Versuch Nord-Süd-Überschreitung des Elbrus (5642 m) – höchster Berg Europas


Publiziert von ju_wi , 28. August 2009 um 10:00.

Region: Welt » Russland » Kaukasus
Tour Datum: 8 August 2009
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Wegpunkte:
Geo-Tags: RUS 
Zeitbedarf: 4 Tage
Aufstieg: 4150 m
Abstieg: 4150 m
Strecke:ca. 45 km
Unterkunftmöglichkeiten:- Nick's Hut auf der N-Seite (s.Fotos) - Zeltcamps
Kartennummer:Atlas "Sapadnij Kavkas"

In der 2. Woche unseres Kaukasus-Urlaubs steht als Höhepunkt der Tour die Überschreitung des HÖCHSTEN BERG EUROPAS von Norden an, dem Elbrus (5642 m), König des Kaukasus. Der Elbrus ist ein alter erloschener und stark vergletscherter Schichtvulkan, dessen 2 dominante Hauptkrater, die fast gleich hohen West und East Summits (ca. 20m Höhendifferenz), und so den charakteristischen Doppelgipfel des gewaltigen, kegelförmigen Bergs bilden. Neben dem Titel „Höchster Europas“ trägt der Elbrus auch den Titel des HÖCHSTEN BERG RUSSLANDS (Flächenmäßig immerhin 1,7 mal größer als Europa).

Der Elbrus, als einer der Seven Summits, wird wohl zu >95 % von S über die Normalroute bestiegen, auf der viel Infrastruktur vorhanden ist. Von N trifft man im Wesentlichen russische Bergsteiger, obwohl der N-Aufstieg immer populärer wird und auch immer öfter in den einschlägigen Tourenkatalogen ausländischer Anbieter Einzug hält. Wegen der klar schöneren Route von N und dem umfangreichen Trekking-Vorprogrammim Westkaukasus hatten wir genau diese Tour ausgewählt. Daneben lässt sich der Elbrus aber auch von O oder W besteigen, wobei der W-Aufstieg (wir trafen im Ulluchursuk-Tal eine Expeditionsgruppe, die von W aufsteigen wollte) über höhere Felsabbrüche und –wände mit Abstand am anspruchsvollsten ist.

Nach [Querung zweier Pässe] und Fahrt zum Zeltcamp verlassen wir morgens gegen 6 Uhr 30 nach einer gewittrigen Nacht unsere Zelte und blasen zum Aufbruch Richtung Elbrus. Es nieselt leicht, aber das Wetter ist nicht ganz so garstig wie befürchtet. Wir müssen uns im Aufstieg durch die unten noch grasigen Hänge nach und nach an das deutlich erhöhte Rucksackgewicht gewöhnen. Die höheren Bergzüge vor uns sind alle von den Gewittern der Nacht mit einer pudrigen Neuschneedecke überzogen. Zum späten Vormittag wird das Wetter aber zunächst etwas besser und die Wolkendecke hebt sich sogar etwas über 4000 m. Den Elbrusgipfel sehen wir an diesem Tag allerdings nicht.

Der Anstiegsweg führt langsam und eher monoton die vor uns liegenden Bergschultern hinauf. Mit zunehmender Höhe nimmt natürlicherweise der Bewuchs des Bodens ab Ab ca. 3300 m herrscht steiniger oder geröllig-schuttiger Untergrund vor. Über die bis max. 3500 m Bergzüge zur Linken (Norden) können wir bald hinwegschauen und weiter ins Berglabyrinth nördlich des Elbrus. Das Gebiet sieht gut gangbar aus – es sind hier keine schroffen Formationen vorhanden. Oberhalb von 3600 m flacht das Gelände dann zunehmends ab und wir wandern zuletzt fast horizontal zur 3692 m hohen Passhöhe des Balkbaschi-Pass.
Auf dem Balkbaschi-Pass ist man ganz nah an den Gletscheraufläufern des nordwestlichen Elbrus. Man kann von hier auch über die Gletscherzungen in 3-4 Stunden zur Nick’s Hut queren, die wir am nächsten Tag von unten ansteuern wollen. Wir folgen stattdessen einer Trittspur, die im erdig-moränigen Hang oberhalb der Gletscher im Bogen nach N führt. Der Plan ist, mit diesem Weg, später einen Gletscherabfluss querend und über Gras zum Emanuel Glade Camp im NO des Elbrus auf 2560 m abzusteigen – und von dort den direkten N-Aufstieg zum Elbrus zu beginnen. Ich war von Anfang an nicht so begeistert von dieser Idee und hätte die Gletscherquerung zur Nick’s Hut mit Schlafhöhe auf 3740 m aus Akklimatisationsgründen vorgezogen – aber natürlich entscheidet die Gruppe.

Jedenfalls wandern wir in weitem Bogen wieder langsam Höhe verlierend in ca. 2 Stunden vom Pass zum Kisilkol-Fluss hinab. Victor, unser russischer Bergführer, kennt sich hier auch nicht so aus und sucht verzweifelt nach einem Übergang über den wildtosenden Gletscherabfluss, der durch die nächtlichen Gewitter und dem inzwischen wieder einsetzenden Regen stark angeschwollen ist. Rücksprache mit uns entgegenkommenden Russen lehrt uns, dass auf weite Strecken keine Brücke vorhanden sei – d.h. wir müssen diesen Fluss irgendwie queren. Victor startet einen Versuch, zieht sich bis auf die Unterhose aus und steigt in die Fluten. Doch schon nach 3 Schritten ist klar, dass das kalte Wasser zu tief ist – abgesehen von der starken Strömung. Er kehrt um – das ist bestimmt keine Option für die ganze Gruppe. Was nun? Langsam kraxeln wir in den moränig-erdigen Hängen den Gletscherabfluss weiter empor, um nach einer besseren Querungsstelle zu suchen – bzw. notfalls bis zum Ende der Gletscherzunge hinaufzusteigen und auf dieser zu queren.

Passend zur Stimmung der Gruppe hat inzwischen kalter Dauerregen eingesetzt, der uns durch Mark und Bein geht. En ganzes Stück steigen wir auf sehr mühsamem steinigem Gelände am Rand des Flusses weiter auf. Durch rutschiges Moränengelände mit steilen Hängen wird der Weg zunehmend schwieriger. Irgendwann haben wir die Gletscherzunge erreicht, die hier am Ende völlig mit Erde überzogen ist. Ihre Überquerung ist dennoch kein Spass, da wir durch das Eis unter Erde und Geröll immer wieder wegrutschen. Da das Gletscherende außerdem sicher 20-30 m Höhe über dem Bach erreicht, ist das Mannöver nicht ganz ungefährlich und wir sind erleichtert, als wir das andere Ufer erreichen.

Der Dauerregen hält weiter an. Wir sind nun zwar am anderen Ufer aber noch weit entfernt vom Camp. Zunächst wieder am Flusslauf stromabwärts, dann sehr lange im hohen Moränenseitenhang hinaufquerend kommen wir auf den Rücken Irachiksirt. Dieses grasbewachsene Plateau scheint sich endlos nach O auszudehnen und wir gehen sicher noch 1,5 Stunden fast flach, zuletzt etwas bergab, leider ruchweg im Regen, bis wir in der Ferne vor uns das Camp entdecken. Bald schon sehen wir, dass davor aber noch ein Fluss zu kreuzen ist. Glücklicherweise stellt sich beim Abstieg zu diesem Fluss aber heraus, dass bei einer Pferdeweide eine kleine Holzbrücke existiert. Nach Querung der Brücke müssen wir einen letzten Böschungshang hinauf und sind auf dem Weideplateau mit dem Manuel Glade Camp angekommen.
Beim Beziehen der schon aufgebauten Zelte bemerken wir, dass der Dauerregen einen Gutteil unserer Sachen durchnässt hat. Bei Margit und mir ist wohl das Schlimmste, dass die Hochtourenschuhe und Wandersocken innen nass geworden sind. Außerdem ist mein Daunenschlafsack im unteren Teil durchnässt. Letzteren kann ich aber zum Glück in der Wärterhütte des Camps mit kleiner Sauna über Nacht noch trocknen. Als Ersatz bekomme ich von den Russen einen anderen Schlafsack für die Nacht. Das Essen im Camp abends ist sehr gut und dem Anlass angemessen sehr fett. Überhaupt lernen wir mit Russlan, dem Leiter des Camps, eine sehr nette Person hier kennen.

Am nächsten Tag soll nun endgültig der Aufstieg zum Elbrus starten. Dazu steigen wir heute vom 2560 m hoch gelegenen Zeltcamp zu den Nick’s Hut (3760 m) am Gletscherrand auf. Hierzu wenden wir uns zunächst westlich, d.h. wieder in die Richtung, aus der wir gestern kamen, bleiben aber diesmal auf der dem Camp zugewandten Seite des Seitenflusses und steigen links im Hang eines schönen vom Fluss gebildeten kleinen Canyons auf. Der Weg führt schön ein Stück oberhalb des Flusses empor (T3) und biegt schließlich links weg vom Fluss. Weiter in einem eingekerbten Tal aufsteigend erreichen wir gut 200 m oberhalb des Camps schließlich erneut ein größeres, grasiges Plateau, das sogenannte Aerodrom. Das Aerodrom wurde in der NS-Zeit im Größenwahn von deutschen Soldaten als Landebahn von Flugzeugen benutzt, die in der Folge von dort den Elbrus bestiegen und die deutsche Flagge gehisst haben. Natürlich wurde dem schnell Einhalt geboten.

Nach Überquerung des gut 500 m breiten Aerodrom-Platzes führt ein gut erkennbarer Pfad einen steilen Moränenhang hinauf. Leider ist es inzwischen wieder am regnen und wir bewegen uns in Wolken mit null Sicht. Schnell werden im Hang erneut 200 Hm gut gemacht. Oben angekommen wenden wir uns an einer Weggabelung rechts und steigen über eine steinige Rippe (T3) stetig weiter empor. Durch den dichten Nebel ist nicht zu erkennen, was links und rechts der Rippe liegt. Nach einer weiteren Gehstunde macht der Weg inen Bogen nach rechts und ein weiteres kleineres Plateau wird gequert. Wir befinden uns inzwischen auf ca. 3500 m.

Hinter dem Plateau wird das Gelände nun deutlich mühsamer – es gilt eine Halde von großen Felsblöcken zu durchsteigen. Erstmal steil auf eine Rippe und hier noch in erkennbarer Trittspur auf dieser weiter empor kommen wir nochmals 100 Hm höher an den Rand einer Gletscherzunge. Statt wesentlich einfacher auf dem Gletscher weiter hinauf zu steigen, wenden wir uns hier links in einen sehr steilen Hang von Felsblöcken. Viele der Blöcke sind meterhoch und ihre Anordnung ist locker und instabil. Entsprechend mühsam und heikel kraxeln wir darin die verbleibenden Hm weiter hinauf, bis das Gelände flacher wird und wir das letzte Stück zur Nick’s Hut durch die Steinansammlung zurücklegen.

Nicolaj (bzw. Nick oder Kolja) begrüßt uns freundlich in seinem unwirtlich steinig-eisigen Reich. Die Nick’s Hut ist eine Ansammlung von Aluhütten, d.h. einem Haupthaus, in dem die „Bewohner“ hausen, einer größeren ca. 20 P. fassenden Rundhütte, sowie einer Hand voll kleineren „Hundehütten, die ungefähr den Raum eines 2-Mann-Zeltes bieten. Die Hüttenansammlung liegt am letzten Zipfel Steinbereich innerhalb der herabfließenden nördlichen Elbrusgletscher. Inzwischen schneit es hier oben. Wir ruhen uns etwas erschöpft und vom Regen erneut ausgekühlt in der Hütte in unseren Schlafsäcken erstmal aus und nehmen warme Getränke und Essen zu uns.

Ein paar Stunden nach der Ankunft klart die bis dahin dichte Wolkendecke dann doch noch auf und wir genießen schöne Stimmungsbilder in der Abendstimmung. Dennoch sind die Temperaturen dabei deutlich unter 0 Grad.

Inzwischen haben wir auch den Wetterbericht gehört – sowohl russisch, als auch aus Innsbruck. Der klingt für die nächsten Tage nicht gut. Es soll 10 Grad kälter als Saisonnorm bleiben und durchweg sehr stürmisch mit Orkanböen am Elbrus. Mittwoch wird sogar starker Niederschlag, d.h. ergiebiger Schneefall, vorausgesagt. Heute ist Sonntag, d.h. wir müssen Dienstag den Gipfelsturm versuchen. Das ist ein Tag Akklimatisierung weniger als geplant, denn die Nacht von So auf Mo ist unsere erste Schlafnacht über 3000 m! Eigentlich wären wir gerne Montags zur Akklimatisierung ein Stück aufgestiegen und hätten nochmals in den Nick's Hut geschlafen. Mit dieser Akklimatisation hätten wir Dienstag ein Hochlager auf 4600 m bei den Lents Rocks bestiegen und wären Mittwoch morgens früh die verbleibenden 1000 m zum Westgipfel aufgestiegen. Das geht so nun nicht.

Auch der Bezug des Hochlagers am Montag ist aufgrund der Orkanböen nicht möglich, da wir Gefahr liefen, dass es uns die Zelte wegreisst. Daher gibt es nur eine Strategie: Montag zur Akklimatisierung nutzen und wieder in der Nick's Hut auf 3740 m schlafen und Dienstag dann 1900 m aufsteigen bis zum Gipfel. Ein wilder Plan mit 1900 m Aufstieg in der Höhe, der uns allen etwas Respekt einflößt - aber es ist wohl die einzige Chance!

Also marschieren wir am nächsten Morgen (Montag) zum ersten Mal mit der Gruppe von der Nick's Hut auf den Gletscher. Es ist wie vorhergesagt sehr stürmisch und bitter kalt. Trotz guter Ausrüstung mit Daunenjacke und Winter-Hochtourenschuhen bekommen wir vor allem auf der eisigen, steinhart gefrorenen Gletscherfläche schnell kalte Füße. Sehr langsam – kommt mir fast zu langsam vor -  steigen wir ohne Steigeisen auf der harten, aber meist rauhen Schneeoberfläche auf dem Gletscher langsam empor. Zunächst queren wir ein recht flaches Gletscherstück, dann beginnt ein steilerer Abschnitt, an dem in der Soll-Linie in Abständen von 30 – 50 Hm kleine Fahnen zur Orientierung eingesteckt sind. Wir steigen aber nicht die direkte Linie auf, sondern steigen langsamer in weiten Zick-Zack-Bögen auf dem Gletscherhang bergan. Der Sturm pfeift schon brutal und nimmt nach oben hin noch zu. Auf gut 4300 m Höhe angekommen – d.h. knapp 600 m oberhalb der Hütte – erklärt Max die Akklimatisierungstour auch für beendet und stellt jedem frei, noch ein wenig höher zu steigen, oder eben zurückzugehen.

Es bilden sich nun verschiedene Grüppchen. Margit und ich schließen uns zunächst Max mit den beiden Toms an, die noch bis zu den Lent’s Rocks (4600 m) weitergehen wollen - der Ort, an dem wir laut Plan am nächsten Tag das Hochlager bezogen hätten. Etwas oberhalb 4400 m ist uns allerdings inzwischen doch im zunehmenden Sturm recht kalt und wir drehen langsam um. Wir genießen noch ein wenig die Aussicht und lassen uns mit dem Abstieg etwas Zeit. Da wir im Aufstieg nach oben hin doch immer häufiger auf eisigen Passagen ins Rutschen kamen, ziehen wir nun die Steigeisen an, um zu schauen, wie sich das im Unterschied anfühlt. Die Haftung ist natürlich besser, aber mit den Steigeisen werden die Füße doch noch etwas schneller kalt. Kurz vor der Hütte setzen dann bei mir Kopfschmerzen ein – die Höhe macht sich bemerkbar. Ich nehme ein Aspirin ein – aber die Kopfschmerzen bessern sich nur zögerlich. Wieder unten in der Nick’s Hut angekommen, zieht sich zum Nachmittag der Himmel wieder zu und es schneit wie am Vortag. Wir packen unseren Rucksack für den langen Anstiegstag. Erst nach Einbruch der Dunkelheit klart der Himmel langsam wieder auf und auch der Sturm legt sich – man darf auf den morgigen dedizierten Aufstiegstag hoffen!

Gegen 1:30 Uhr klingeln die gestellten Wecker. Kurz später erscheint das Frühstück und wir treffen die letzten Aufbruchsvorbereitungen. Das Wetter sieht ideal aus – auf Höhe der Hütte ist kaum Wind, obwohl es wieder sehr kalt ist (-12°). Damit uns nicht zu warm wird, lassen wir die dicken Handschuhe und Daunenjacke erstmal im Rucksack und gehen etwas leichter auf den Weg. Der Mond scheint noch recht hell und so brauchen wir die Stirnlampen auf dem Gletscher praktisch nicht. Schön langsam steigen wir wie bei der Akklimatisierung am Vortag nun langsam auf. Die Welt scheint soweit in Ordnung.

Nach ein paar hundert Hm wird es dann aber zunehmend ungemütlich. Der Wind frischt mehr und mehr auf, so dass Füße, Hände etc. schnell unangenehm abkühlen. Mist – hätten wir doch jetzt die dicken Sachen an! Da wir in der Gruppe gehen, können wir auch nicht so einfach stehenbleiben und uns schnell umziehen (wobei wir genau das wohl hätten sofort tun sollen …). Also gehen wir noch weiter bis vorne eine kurze Trinkpause eingeläutet wird. Inzwischen ist mir lausekalt und wir geraten in Stress, da vor Trinken erstmal dringend wärmere Kleidung benötigt wird. Gar nicht so einfach, hier auf der Gletscherfläche in starkem Wind die dicken Sachen auszukramen und anzuziehen, ohne dass andere Teile den Eishang hinabrutschen. Irgendwann habe ich die warmen Handschuhe an und helfe Margit noch in die Daunenjacke. Ich hätte diese zwar auch gerne an, aber dafür bleibt irgendwie keine Zeit. Kalte Füße lassen sich wohl nicht ändern und plagen sowieso die meisten. Ich ziehe allerdings noch die Regenhose über die Thermohose. Zum Trinken kommen wir dann auch nicht mehr. Irgendwie gerate ich bei dieser Pause auf ca. 4300 m Höhe etwas in Unruhe, da es auch so unwirklich kalt und lebensfeindlich hier ist.

Jedenfalls komme ich nach der Pause irgendwie nicht mehr richtig in den Tritt. Mir ist trotz der wärmeren Sachen immer noch kalt und ich mache mir auch Sorgen um Margit, dass sie mit der Kälte zurecht kommt (wenn mir schon sooo kalt ist …). Immer wieder schaue ich sehnsüchtig zum langsam breiter werdenden Dämmerungsstreifen und sehne mir wärmende Sonnenstrahlen herbei. Durst und Hunger habe ich auch noch, aber ich kann die Gruppe ja nicht schon wieder anhalten. Außerdem rutsche ich mit den noch kälter werdenden Füßen auf der harten Gletscherfläche auch immer öfter weg und spüre wie ich mehr und mehr Energie verliere. Hätten wir doch Steigeisen an! Langsam aber sicher reift der Gedanke an Umkehr – wenn es hier schon so kalt ist, wie soll das oben noch werden? Nach und nach geht mir so die Puste aus – sicher auch ein gut Teil Psyche dabei… Irgendwann reicht es dann und ich rufe nach einem Stopp. Margit will mit mir umkehren. Wir gehen zwar noch ein kleines Stück weiter, wenden uns auf gut 4500 m Höhe dann aber doch um und beginnen den Abstieg. Inzwischen ist mir auch schon recht übel – ob vor Anstrengung, Höhe oder der Kombination ist unklar.

Hmmm. So sind wir die Ersten, die zur Nick’s Hut umkehren. An dem Tag erreichen allerdings nur 2 Personen unserer 12-köpfigen Gruppe den Westgipfel des Elbrus. 3 weitere erreichen den vom N-Anstieg ca. eine Stunde kürzeren und etwas niedrigeren O-Gipfel, während der Rest sich mit der Durchschreitung des Elbrus-Sattels, 350 m unterhalb des Gipfels begnügt. Laut späterer Auskunft der Gipfelstürmer werden mit Thermometer am Gipfel -25 ° gemessen und es ist sehr stürmisch. Einige holen sich kleinere Erfrierungen an der Nase.

Gegen 7 Uhr sind wir hingegen wieder zurück an der Hütte. Ich habe inzwischen wieder Kopfschmerzen und mir ist echt übel – bis hin zu mehrmaligem Erbrechen; also war wohl doch die Höhe und mangelnde Akklimatisierung maßgeblich für den notwendigen Abbruch :-(

Da wir sicher nicht noch eine 3. Nacht in der Hütte verbringen möchten, steigen wir nach kurzer Erholung gegen 12 Uhr mittags dann noch weiter ab zum Emanuel Glade Camp. Klar herrscht eine gewisse Enttäuschung wegen des abgebrochenen Gipfelversuchs vor, aber wir genießen schon auch den sehr schönen Wegabschnitt durch die wieder grüne Steinlandschaft, das Aerodrom und den Canyon zum Fluss hinab, den wir 2 Tage zuvor bei Regen und Nebel aufgestiegen waren.

Russlan weist uns ein Zelt im Camp zu. Am nächsten Morgen werden wir früh durch heftiges Klopfen am Zelt geweckt. Es schneit - auf 2500 m! Unser Fahrer – wir wollen heute nach Pjatigorsk weiterfahren und dort auf die Gruppe treffen – macht sich Sorgen, dass er bei dem Wetter den Weg heraus nicht fahren kann. Wir sollen uns beeilen. Als wir 5 Minuten später unsere Sachen gepackt haben und aus dem Zelt kommen, ist er schon ein gutes Stück vorgefahren. Er hat den Fluss überquert und eine Steilrampe genommen, da er dieses Stück als kritisch einschätzt. Wir stiefeln also zu Fuss die knapp 3 km über den Fluss und die Rampe hinauf zum wartenden Fahrzeug. Auch ein russisches, junges Touri-Pärchen aus Moskau fährt im Bus mit uns nach Pjatigorsk. Sie waren am Vortag am Ost-Gipfel.

Nach einer wunderschönen 4-stündigen Fahrt über ungeteerte Wege durch die einsame Gegend nördlich des Elbrus erreichen wir nachmittags den 300.000 Einwohner zählenden Kurort Pjatigorsk, der ein Stück nördlich des Kaukasus liegt. Wir checken im Hotel Intourist ein und treffen später auf den Rest der Gruppe. Den Abend – mit Diskothek-Besuch - und den nächsten Tag verbringen wir in dem sehr schönen Ort, der vor knapp 200 Jahren von Italienern angelegt wurde. Am Freitag morgen fahren wir in knapp einer Stunde zum Flugplatz nach Mineralnije Vody und fliegen über Moskau nach Hause. Die 6 Stunden Aufenthalt in Moskau zwischen den Flügen nutzen wir für einen (sehr) kurzen Abstecher mit Bahn und Metro zum Roten Platz.

Fazit: Trotz dem Abbruch des Elbrus zählen die 2 Wochen Kaukasus zu den schönsten je gemachten Urlauben. Wir sind sicher, dass wir nochmal herkommen wollen – nicht nur um den Elbrus zu besteigen. Eine Reise in den Kaukasus können wir wirklich nur wärmstens empfehlen!

Tourengänger: ju_wi


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Geodaten
 1151.gpx Tag 1: Balkbaschi
 1152.gpx Tag 2: Nick's Hut
 1153.gpx Tag 3: Akklimatisierung
 1154.gpx Tag 4: Gipfelversuch

Galerie


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Kommentare (2)


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Sputnik Pro hat gesagt: Schade !
Gesendet am 28. August 2009 um 10:46
Ich kanns mitfühlen wenn man ein lang gefühles Ziel nicht erreicht - ich brauchte ja auch 2 Versuche am Elbrus. Das erste Mal kam ich nicht weiter weil mein Gepäck in Moskva blieb und ich in Pjatigorsk nur Sommerkleidung dabei hatte.

Vieleicht komme ich nächstes Mal mit und werde den Škhara (höchster Georgier) versuchen.

Liebe Grüsse an Euch zwei und bis zur nächsten gemeinsamen Tour, freue mich :-)

Andi

ju_wi hat gesagt: RE:Schade !
Gesendet am 28. August 2009 um 12:58
Hi Andi,
kein Problem - wie gesagt, es ging halt diesmal nicht und das muss ich akzeptieren. Leider ist die Höhenakklimatisation halt noch nicht so versehbar und verstanden. Wer meine anderen Berichte zu Zielen oberhalb 4000 m gelesen hat, der weiss, dass ich da leider jedesmal meine Schwierigkeiten habe. Fazit für mich: Ich muss zukünftig noch stärker auf entsprechende Akklimatisierungstage achten und kann selbst einige Touren, die für den Durchschnitt OK sind, eben nicht so machen - mein Körper braucht für die Höhe einfach mehr Zeit...

However, es hat sich trotzdem sehr gelohnt.

Margit und ich freuen uns auch auf die nächste Tour mit Dir - wir sprechen öfter von der Zugspitze im Juli !

Grüße, Jürgen


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