Es sollte ein sehr langer, anstrengender Tag werden - aber er bot mir ein hochsommerliches Bergabenteuer der Extraklasse ... Sozusagen zunächst auf den Spuren von Tef !
Wie es meine Art ist, startete ich sehr früh : um 4:40 Uhr am Parkplatz der Bettelwurfhütte (ca. 1080m hoch, "2.Ladhütte", nicht zu verfehlen; frühzeitiger Abmarsch auch empfehlenswert, um der immensen Sonneneinstrahlung während de südseitigen Aufstieges zu entgehen). Zu dieser Jahreszeit ist es kurz vor 5 Uhr noch dunkel, aber es gibt ja Stirnlampen. Von Anfang an geht es sehr steil die Bettelwurfreise aufwärts, in das gewaltige Kar der Gamsgufel hinein, das von der Wechselscharte herunterzieht (bei Helligkeit SEHR eindrucksvolle Landschaft). Der Steig verläßt das Kar im oberen Bereich, quert ein Stückchen nach Westen und führt dann durch Latschen unvermindert steil aufwärts, gelegentlich leiten kurze Fixseile über die eine oder andere harmlose Stelle hinweg. Erst weiter oben läßt die Steigung nach, man nähert sich jetzt der Bettelwurfhütte (2077m), die in sehr aussichtsreicher Lage auf einem Absatz der Bettelwurf-Südflanke hoch über dem Halltal liegt. Will man den Großen Bettelwurf über den Eisengattergrat besteigen, dann kann man noch vor der Bettelwurfhütte abzweigen (Wegweiser); ich aber wollte erst einmal auf den Kleinen Bettelwurf und dann die Überschreitung zum Großen Bettelwurf machen, und zu diesem Zweck mußte ich bis zur Hütte aufsteigen. Vom Parkplatz im Halltal hatte ich bis dorthin knapp 2,5 Std. gebraucht, incl. einer längeren Fotopause bei Sonnenaufgang.
Wichtige Anmerkung: die Hütte ist auf dem langen Weg, den ich hier beschreibe, die einzige Örtlichkeit, wo es Wasser gibt (abgesehen vom Bach tief drunten im Halltal) !
Unmittelbar hinter der Bettelwurfhütte beginnt der wiederum steile Steig hinauf zum Kleinen Bettelwurf (Wegweiser hinter der Hütte). Am Kreuz oberhalb der Hütte vorbeigehend, folgt man dem Kamm, der praktisch in Fallinie hinaufzieht zum Kleinen Bettelwurf; zunächst durch ein Latschenfeld, das weiter oben in Schrofen übergeht, und erreicht ziemlich genau 1 Std. nach Abmarsch von der Hütte die Felszone, wo der Klettersteig beginnt. Dieser Steig ist jedoch keineswegs durchgehend gesichert: ich würde ihn mehr als "versicherte Steiganlage" bezeichnen, denn die Fixseile beschränken sich auf Einzelstellen, wo sie wirklich zweckmäßig sind - ansonsten ist viel Gehgelände dabei, und immer wieder überraschen kurze Freikletterstellen des unteren zweiten Grades, wo man hier mal einen kleinen Absatz, dort mal eine kurze Rinne ungesichert hinaufturnen muß. Derartige Stellen sind allerdings nie lang, heikel, ausgesetzt oder "moralisch anspruchsvoll", so daß es insgesamt Spaß macht, dem (namenlosen) Sattel zwischen Kleinem und Großem Bettelwurf entgegenzuturnen. Man muß allerdings natürlich das entsprechende Können haben, sich in derartigem Gelände sicher zu bewegen.
Ich habe überall Selbstsicherung benutzt und empfehle die Mitnahme eines Helms ausdrücklich - denn es ist typisches Karwendelgelände, in dem man sich bewegt: mal fester Fels, dann wieder Geröll, und - leider - können aus dem Gipfelbereich auch Steine herunterkommen ....
Hat man den Sattel zwischen den beiden Bettelwürfen erreicht, dann sind es nur noch 10 Minuten hinauf zum Kleinen Bettelwurf (2649m); dieses letzte Stück ist Gehgelände, führt aber durch Geröll und bedarf deswegen außerordentlicher Gehdisziplin: Steine lostreten darf hier NICHT passieren, denn darunter führt der Aufstiegsweg entlang. Knapp 2 Std. nach Abmarsch von der Hütte hat man den Gipfel erreicht - von hier genießt man bereits eine prächtige Aussicht: nach Westen auf die anschließende Speckkarspitze, nach Osten auf das nächste Ziel, den Großen Bettelwurf.
Ich verweilte nicht lange, sondern machte mich an den Abstieg zurück zum Sattel. Hier baut sich die westseitige Gipfelflanke des Großen Bettelwurfes beim ersten Hinsehen recht bedrohlich auf. Bei genauerer Betrachtung jedoch handelt es sich - wiederum karwendeltypisch - um eine Flanke, die von unzähligen Schuttrinnen, Absätzen und Wandstücken gekennzeichnet ist. Mitten hindurch führt der Klettersteig zum Hauptgipfel hinauf, wieder an allen wesentlichen Stellen mit Fixseilen perfekt abgesichert, insgesamt vielleicht etwas anspruchsvoller als die Kletterei am Kleinen Bettelwurf. Auch hier habe ich selbstverständlich die Selbstsicherung benutzt. Nachdem man den westlichen Vorgipfel des Großen Bettelwurf mit Hilfe des Klettersteiges erklommen hat, bleibt lediglich die unschwierige Querung durch Geröll zum Hauptgipfel hinüber - und ca. 1 Std., nachdem man den Kleinen Bettelwurf verlassen hat, steht man auf dem Großen Bettelwurf (2725m) und damit auf dem fünfthöchsten Punkt des Karwendels (höher sind: Birkkarspitze 2749m, Mittlere Ödkarspitze 2745m, Östliche Ödkarspitze 2738m und Kaltwasserkarspitze 2733m; zumeist zählen die Ödkarspitze als 1 Berg, dann wäre es der vierthöchste Karwendelgipfel).
Bleibt noch zu erwähnen, daß sowohl der Klettersteig auf den Kleinen wie auch auf den Großen Bettelwurf bestens markiert und deshalb nicht zu verfehlen sind.
Die Aussicht vom Bettelwurf ist schon phantastisch: südlich gegenüber sind die Zillertaler und Stubaier Berge, 2000m tiefer das dicht besiedelte Inntal, west-, ost- und vor allem nordseitig liegen die Berge des Karwendels mit den vielen tief eingeschnittenen Tälern, oft steilen und unzugänglichen Karen und natürlich den Gipfeln wie im Bilderbuch ausgebreitet da. Ich hoffe, die Fotos können den Zauber dieser großartigen Landschaft etwas vermitteln.
Ich ließ es mir nicht nehmen, zum Osteck hinüberzugehen - in 10 Minuten hat man es geschafft, der unschwierige Steig ist allerdings nicht so ausgetreten wie die Hauptanstiege, und deshalb muß man hier und da nach dem rechten Weg gucken. Man bleibt im Prinzip immer so dicht wie möglich auf dem Kamm - ein Ausweichen in die Südflanke ist nur ein- oder höchstens zweimal ratsam, nordseitig fällt ja sowieso die Bettelwurf-Nordwand 1000m zum Halleranger bzw. zum Vomper Loch hinunter.
Das Osteck (Steinmann, ca. 2700m, ich habe keinerlei offizielle Höhenangabe gefunden) ist insofern interessant, als man hier einen tollen Einblick in das wilde, einsame Fallbachkar hat. Auch der Grat hinüber zur Hohen Fürlegg über die zerborstenenen Fallbachkartürme ist von schaurig-abweisender Schönheit. Für uns Normalbergsteiger endet aber hier die Welt - der Abstieg hinunter über die Wechselspitze zur Wechselscharte bleibt Berggängern schärferer Richtung vorbehalten.
So ging auch ich wieder nach ausgiebigem Schwelgen und Schauen zurück zum Hauptgipfel des Großen Bettelwurfes und stieg dann den Normalweg, den Eisengattergrat, ab und nochmals zurück zur Bettelwurfhütte. Der Eisengattergrat ist an allen wichtigen Stellen versichert und erheblich weniger anspruchsvoll als die beiden anderen geschilderten Klettersteige. Vom Gipfel hinunter bis zur Hütte benötigte ich eine gute Stunde, und es war genau 12 Uhr, als ich mir eine Maß zischend durch die ausgetrocknete Kehle laufen ließ.
Mein Unternehmungsgeist war nach der Überschreitung des Bettelwurfes ungebrochen: was konnte man noch unternehmen an diesem phänomenalen Hochsommertag?
Ich beschloß, der benachbarten Speckkarspitze noch einen Besuch abzustatten. Die zugehörige Geschichte und ihre Fotos sind einen eigenen Bericht wert !
Anmerkung in diesem Zusammenhang zu Gehzeiten und Höhenunterschieden:
Die im Berichtskopf angegebenen 14 Std. beziehen sich auf die GESAMTE Tagestour, also beide Bettelwürfe UND die anschließende Speckkarspitze. Dies gilt auch für die insgesamt zurückgelegten 2375 Hm.
Rechnet man nur die Überschreitung beider Bettelwürfe, dann sind es 1710Hm und gut 9 Std. Marschzeit von / bis zum Parkplatz im Halltal.
Kommentare (4)