Rifugio Sponda


Publiziert von tschiin76 , 26. Oktober 2009 um 16:34.

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Bellinzonese
Tour Datum:24 Oktober 2009
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: Gruppo Madöm Gross   Gruppo Pizzo Barone   Gruppo Pizzo Campo Tencia   CH-TI 
Aufstieg: 1200 m
Abstieg: 1200 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit ÖV nach Chironico
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Mit ÖV von Chironico via Lavorgo nach Faido
Unterkunftmöglichkeiten:Rif. Sponda, Gruppenunterkunft in Doro

Herbstwanderung ins Val Chironico und zum Rifugio Sponda

Samstag

Wir nehmens gemütlich und daher erst die zweite Möglichkeit des Tages, von Zürich her anzureisen.
Uns bleibt genügend Zeit aufzusteigen, auch wenn die Tage schon deutlich kürzer sind als im Sommer.

  Wir erreichen gegen Mittag Chironico, unsere Mitreisenden sind bestens von Henrik beschrieben. Irgendwie kam er mir schon in Lavorgo bekannt vor, und als er dann noch in breitestem Baslerdialekt redete, war ich mir fast sicher, dass das ein hikr ist. So habe ich doch auch einmal jemanden der community getroffen!

Nach Ein- und Umpacken nehmen wir den Aufstieg in Angriff. Erst führt uns der Weg durch das schattige untere Val Chironico, bis nach ca. 1.5km der Weg abzweigt und es ganz nach Tessiner Manier einfach nur noch im Zickzack hinauf geht. Bald sind wir in der Sonne, der Weg ist mal wieder einfach nur bewundernswert gepflastert und rasch erreichen wir Sgnoi und nach 1.5h Cala, ein wirklich sehr schön zurecht gemachter Weiler.
Wie Sheperd schon im September geschrieben hat, Cala ist mit einer Materialseilbahn bestückt, alles was Beine hat, muss die 700hm hinauf- oder hinuterlaufen.
Wir machen eine halbe Stunde Pause bei wärmstem Sonnenschein und tiefblauem Himmel. Es ist einfach nur herrlich und wir tanken richtig auf.

Dann mache ich die Entdeckung, dass der mir bekannte (alte) Zustieg - der ziemlich kurz nach Cala rechts den Hang hinauf in den Wald abzweigt - anscheinend nicht mehr unterhalten wird (die Zeichen sind zwar noch sichtbar aber mit weisser Farbe übermalt und der Weg wohl in einigen Jahren so überwuchert, dass man ihn kaum noch findet) und dass stattdessen der Weg Richtung Piano del Ör nun die Hauptroute ist. Nun gut, bei mir auf der Karte geht dieser Weg aus, aber im Gelände ist er gut markiert und sichtbar.
Bei P.1828 trifft er auf den Weg, der von Doro her kommt und schlängelt sich nun durch wunderschönen lichten Lärchenwald zur Alpe Sponda.
Da wir befürchten, dass wir bei der Hütte kein Wasser mehr haben, kratze ich den letzten Rest Altschnee hinter einer Ruine zusammen, nur um dann bei der Alpe angekommen erleichtert festzustellen, dass der Brunnen noch reichlich Wasser hergibt und es auch direkt neben dem Rifugio weiter oben einen laut rauschenden Bach hat..so gibt es glücklicherweise Wasser ohne Nadeln... :-)

Die Alp ist menschenleer aber anscheinend noch nicht verlassen, es riecht nach kaltem Rauch und ganz in der Nähe grasen Pferde.

Nach rund  2:45h erreichen wir unsere quadratische Unterkunft.
Die Hütte selber ist originell, die aussen hingepeppte Betonveranda weniger, ich kann mir aber gut vorstellen, dass es im Sommer schön sein muss, dort den Abend zu geniessen.

Nachdem wir die letzten Sonnenstrahlen genossen haben - es ist immer noch erstaunlich warm - heizen wir den Ofen ein (2 Minuten Rauch, bis der Abzug warm ist)  und machen es uns gemütlich mit Decken, Wein und Tee, denn etwas ausgefroren sind wir nun doch.
Bald schon treffen noch 2 Tessiner Jäger mit Hunden und eine Strassbourger Familie ein, insgesamt sind wir also 9 Nasen.
Leider wird der Rauch im Aufenthaltsraum nicht weniger, was allerdings nichts mit meinen Feuermachkünsten zu tun hat sondern mit der Tatsache, dass irgendwer Öl auf den Ofen gekippt hat und wir nun dieses den ganzen Abend verbrennen und dass der Raum so gut wie nicht gelüftet werden kann, da irgendwer der Sektion Chiasso des SAT die super Idee hatte, sämtliche Fenster mit undurchsichtigem Plexiglas winterfest zu machen.....So haben wir so gut wie keine Chance auf klare Sicht in die Tessiner Bergwelt und nach schlimmer: keine frische Luft.....
Bekanntlich gewöhnt man sich an vieles und so wird uns unsere Rauchkammer erst wieder bewusst, sobald wir mal kurz raus gehen und wieder reinkommen...
Draussen ist es fast wärmer als in der Hütte (zwar mit Holz verkleidet aber aus Stein), zur Nacht müssen wir uns dann aber trotzdem etwas einkuscheln. Der Bach rauscht uns in den Schlaf..
 
Sonntag

Da wir gestern schon beschlossen haben, nicht wie geplant über den Pass ins Val Vegorness zu laufen, nehmen wirs abermals gemütlich.
Der Ölrauch hat sich zum Glück über Nacht verflüchtigt, Nachfolgende sollten damit kein Problem mehr haben.
Nach dem Zmorge Buffett machen wir uns an den Abstieg.
Bei der Alp treffen wir auf den Hirten, welcher es sichtlich geniesst, mit uns zu plaudern. Er ist verantwortlich für die 8 Pferde und den Riesenesel (so ein Tier habe ich noch nie gesehen, erst glaubte ich, das sei ein Pferd (von weitem) und dann konnte ich kaum glauben, dass das ein reinrassiger Esel sein soll) sowie ca. 70 Ziegen, die irgendwo verstreut auf der Alp unterwegs sind.
  Etwas weiter unten finden wir sein verletztes Huhn, das anscheinend von einem Jagdhuhn (Blödsinn, natürlich Jagdhund..) erwischt wurde am Abend zuvor und das der Hirt schon abgeschrieben hatte.
Vor lauter Angst kackt es mir die Hose voll, als ich es zur Hütte hinaufbringe. Der Hirt ist ausser sich vor Freude, dass er sein Huhn wieder hat, dieses kriegt Desinfektionsmittel und ein Aspirin und ich 3 Eier als Dank! Die schleppe ich dann die ganzen 1200hm in der Hand ins Tal runter und 3h mit dem Zug nach Hause...Sie sind heil angekommen...!
  Wir steigen weiter ab, nun Richtung Doro und treffen schon bald den einen Jäger wieder. Dieser führt uns quasi den ganzen Abstieg weiter ins Jagen ein - am Abend zuvor haben wir schon einiges mitbekommen und viele Fragen gestellt -, wir erfahren interessante Dinge.
Der Wald ist herbstlich, es ist sicher 20 Grad warm und die Sonne scheint von einem wolkenlosen Himmel. Der Weg ist schlecht markiert und teilweise nur noch ein Trampelpfad, 2 mal hätten wir ihn fast verloren.
Wir kommen nach Doro, werden noch zum Kaffee eingeladen und machen uns schliesslich auf Richtung Ces. Wir biegen aber vorher ab und erreichen Olina.
  Wir sehen: wie gewohnt Ruinen und renovierte Hütten und.... eine Jurte. Schön thront sie über der Leventina, ein super Platz.
Im Zelt wohnen junge Aussteiger, vor dem Zelt liegen kiloweise Marroni zum Trocknen, eine Frau mit einem kleinen Kind kauert vor dem Eingang. Vor lauter Stoff sind die beiden kaum zu sehen. Unser Gruss wird nicht erwidert, im Gegenteil, ich habe fast das Gefühl, dass die beiden am liebsten ins Zelt geflüchtet wären.
Staunend über so ein Leben gehen wir weiter. 200hm weiter unten treffen wir laut Jäger auf den Vater des Kindes, der dabei ist, einige Pferde zu satteln. Er erscheint mit wie aus einer anderen Welt, seine Kleider alt, verbraucht und schmutzig, er redet aber wenigstens ein paar Sätze mit uns, bevor wir weitergehen.
Der Weg führt durch einen wunderschönen Birkenwald und was wir dann zu sehen bekommen lässt uns noch mehr staunen: sind wir ins 18. Jahrhundert katapultiert worden? Uns entgegen kommen zwei Gestalten mit 5 Pferden und einem Hund, in Lumpen gepackt (sorry, ich kann es nicht anders sagen), um den Kopf ein Tuch geschlungen, darunter schauen lange Rastalocken hervor. Der Mann ist mehr als dünn, die Frau mit sehr roten Backen. Sie hasten an uns vorbei, als ob es einen Wettstreit zu gewinnen gäbe, die Pferde sind klitschnass, auf ihren Rücken haben die beiden sowas wie Fellstücke befestigt. Ich weiss nicht, was die beiden gemacht haben, vielleicht waren sie Marroni sammeln?
All diese Eindrücke haben uns noch lange beschäftigt, v.a auch, weil man so eine Lebensweise nicht unbedingt in der Schweiz erwarten würde. Aussteigen ist ja schon ok, aber ob die ihr Leben geniessen können? Sie sahen recht gestresst und ausgemergelt aus, einbisschen erschrocken bin ich schon....

Rechtzeitig aufs 14 Uhr Postauto erreichen wir Chironico. Die ganze Heimfahrt noch sprechen wir über die heutigen Begegnungen.



Verhältnisse


Trocken und schneefrei bis ca. 2200m, darüber max. 20cm Schnee, stellenweise vereist (lt den Jägern).
Schneeschuhe sind momentan noch nicht hilfreich, für die Passüberquerung sind Steigeisen und Pickel nützlicher.

Das Rif. Sponda
ist tiptop eingerichtet, es gibt sogar Milch im Tetrapack! Ausserdem ist einiges an Grundnahrungsmittel vorhanden nebst Tee, Zucker, Salz, Wein und div. Getränkedosen.
Das Wasser ist abgestellt, der Bach aber gleich neben der Hütte. Das Licht geht noch, ich weiss aber nicht, ob das den ganzen Winter über so ist. Kerzen hat es ebenfalls genug.
Der einzige offene Schlafsaal (24 Plätze) ist mit Steppdecken ausgestattet.
Das ital. Klo (Stehklo) kann mit Frostschutzmittelwasser gespült werden.

Tourengänger: tschiin76
Communities: Ticino Selvaggio


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Kommentare (3)


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Henrik hat gesagt: Während die einen hikr.s
Gesendet am 26. Oktober 2009 um 19:44
sich in Ardez durch den Schnee wühlten, trafen sich andere Community-Members in Lavorgo...Danke für die Wahrnehmung des Dialektes..und fürs kurze Gespräch.

Zwischen Ces und Chironico in Frec staunten wir auch über die dortige Jurte und den "corral"-runden, gepflegten Garten (siehe Bericht Ces von mir). Wir begegnetem niemanden, riefen laut herum..nichts rührte sich, und doch glaubten wir Menschen nahe zu sein!

Feine Berichterstattung mit viel Witz.

Seeger hat gesagt: Rif Sponda
Gesendet am 27. Oktober 2009 um 09:06
Ciao Tschiin76
Du hast so ziemlich alles erlebt, was es in dieser Gegend zu erleben gibt. Super beschrieben und bebildert.
Mir ist's, als wäre ich wieder droben gewesen.
Die Pferde, die Schafe, die Hirtin, die Jäger, die überdimensionale Terrasse, die riesige Hütte und wenige Besucher. Alles ganz speziell.
Toll, dass Du Menschen nicht verurteilst. Mitleid? Staunen! Ich mag sie so wie sie sind.
Cari saluti
Andreas

tschiin76 hat gesagt: RE:Rif Sponda
Gesendet am 28. Oktober 2009 um 08:48
Tja,es war wirklich ein ganz spezielles Wochenende...


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