Revisited and completed: Altenalptürm - mit dem Säntis als Zugabe


Publiziert von marmotta , 26. Juni 2010 um 02:13.

Region: Welt » Schweiz » Appenzell
Tour Datum:25 Juni 2010
Wandern Schwierigkeit: T6- - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Alpstein   CH-AI   CH-AR   CH-SG 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 1950 m
Abstieg: 1950 m
Strecke:Wasserauen - Seealpsee - Altenalp - Säntisweg (P. 1799) - Altenalptürm, Mittelgipfel (P. 2033) -Westgipfel (P. 2019) - Lötzlisalpsattel - Öhrlisattel - Höch Nideri - Blau Schnee - Säntis - Lysengrat - Rotsteinpass - Meglisalp - Seealpsee -Wasserauen
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Wasserauen
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Wasserauen
Kartennummer:LK 1115 Säntis (1:25.000)

Die Altenalptürm haben mir keine Ruhe gelassen. Vor gut 2 Wochen hatte ich mit Berglurch die Überschreitung aller Türme von Ost nach West versucht - früher ein beliebter Alpstein-Klassiker, entspricht diese luftige Gratkletterei in zumeist brüchigem Gestein offenbar nicht mehr dem Geschmack des "Plaisir-Bergsteigers" der heutigen Zeit und weist im Schnitt nur noch 2-3 Begehungen pro Jahr auf. Unsere Aktion wurde schlussendlich vom (Föhn-)Winde verweht, wir erreichten zwar Ost- und Mittelgipfel, die Überschreitung des Grats blieb uns jedoch verwehrt - und damit auch der Zugang zum einmaligen Gipfelbuch von 1972, welches auf dem westlichsten, vorgelagerten Turm deponiert und somit nur über den sehr exponierten Felsgrat zu erreichen ist. 

Bei exzellenten Bedingungen startete ich erneut in Wasserauen, nach gut 1,5 h war der Einstieg in die Normalroute zum Mittleren Altenalpturm erreicht. Am besten steigt man vom Säntisweg auf einer Höhe von ca. 1840 m geradewegs über die Gras-Schrofenhalde zum Felsriegel zwischen Mittlerem und Westlichem Turm auf, bis eine ca. 3 m hohe Wandstufe mit auffälligem (mundartig gebogenen) Rasenband darunter erreicht ist (T4-T5, je nach Routenwahl). Die Wandstufe (T6, II) verlangt vor allem im Abstieg etwas Konzentration, das Gelände ist sehr abschüssig und ein allfälliger Sturz würde wohl frühestens auf dem Säntisweg enden. Danach wieder einfacher auf zwar steiler, aber gut gestufter Grasrampe direkt zum Gipfel des Mittleren Altenalpturms, mit 2033 m der höchste Punkt des drei-bzw. viergipfligen Berges. 

Der Übergang vom Mittleren zum Westlichen Turm (P. 2019) ist technisch einfach, aber -wie fast die gesamte Überschreitung des Grats- sehr exponiert (T5). In einem ersten (abfallenden) Abschnitt ist der Grat messerscharf, ich wählte hier in Auf- und Abstieg das nordseitige Rasenband, das wohl in den meisten Fällen vorzuziehen ist (ausser man ist scharf auf den "Kick", wie ein Seiltänzer -ohne doppelten Boden- über dem Abgrund zu schweben...). Infolge der Regen -bzw. Schneefälle der vergangenen Tage war der Boden jedoch noch etwas feucht und das schmale Band, auf dem unterhalb des Felsgrats travesiert werden kann, war teilweise schneebedeckt. Somit verlangte auch dieses eigentlich gut begehbare Rasenband erhöhte Aufmerksamkeit. Weiter auf oder knapp unterhalb des Grats (begehbare Bänder teils auf der Nord-, teils auf der Südseite) erreicht man einen brüchigen Kamin, durch den zu einer kleinen Scharte (dort rostiger Abseilring) abgeklettert werden kann. Nun sind es nur noch wenige Schritte in gutmütigem Gelände bis zum Gipfelbuch, das sich in einer Blechschatulle im Steinmann des vorgelagerten Turms befindet, von dem es nur noch senkrecht zum Lötzlisalpsattel hinuntergeht. Interessanterweise befindet sich das Gipfelbuch somit nicht am höchsten, sonder am hintersten Punkt der Überschreitung (wenn man diese in Ost-West-Richtung durchführt).

Das Schmökern im Gipfelbuch ist wahrlich ein Genuss! 38 Jahre Alpstein-Alpingeschichte sind darin konserviert - und was mich natürlich besonders freut, ist die Tatsache, dass viele Bergsteiger der Sektion Konstanz sich im Laufe der Jahre hier eingetragen haben. Viele bekannte Namen lese ich - ein ehemaliger Schulkollege ist auch darunter, er hatte die Überschreitung anno 1976 im zarten Alter von 7 Jahren (!) zusammen mit seinem Vater unternommen.

Bestimmt eine halbe Stunde sitze ich so gemütlich in der Sonne, blättere im Gipfelbuch und schwelge in der Vergangenheit. Da das zerfledderte, aber noch gut erhaltene Büchlein in den letzten Jahren so wenig Tageslicht erhalten hatte, hielt ich es für meine Pflicht, es ein wenig zu lüften und in die Sonne zu legen - bevor es womöglich für den Rest des Jahres wieder sein tristes Dasein in der dunklen Metallschatulle führen muss. Seit der Begehung durch ossi und Alpin_Rise am 28.08.2009 haben sich nur noch 3 weitere Personen eingetragen, mein Eintrag war erst der zweite in diesem Jahr! Wenn der Trend so weitergeht, wird dieser schöne und wilde Gipfel wohl bald von gar keinem Menschen mehr betreten - und das Gipfelbuch, das erst knapp zur Hälfte gefüllt ist, nie voll... :-( 

Nach vorsichtigem Rückweg zum Mittelgipfel steige ich auf der Aufstiegsroute zum Säntisweg ab. Es empfiehlt sich übrigens, Kraxeleien an den Altenalptürmen ausserhalb der Stosszeiten am Säntisweg durchzuführen, ist es doch bei dem vielen losen Material kaum zu vermeiden, Steine loszutreten, die unschuldige Alpsteinwanderer treffen könnten!

Über meine weitere Route zum Säntis via Lötzlisalpsattel - Öhrlisattel - Hoch Nideri braucht man wohl kaum grossartige Worte verlieren, wird dieser Abschnitt doch im Sommer Wochenende für Wochenende von Hunderten von Wanderlustigen heimgesucht. Einzig die Verhältnisse verdienen vielleicht eine Anmerkung: Ab dem Öhrlisattel befand ich mich im tiefsten Winter, nur die Temperaturen passten nicht so recht zu den üppigen Schneeverhältnissen. Mit Ausnahme einer kurzen Steilstufe zum Kar unter dem Girenspitz war der weiche Schnee jedoch kein Problem. In besagter Steilstufe war der Altschnee unter der dünnen Neuschneeauflage hartgefroren, es ging jedoch noch gut ohne Pickel (den ich aus Gewichtsersparnisgründen zuhause gelassen hatte). Der Ausstieg auf den Kamm zwischen Säntis und Girenspitz erfolgte in die kleine Scharte direkt am Fusse der "Himmelsleiter". Im Winter bzw. bei viel (Alt-)Schnee ist diese Variante dem Ausstieg zum Girensattel vorzuziehen, wo man sich oft durch eine meterhohe Wächte kämpfen muss. Im Hochsommer hingegen ist "meine" Ausstiegsvariante von oben abgesperrt und mit dem Hinweis "kein Abstieg!" versehen. Im letzten steilen Couloir vor dem Ausstieg in die Scharte hängt ein dickes Fixseil herunter, dass bei den derzeitigen Verhältnissen kaum benötigt wird, bei Vereisung aber hilfreich sein dürfte.

Auf dem Säntis (2502 m) dann der übliche Kulturschock. Ohne über Los (sprich, die Aussichtsterrasse, von der die versammelten Touris bereits meinen gesamten Aufstieg begafft hatten) zu gehen, stürme ich mit beherztem Doppelstockschub weiter Richtung Lysengrat. Von oben werde ich von übermütigen Rentnern mit Schneebällen beworfen, gezielt und mit voller Wucht! Wirklich unfassbar, was hier für ein Pöbel regiert - nur schnell weg von diesem wohl schrecklichsten Gipfel des Alpsteins!!

Der Lysengrat ist immer ein Erlebnis: Eindrücklich wurde hier einst ein Steig in eine von weitem schier unüberwindlich erscheinende Felsbastion gehauen. Dank der vorbildlichen Versicherungen mit Drahtseilen und Eisen ist dieser schöne Weg auch weniger geübten Wanderern zu empfehlen! Auch heute war der Steig trotz Neuschnee gut zu begehen, nur meine Beine meldeten sich langsam - knapp 2000 Höhenmeter und eine anstrengende Ausfahrt mit dem Rennvelo am Vortag forderten ihren Tribut. 

Daher war ich froh, als ich das gemütliche Berggasthaus am Rotsteinpass erreicht hatte, mittlerweile hatten die üblichen Quellwolken leider alles verhüllt und mir so jegliche Aussicht genommen. Ich gönnte mir eine Portion Rösti und einen Saft, um frisch gestärkt das letzte Stück meiner Alpsteinrundtour in Angriff zu nehmen. Auf dem Abstieg vom Rotsteinpass reicht der Schnee noch bis fast zu den Hütten von Spitzigstein und ermöglicht so eine kraft- und gelenkschonende Rutschpartie. Der weitere, landschaftlich sehr schöne Abstieg über die Meglisalp zum Seealpsee und zuletzt das stotzige Fahrsträsschen nach Wasserauen zog sich hingegen doch ziemlich in die Länge.

Tour im Alleingang


      


Tourengänger: marmotta


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Kommentare (4)


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laponia41 hat gesagt: Gratuliere
Gesendet am 26. Juni 2010 um 08:43
zur gelungenen Tour und zu den eindrücklichen Fotos!

Gruss
Peter

marmotta hat gesagt: Danke!
Gesendet am 26. Juni 2010 um 21:35
Es war wirklich eine herrliche Tour - und der nochmalige Abstecher zu den Altenalptürm hat sich, nicht nur wegen des sehens- und lesenswerten Gipfelbuchs, sehr gelohnt!

Ein Massenansturm auf die Gipfel der Altenalptürm ist wohl auch in den nächsten Jahren kaum zu erwarten, wenngleich es schön wäre, wenn das alte Gipfelbüchlein mal wieder mit etwas Leben erfüllt würde...

Beste Grüsse

Michael

Zaza hat gesagt:
Gesendet am 26. Juni 2010 um 21:31
gut gemacht, bravo! Sehr vernünftig, die Aktion Weisstannen-Calfeisen-Flims aufzuschieben...damit ich dann mittun kann ;-)

Gruess, zaza

maawaa hat gesagt: Übermütige Rentner...
Gesendet am 27. Juni 2010 um 08:22
" Von oben werde ich von übermütigen Rentnern mit Schneebällen beworfen, gezielt und mit voller Wucht! "

Das ist wirklich nicht zu fassen! Was für ein Pack! Du hättest ihnen ihre Gondelbillets wegnehmen sollen... ;)

Viele Grüsse..
Marco


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