dennoch da und dort ;-)

Die NSB war wirklich ein Erlebnis! Wie du schreibst waren die Wagen ein Relikt längst vergangener Zeiten. Waren wohl damals die Luxus-Klasse, heute dienen sie auch der 2. Klasse als unklimatisierte und etwas muffig riechende Transporthülle.

Was das Gepäck anbelangt, kann ich dir auch nur recht geben. Ich erinnere mich da an eine Situation im schwedischen X2000: Mit unserem monströsen Gepäck verstellten wir natürlich Türen und Gänge. Die geschockte Kondukteurin belehrte uns dann, dass im X2000 "hand bagage only" gelte, was wir natürlich nicht gewusst hatten. Aber als sympatische Schweizer konnten wir sie davon überzeugen, dass wir es das nächste mal sicher nicht mehr so machen würden und durften dennoch im Zug bleiben.

Zugfahren in der Schweiz ist ja eigentlich schon ziemlicher Luxus, trotz da und dort verstopfter Wagen bin ich immer noch sehr zufrieden mit den SBB.


Kommentar hinzufügen»