Chemin de Saint Jacques - Yenne à Les Abrets

Eine Nacht auf dem Campingplatz

Noch Zuhause habe ich die Wegstrecken auf der Karte angesehen. Dabei ist mir aufgefallen, dass genau diese Strecke heute rund 15 km durch den Wald verläuft. Von Yenne steigt der Weg schnell an, da gesamthaft bis kurz unterhalb des Mont Tournier rund 640 Höhenmeter zu überwinden sind. Es ist ein wunderschöner Tag, die Sonne lacht und im Wald ist es angenehm kühl. Dieser Weg ist zu vergleichen mit dem Jura Höhenweg. Hier hat man eine prächtige Aussicht über die Rhône Ebene 600 Meter unterhalb. Durch den Wald führt ein breiter Wanderweg, der gerne auch von Mountainbike Fahrer benutzt wird. Colette, hier kann man noch nach Herzenslust biken und sich austoben, nicht wie in Österreich oder Deutschland wo alle Waldwege mit einem Fahrverbot belegt sind! Denn hier fährt der König noch Fahrrad. ;o) Die Vögel zwitschern wie wild und geben ein grandioses Konzert. Gerne hätte ich ein paar Vogelstimmen aufgenommen, vielleicht komme ich ja noch dazu.

Kurz nach dem Mont Tournier treffe ich einen anderen Pilger. Wir haben uns schon vergangenen Abend kurz und flüchtig kennen gelernt. Während dem Gehen erzählt er mir viel über Spinnmaschinen und die lokale Industrie seiner Heimatgegend. Wir unterhalten uns ausgezeichnet und ich lerne ihn ein wenig kennen. Etwas beeindruckt mich doch sehr! Er ist schon von drei verschiedenen Seiten nach Compostela gewandert. Aber er spricht gerade mal eine Hand voll Worte Spanisch und Französisch. Ich glaube, dies hingegen könnte ich nicht. Auch wenn meine Sprachkenntnisse etwas eingerostet sind, so bin ich doch bemüht die Sprache meines Gastlandes zu verstehen und zu sprechen. Aber das Unglaubliche ist, er schlägt sich trotzdem ohne allzu grosse Schwierigkeiten durch. Vielleicht ist er einfach ein Stück weit ein Lebenskünstler.

In der Gegend von St-Genix-sur-Guiers wechselt die Rhône die Richtung und fliesst ein Stück weit gegen Norden. So wandere ich jetzt über Kilometer Schnur gerade dem Fluss Guiers entlang aber eben in südlicher Richtung. Eigentlich habe ich heute als Tagesziel Les Abrets. Es ist bereits vier Uhr am Nachmittag und ich realisiere, dass ich trotz dem frühen Start in Yenne zu langsam unterwegs bin und mein Ziel um sechs Uhr wohl nicht erreichen werde.

Ich muss mich hier in Frankreich erst noch an einige Dinge gewöhnen. Man findet nicht einfach in jedem Dorf ein Hotel oder ein Restaurant mit Zimmer. Die Orte sind eher klein und ich komme an vielen Weiler vorbei mit nur gerade sechs bis acht Häuser. Im Pilgerführer sind die Unterkünfte angegeben. Aber viele Unterkünfte scheint es wirklich nicht zu geben. In Les Abrets z.B. scheint es nur gerade ein Chambre d’hôtes mit vier Betten zu geben. Zu beachten ist, dass Les Abrets weit herum der grösste Ort ist und rund 2700 Einwohner zählt.

So übernachte ich Ausnahmsweise auf einem Campingplatz mit Cabins. Ohne Zelt ist das ja eine gute Sache, wie ich schon in Neuseeland positiv kennen gelernt habe. Hier aber habe ich wohl etwas Pech! Ein Cabin mit Dusche, Toilette und HP kostet 67 Euro. Ohne Dusche und Toilette kostet es  immer noch 37 Euro. Um ein paar Euro zu sparen entscheide ich mich für die günstigere Variante. Dieser Zeltplatz ist aber nicht gerade das Gelbe vom Ei. Mein Cabin hat durchgelegene Matratzen, die Wolldecken scheinen noch aus einem Weltkrieg zu stammen, die Türe kann man nicht abschliessen und es riecht etwas muffig. Naja gut, ich bin ein einfacher Mensch und wenn ich erst einmal heiss geduscht habe, sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Ich konnte zum Voraus aber nicht wissen, dass ich heute Abend kalt duschen werde, da auf diesem Campingplatz heisses Wasser wohl Mangelware zu sein scheint!

Dafür habe ich beim Abendessen etwas mehr Glück. Ich treffe auf ein Pärchen aus der Schweiz die ebenfalls den Jakobsweg laufen und wir haben sehr gute Gespräche über das Pilgern, die Unterkünfte, die Hunde am Wegesrand und vieles mehr.

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