Darf man eigentlich über Bergerlebnisse berichten, die schon knapp ein Jahrzehnt zurückliegen? ( das genaue Datum habe ich leider nicht schriftlich fixiert und somit schlicht und ergreifend vergessen. Das oben im Kopf angegebene Datum ist natürlich nicht richtig, weiß aber nicht, wie ein Bericht OHNE Datum gespeichert werden kann??!!)
Bin diesbezüglich noch ein relativ "frischer" hikr-Schreiberling und etwas unsicher, ob solche "olle Kamellen" überhaupt angesagt sind?! Die schlechte Qualität der Fotos bitte ich zu entschuldigen, damals wurden noch analoge Bilder bzw Dia`s fotografiert und die Digitalisierung läßt doch "etwas" zu wünschen übrig!
Endlich hatte die monatelange Warterei ein Ende, in meinem Bergfreund Frank und mir blubberte das heiße Bergsteigerblut in allergrößten Blasen oder wie wir im flachen Münsterland zu sagen pflegen: wir waren heiß wie Frittenfett.
Dementsprechend sah auch unser Sommerprogramm aus:
zum Einlaufen das Doldenhorn, danach auf`s Bietschhorn, anschließend "rüberrutschen" hinauf zum Aletsch und zum Abschluß nochmal "eben" das Lauteraarhorn mitnehmen. Wie das halt so ist bei ambitionierten Bergsteigern...... aber so anspruchsvoll wie unser Programm, war auch das Wetter und so kam alles, wie es kommen mußte.... nämlich ganz anders!
Zunächst aber lief alles wie geschmiert, ein lockeres Einlaufen hinauf zur Doldenhornhütte mit dem Gefühl in diesem Bergjahr gut drauf zu sein. Naja, kein Wunder, war man doch nur gerade mal 2 Stunde 15 Minuten unterwegs, denn die Hütte liegt auf 1915m. Da waren die 1730 Höhenmeter am näxten Tag zum Doldenhorngipfel hinauf schon ein ganz anderes Kaliber, wir schnauften ordentlichst und das Gefühl, gut drauf zu sein, verflüchtigte sich im Nullkommanix. Fix und fertig wie gebacken Brot kamen wir am Gipfel an, unfähig auch nur einen Moment die tolle Aussicht genießen zu können. Aber das gehört wohl zum Leben eines ambitionierten Bergsteigers dazu..... dachten wir uns in diesem Moment. Immer schön bis zum Anschlag hinaufkämpfen..... und abends schon beim 2. Bier vor Müdigleit ins Bett fallen.
Sanftes akklimatisieren sieht wahrlich anders aus, aber wir hatten ja Pläne und die wollten wir auch verwirklichen!
Nun also stand auf unserm allerliebst ausgetüftelten Plan das Bietschhorn.
Leider hatte der Master of Disaster den kleinen, aber nicht unwichtigen Satz im Gebietsführer überlesen, das die Bietschhornhütte NUR an Wochenenden bewartet und bewirtschaftet ist und somit fing schon nach 4,5 Stunden Aufstieg zur Hütte unser Unternehmen an, nicht so zu verlaufen, wie wir es eigentlich geplant hatten. Der geneigte Hikr-Leser stelle sich die Situation vor, nach 4,5 Stunden ordentlich geflossenen Aufstiegsschweiß kommt man mit einem gehörigen Bierdurst zur Hütte und:
1. ist kein Hüttenwirt vor Ort, das heißt
2. gibt es kein Bier,
3. keine Warmverpflegung,
4. noch nicht mal kalte Verpflegung,
5. dafür gibt es etwas blank liegende Nerven und
6. gleichzeitig den Start einer etwas "lebhaft" geführten Diskussion. Es gibt optimalere Startbedingungen für eine nicht unanspruchsvolle Bergtour.
Nachdem wir uns wieder etwas beruhigt hatten und die blanken Nerven weggepackt waren, wurde beschlossen, daß ambitionierte Bergsteiger sooo schnell nicht aufgeben und wir trotzdem das Unternehmen Bietschhorn fortsetzen. Und siehe da, plötzlich und unerwartet tauchten von anderen Bergsteigern zurück gelassene Uralt-Nudeln auf und wenn auch das Verfallsdatum schon einige Zeit zurück lag, in der Not frißt der Teufel bekanntlich sogar......Uraltnudeln. Das Grummeln in der unteren Magengegend eine Weile später wurde geflissentlich überhört und wir redeten uns ein, selten solch leckere Nudeln gegessen zu haben
Laut Wetterbericht sollte der folgende Tag noch "einigermaßen" stabil sein, eine Störung lag jedoch schon im Anflug und würde für die darauffolgenden Tage nicht geradeTourenwetter mit sich bringen.
Der Wecker klingelte gegen 03.00 Uhr, endlich hatte die nächtliche Wälzerei ein Ende und wir konnten mit unserem, natürlich erfolgreichen, Bietschhornabenteuer beginnen.
Das Frühstück fiel auf Grund fehlender Masse etwas karg aus, statt Brot nur ein paar Kekse, und gegen das schlechte Gewissen dann doch noch etwas Gesundes: 1 Müsliriegel. Bin zwar auf den Hütten nie der Frühstückskönig, aber das eine oder andere "Bütterchen" hätte wohl noch Platz in WoPo`s Bäuchlein gefunden. (die Nudeln vom Vorabend waren erstaunlicherweise doch von Bauch und Magen akzeptiert worden).
Gegen ca 04.15 Uhr ging es los, natürlich in finsterster Nacht, nur unsere Stirnlampen leuchteten etwas hektisch in der Gegend herum. Obwohl wir uns das erste Stückchen des Weges am Abend zuvor noch angeguckt hatten, wurde die Wegfindung hinauf zum Bietschjoch (3174m) doch recht schnell anspruchsvoll. Schlußendlich konnte diese Hürde dann aber einigermaßen souverän genommen werden. Nur die im Führer veranschlagten 1,5 Stunden konnten wir nicht einhalten und schenkten uns eine Zugabe von 15 Minuten.
Danach ging es leicht den Gletscher hinab in Richtung Osten und unterhalb des Schafbärgs eine Mulde umgehend in einem großen Linksbogen zum Fuß des WSW Felsgrat.
Mittlerweile waren wir schon eine ganze Weile (3 - 3,5 Stunden) unterwegs und wie so oft, wenn man konzentriert geht, trugen wir immer noch die Stirnlampen, obwohl die Nacht schon längst ade gesagt hatte. (Ich habe schon mal am Arbengrat bis in den späten Vormittag hinein die Stirnlampe am Kopf gehabt, vor lauter Konzentration und Wegsucherei. Sieht auf Fotos dann recht seltsam aus, bei Sonnenschein die Stirnlampe zu tragen)
Dieser neue Morgen kam jedoch als ein unkooperativer Geselle daher. Es zogen Wolken auf, aber keine lustigen und freundlichen Sommerwölkchen, sondern Spielverderber, die sich ausbreiten und groß werden wollten bis zu einer geschlossenen Wolkendecke.
Erwähnte ich schon, das es sich bei diesen beiden Herren um ambitionierte Bergsteiger handelt??!! :-))
Deshalb ließen wir uns natürlich auch von solchen "Wolkenspielchen" nicht ins Boxhorn jagen und machten uns auf, über Schutt und Blöcke hinauf zu einem markanten Turm zu gelangen.
Der leichtere Felsgrat lag nun hinter uns und der ideale Zeitpunkt, anzuseilen, vor uns. Aber entweder hatte ich innerhalb von Minuten einen Wahnsinnsschuppenanfall bekommen, oder aber die ersten Schneeflocken fielen vom Himmel. Da meine damalige (und heute leider nicht mehr vorhandenen) Lockenpracht warm verpackt unter meiner Mütze steckte, konnte nur Frau Holle die Schuldige sein. Normalerweise kommen dann fast schon weihnachtliche Gefühle beim Anblick von Flockenfall auf, jedoch am Südwestgrat des Bietschhorn hätte ich mich diesbezüglich schon arg zu zwingen müssen. Nach einigen Minuten fröhlichen Flocken fallens, war auch den ambitionierten Bergfreunden klar, das es hier und heute nichts mehr zu gewinnen gab.... höchstens noch den warmen Ofen in der Bietschhornhütte (den wir natürlich bei der Rückkehr zunächst einmal wieder wärmefertig machen mußten...dolle Aussichten!!)
Der Rückweg verlief recht schweigsam, anspruchsvolle Touren unbeendet abbrechen zu müssen, gehört nicht zu meinen Spezialitäten
Der Rest dieses Bergsommers ist schnell erzählt:
1.)laange Latscherei zum Mittelaletschbiwak
2.) Besteigung des Aletschhorn bis zum Vorgipfel, dann Abbruch wegen Höhensturm
3.) laange Rücklaaatscherei zum Bettmerhorn
4.) Steigerung von laaaaanger Laaaaatscherei, in dem man vom Grimselpass zum Lauteraarbiwak wandert (ca 7 Stunden, gefühlte 15 Std, in einer sehr einsamen Gegend)
(vielleicht aber auch nur deshalb einsam, weil alle anderen Berggänger schlau waren und sich den aktuellen Wetterbericht eingeholt hatten;.... wird von ambitionierten Berggängern schon mal vernachlässigt!!!!)
5.) Abbruch der Besteigung des Lauteraarhorns, ca 100m unterhalb des Firnsattels auf 3800m, auf Grund von Schneefall. Nachdem wir uns 2 Std später wieder auf dem Strahleggletscher befanden, verflüchtigten sich die Wolken und blauer Himmel samt dazugehöriger Sonne kam zum Vorschein (im wahrste Sinne des Wortes!)
6.) Übellauniger und muffeliger WoPo laaaaaaaascht zurück zum Grimselpass und schwört sich, N I E wieder ein ambitionierter Bergsteiger sein zu wollen!!!
7.) Flucht in die Münsterländer Flachlandregionen mit gleichzeitigen Gedanken, alle Bergsachen verkaufen zu wollen.....
Am selben Tage baute sich ein super stabiles Schönwetterhoch über die Berner Alpen, ach was schreib ich, über die gesamte Schweiz auf und sämtliche Tiefdruckgebiete Europas machten in darauffolgenden 3 ! Wochen einen großen Bogen drum rum!!!!
Nachsatz:
Ein kleiner, bescheidener und nicht ambitioniert sein wollender Bergsteiger fuhr auch 2001 wieder in die Schweiz.... diesmal ins Wallis, aber das ist eine andere Geschichte!
Am Bietschhorn bin ich seitdem nie wieder gewesen......
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