Über Eptschik (3017 m) und Ubtschik Pass (2543 m) weiter Richtung Elbrus


Publiziert von ju_wi , 24. August 2009 um 22:40.

Region: Welt » Russland » Kaukasus
Tour Datum: 6 August 2009
Wandern Schwierigkeit: T3+ - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: RUS 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 2440 m
Abstieg: 2830 m
Strecke:28,4 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:per Kastenwagen zum Zeltcamp am Dschemagat-Fluss auf 1790 m
Unterkunftmöglichkeiten:Zeltcamp am Daut-Fluss
Kartennummer:Atlas "Sapadnij Kavkas"

Am 5. Tag im Kaukasus brechen wir langsam nach O Richtung Elbrus auf. Es steht zunächst eine 2-tägige Überquerung zweier N-S verlaufender Bergmassive über den 3017 m hohen Eptschik- und den 2543 m hohen Ubtschik-Pass an mit Zeltcamp im dazwischenliegenden Daut-Tal, von der dieser Toureneintrag berichtet. Nach diesen 2 Tagen werden wir nochmals einige Kilometer mit unseren Transportern ein Tal hinauffahren, um von dort die mehrtägige Elbrus-Überschreitung zu starten. Die Pässe alleine sind durchweg nicht schwieriger als T2 bis max. T3. Die T3+ als Bewertung bezieht sich auf kurze weglose Abstecher, die wir von den Pässen unternommen haben. Vor allem am Ubtschik waren hier kurze Stücke sogar noch etwas anspruchsvoller.

Schon am Vortag waren wir von Dombai nach N zum Ort Teberda und von hier auf rustikalem Fahrweg das Dschemagat-Tal nach O bis auf 1790 m hinaufgefahren. Dort hatten wir ein Zeltcamp errichtet. Am späten Nachmittag bedienen wir uns an einer nahen stark eisenhaltigen Mineralwasser-Quelle (russ. Narzan), für die diese Kaukasus-Region bekannt ist. Das gezapfte Wasser sind wir wegen des überaus starken Metallgeschmacks allerdings schnell leid. Bis auf eine Fahrunterbrechung von gut 20 km ist der Plan, von hier zu Fuß zum Elbrus tzu gehen und diesen von N zu erklimmen und zu überschreiten – d.h. es folgt nun der Teil der Reise wegen dem zumindest wir diese Tour ausgewählt haben.

Nach einer Zeltnacht in der ich leider nicht so gut geschlafen habe und etwas Bauchdrücken bekam (war es dieses metallische Wasser?), brechen wir nach frühem Frühstück in schönster Morgenstimmung und bestem Wetter auf Richtung Eptschik-Pass. Der Pass ist nach dem Eptschik-Bach benannt, dessen Tal gleich oberhalb des Zeltcamps vom Haupttal Dschemagat links abzweigt und in dem bzw. dessen Flanken wir die nächsten 3-4 Stunden hinaufwandern werden. Anfangs ist der Weg breit aber recht steil. Es ist im unteren Teil eigentlich immer ein kleiner Trittpfad erkennbar, dem man gut folgen kann.

Zweimal wird im unteren Teil der Eptschik-Bach auch gequert. Hier ist keine Brückenunterstützung vorhanden, man muss den Fluss durchwaten oder – fast noch schwieriger - an geeigneten Stellen über glitschige querliegende Stämme balancieren (u.a. meine Variante). Das Gelände ist die ersten 500 Hm licht bewaldet und öffnet sich nach der 2. Flussquerung und nach Erklimmen einer Krautstufe dann in ein für diese Höhe im Kaukasus typisches langes, grasiges Bachtal. Wir passieren auf knapp 2500 m einen kleinen See und biegen kurz später links weg vom Bachlauf in einen steileren Hang, der uns in einer halben Stunde auf die 3017 m hohe Eptschik-Passhöhe führt. Wir machen zuletzt etwas Speed und kommen wild-keuchend auf einem Felsvorsprung etwas erhöht rechts von der Passhöhe an. Wir werden von einem ersten Blick auf den Elbrus-Gipfel belohnt, dessen Sockel jedoch in Wolken gehüllt ist.

Nach Durchschnaufen lockt uns auch hier wieder ein Seitenberg, der gut 150 Hm den Pass überragt. Er ist weglos und einfach (T3) durch eine steilere Gras- und weiter oben etwas schrofige Flanke zu erklimmen. Erneut ist nur ein kleiner Teil unserer Gruppe mit von der Partie. Das Gipfelplateau ist ganz interessant von querstehenden Schieferplatten gebildet. Nach W können wir bis Teberda hinabblicken, obwohl leider die Wolken langsam nach unten ziehen. Statt vom Gipfel wieder zum Pass hinab folgen wir dem leicht schrofigen, aber überwiegend grasigen breiten O-Grat des „Eptschik P. 3181“ getauften Peaks. Wir bewegen uns damit parallel zur Normalroute über den Pass. In angenehmer Hangneigung und schöner aussichtsreicher Wanderung mit Blick nach vorne auf das Daut-Tal, wo wir heute zelten werden, folgen wir einige Zeit dem breiten Grasgrat und später einer etwas nordöstlich ziehenden Grasrippe. So legen wir weglos sicher 800 Hm zurück.

Unten queren wir den jungen Kenbelljessu-Bach, durchwandern eine intensiv duftende Schafherde und kommen auf das Gelände einer Schaffarm mit sehr einfacher Blockhütte. Wir werden von dem älteren Ehepaar und einem Sohn im Teenie-Alter sehr freundlich begrüßt und dürfen von dem selbst gemachten Käse und einem dickflüssigen Quark probieren. Diesmal haben wir auch als Gastgeschenk unsererseits eine gute Flasche Wodka dabei. Wir kaufen ihnen ein größeres Stück Schafskäse für die kommenden Zeltabende ab.

Außerdem erfahren wir vom Schafhirten, dass die Zufahrt in das Daut-Tal seit gut einer Woche wegen eines Erdrutsches nach starken Regenfällen gesperrt ist. Dies ist für uns insofern eine wichtige und schlechte Nachricht, als dass unsere Organisation (Zelte, Essen, Equipment) des Zeltcamps über diese Route mit den uns begleitenden Kastenwagen geplant ist. Als wir bei dem Örtchen Daut (1870 m) den Talsaum erreichen und freien Blick ins Tal haben, sieht Max, das tatsächlich am vereinbarten Camp-Ort noch niemand eingetroffen ist. Was tun? Leider funktioniert auch der Kontakt zu unseren Begleitfahrern nicht – kein Empfang und selbst das Satellitentelefon erreicht die Fahrer nicht. Es kommt die Idee auf, gleich die nächsttägige 6-stündige Etappe anzuhängen, denn wir haben keinerlei Schlafequipment bei uns. Anderer Vorschlag ist, uns von Bauern bis zum Erdrutsch bringen zu lassen (angeblich 10 km entfernt) mit der Hoffnung hier den Bus zu treffen. Alles nicht ideal!

Jedenfalls haben wir Glück und sind sehr erleichtert, als wir plötzlich doch den ersten unserer beiden Wagen auf uns zu fahren sehen. Er biegt auf eine Wiese am Daut-Fluss ab – unserem dedizierten Camp-Platz. Ein Caterpillar, der gerade am Erdrutsch arbeitete - und wohl auch mit Traktor-Unterstützung - war es den Kollegen in stundenlangen Mannövern schließlich doch gelungen, den Erdrutsch zu passieren. Wir bauen nach gut 7 Wegstunden unsere Zelte auf und begeben uns zur Körperpflege und Bierkühlung an den kalten Daut-Fluss.

Nach der Zeltnacht und Frühstück starten wir am nächsten Morgen zum Ubtschik-Pass. Der Weg führt im ersten Teil durch Wiesen mit hohen, taunassen Gräsern und Kräutern. Wieder genießen wir die Blumenfülle um uns. Auch Waldstücke werden gequert. Auf gut 2000 m Höhe erreichen wir eine offenere grasige Stufe mit einer Schaffarm, die hier von einem jungen, hübschen eher osmanisch anmutendem Pärchen betrieben wird. Auch hier bekommen wir wieder Quark und frisch gesammelte große Blaubeeren als Snack angeboten. Wir revanchieren uns, indem wir die russischen Schokoriegel aus dem morgens verteilten Lunchpaket einsammeln und als Gegengeschenk übergeben.

Von der Farm ist die grasige Flanke des Ubtschik-Pass mit erkennbarer Zick-Zack-Wegspur schon sichtbar. Dorthin wenden wir uns nun. Im Grasgelände pfeift es immer wieder und wenn man aufpasst, entdeckt man sehr kleine Murmeltiere und Erdmännchen im Gras. Ca. 3 Stunden nach dem Aufbruch – inklusive der Pause bei der Farm – erreichen wir dann den 2543 m hohen Ubtschik-Pass. Wir sind dem Elbrus wieder ein Stück nähergerückt. Er hüllt diesmal jedoch seine Gipfel in Wolken und lässt nur unterhalb der Wolkendecke ein paar seiner Gletscherzungen erkennen.

Schön ist hingegen der Blick hinab in das Utschkulan-Tal, unserem Tagesziel. Wie wir später noch genauer sehen werden; herrscht hier erstaunlicherweise ein sehr trockenes Klima vor mit eigener steppenartiger Vegetation. Die Talsohle erinnert an Gegenden in Zanskar.

Vom Ubtschik-Pass biegen wir mit einem Teil der Gruppe wieder weglos ab zu einem sehr interessant aussehenden Peak im S, der den Pass hier gut 200 Hm überragt und von dem der O-Grat diesmal stärker schrofig, und wesentlich schärfer als an den Vortagen parallel zum Tal hinabführt. Man erkennt vom Pass, dass man dem Gratverlauf mit steiler Grasflanke zum Tal lange folgen kann. Technisch ist es diesmal etwas anspruchsvoller, doch bis zum „Ubtschik P. 2777“ getauften Berg zwar sehr steil, schrofig und auch im hohen Kraut – aber bei geeigneter Routenwahl nicht schwerer als T3+. Am Gipfel zweigt neben dem O-Grat noch ein SW-Grat ab, der weiter hinten noch höhere Erhebungen aufweist. Dieser Grat lädt auch ein – es gibt etwas ausgesetzte, felsige Stellen (T4) – wie eigentlich alle, auf denen wir waren, würde aber in die falsche Richtung führen bzw. unseren Zeitplan sprengen. Daher wenden wir uns - wie von unten betrachtet - dem O-Grat zu.

Das erste Stück des O-Grats ist durchaus anspruchsvoll, wenn man direkt an der Gratschneide bleibt (wohl bis T5). Max macht dies konsequent, Tomek meist auch – ich folge nur die ersten Stellen und klettere dann lieber etwas in die N-Flanke ab und quere dort mit den Anderen die Felsstellen viel einfacher etwas unterhalb. Nach den ersten 10-15 Minuten wird das Gelände dann deutlich einfacher und die Gratschneide grasiger und breiter. Dennoch sind auch hier die Blicke in die beiden Seitentäler fantastisch. So folgen wir dem Grasgrat eine weitere halbe Stunde. Ich wäre auch noch weiter gegangen, aber der Hang zur Linken wird doch langsam steiler und ein Stück vor uns beginnt auch eine Bewaldung des Steilhangs, so dass Max vorschlägt durch den steilen Grashang abzusteigen zum Bachlauf. Macht schon auch Sinn, da wir alle nicht wissen, was vor uns liegt…

Einige hundert Hm steigen und rutschen wir in der Grasflanke hinab. Weit unten pausieren wir einige Minuten in einem dichten, reifen Blaubeer-Bestand mit großen Beeren und schlagen uns den Bauch voll. Dann erreichen wir den Talboden mit Bachlauf und folgen diesem weiter weglos durch Distelgelände und Kräuter. Später ist dann immer mal wieder eine Trittspur zu erkennen, die durch das wie gesagt zunehmend trockene Tal hinabführt. Wieder entdecken wir viele interessante und wärmeliebende Pflanzen wie Majoran, Wermut, viele große Sanddornbüsche, eine braune Schwalbenwurz, kleine Edelweissgewächse, u.v.a.m. Es ist einfach ein botanisches Paradies.

Mit abnehmender Höhe haben wir das Gefühl eines mediterranen Wanderwegs (Ligurien, Korsika?).  Noch 100 Hm oberhalb des Utschkulan-Tals mit guter Aussicht treffen wir auf den Rest der Gruppe. Wir pausieren gemeinsam hier und beobachten die Straße im untenliegenden Tal, auf dem ein Treffpunkt mit unseren Kastenwagen vereinbart ist. Bald klingelt dann aber schon das Handy von Victor. Die Fahrer wollen in 20 Minuten am Treffpunkt sein – wir gehen also dorthin.

Bald stoßen wir auf die ersten Häuser des Utschkulan-Dorfs. Über eine ungeteerte Dorfstraße marschieren wir noch ein Stück abwärts. Links und rechts haben die Leute Schaffelle zum Trocknen in die Sonne gehängt. Bald biegen wir rechts an einem Holzzaun eines Häuschens auf einen Graspfad ab, der uns in hohes Gras hinab zum Flußufer des breiten, schnell fließenden Utschkulan-Flusses bringt, der türkis von Gletscherwasser blitzt.

Noch ein Zaun muss überklettert werden, dann kommen wir in hohem Gras zu einer abenteuerlich anmutenden, wackligen Holzbrückenkonstruktion, mit der der Fluss gequert wird. Eine nette kleine Adrenalineinlage. Dann klettern wir schon die hohe Böschung zur Straße hinauf, auf der unsere Fahrzeuge uns nach heute knapp 6 Wegstunden einladen. Eine knapp 2-stündige Fahrt das einsame Ulluchursuk-Tal hinauf steht uns nun noch bevor. Laut Originalprogramm sollte dieser Teil eigentlich auch am nächsten Tag zu Fuß zurückgelegt werden, doch wir stimmen gerne zu, dass ein gut 20 km reiner Fußmarsch ein eingekerbtes Flußtal hinauf eingetauscht wird gegen einen Reservetag für die Elbrus-Besteigung. Auf der Fahrt machen wir noch einen Halt an einem Lebensmittelgeschäft, so dass die Autofahrt mit Eis und Bier versüsst wird.

Die holprige Autofahrt über sicher 20 Holzbrückenkonstruktionen führt uns 1200 Hm das Ulluchursuk-Tal hinauf, bis zum Zeltcamp auf 2600 Hm. Unterwegs hält unser Fahrer an einem Holzabfuhr-LKW und bindet mit Draht einen der langen Nadelbaum-Stämme an der hinteren Anhängerkupplung fest. Als Nachbarschafts-Hilfe zerren wir – bzw. unser Fahrzeug - in der Folge einen 20 m langen Baumstamm hinter uns her. Immer wieder verhakt er sich hinter uns, oder purzelt etwas in den Seitenhang – aber nur einmal muss ausgestiegen und nachgebessert werden – echt lustig!

Nach Aufbau der Zelte im Camp auf 2600 m heisst es erstmal packen, denn bis nach der Elbrus-Überschreitung (4-6 Tage) werden wir keinen Kontakt mehr mit den Fahrzeugen und Gepäck haben. Da außerdem jetzt sämtliche Ausrüstung erforderlich sein wird, wiegen die Rucksäcke nachher schon um die 15 kg. Eine Hiobsbotschaft erreicht uns dann noch, als wir abends per Satellitentelefon den Wetterbericht in Innsbruck abrufen: Es soll noch in dieser Nacht eine Kaltfront eintreffen, die die kommende Woche ungewöhnlich kalt, niederschlagsreich und wechselhaft werden lässt. Hmmm - schon abends grummelt es dann überall und nachts brechen starke Gewitter los

Elbrus, wir kommen!

Tourengänger: ju_wi


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