Churfirsten und Alviergrat


Publiziert von jakobme , 8. Juli 2019 um 14:42.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum: 4 Juli 2019
Wandern Schwierigkeit: T6+ - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Alvier Gruppe   CH-SG   Churfirsten 
Zeitbedarf: 1 Tage 3:45
Aufstieg: 6700 m
Abstieg: 7500 m
Strecke:60 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Bus nach Arvenbühl
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Bhf Sargans

Die Überschreitung des gesamten Chrufirsten und Alvier Grates ist ja schon sehr lange ein noch offenes Projekt seit es Delta vor mittlerweile 8 Jahren das erste mal probiert hat (http://www.hikr.org/tour/post37167.html). Vor zwei Jahren hatte tricky es dann auch mal probiert (http://www.hikr.org/tour/post122661.html) und kam etwas weiter als Delta damals musste jedoch vor dem Sichli die Route anpassen und ist nicht mehr dem direkten Alviergrat gefolgt. 

Damit stand die erste ganze Begehung der Grate noch aus und gleichzeitig war von der Logistik her ja schon alles von Delta vorbereitet.
Vor zwei Jahren hatte ich dann mal eine Nachmittagstour über die Goldlochroute auf den Gamsberg inkl. der Überschreitung via Schiffberg zum Sichelchamm gemacht und ab dann stand der gesamte Alviergrat ziemlich hoch auf der Liste möglicher Touren. Aber wieso nicht gleich auch noch die Churfirsten als Warm-up mit nehmen...?

Nach einem Winter/Frühjahr mit ganz gutem Training auf den Tourenski und der ein oder anderen längeren Tour sollte ich physisch eigentlich gut drauf sein und die mit so langen Touren verbundenen Schmerzen hatte ich zwei Jahre nach der Via Alta (http://www.hikr.org/tour/post122370.html) auch ausreichend vergessen.
Nach der Hitzewelle sollten die Bedingungen jetzt eigentlich gut sein und der längste Tag des Jahres ist ja auch gerade erste gewesen. Da die Wasserversorgung auf dem Grat bei mega Hitze natürlich etwas ein Problem ist musste ich noch etwas warten bis die Temperaturen wieder etwas fallen.
Bei im Tal maximal 25° und etwas Bewölkung und ohne Gewitterrisiko sah es dann am 4./5. Juli richtig gut aus also nichts wie los.
Im Vorfeld habe ich bewusst darauf verzichtet einzelne Teilstücke anzuschauen dafür habe ich aber sehr ausführlich die sehr de­tail­lierten Hikr-Berichte studiert. So habe ich mir keine Sorgen gemacht unterwegs einen totalen Verhauer zu produzieren, jedoch war das Gelände noch spannender und etwas anspruchsvoller. Ausserdem war es mir zu Doof Depos anzulegen ausserdem sollte mit einem Brunnen auf etwa der Hälfte eigentlich eh für ausreichend Wasser gesorgt sein.

Also somit am 3.Juli etwas früher ausm Büro und direkt mit dem ÖV nach Arvenbüel zu Start. Ich hatte die gleiche Startzeit wie tricky gewählt (18:10), da ich mir so recht sicher war, dass ich wenigstens noch den Abstieg durch die Selun Ostflanke, welcher als etwas anspruchsvoller beschrieben wurde, bei Tageslicht zu machen.

Die ganze Route ist so gut beschrieben, dass ich bei dem Bericht hier nur auf einzelne Stellen eingehen werde. 

Leistchamm Ostgrat
Direkt auf dem Abstieg vom ersten Gipfel hatte ich die Beschreibungen scheinbar nicht gut genug gelesen. Statt erst etwas nach Norden abzusteigen bin ich den direkten Ostgrat runter. Oben ist eine Abseilstelle mit 2 Bohrhacken und danach hat es zwei Stellen die kurz etwas schwieriger sind abzuklettern. Hat aber Spass gemacht also wieso nicht.

Selun Ostflanke
Fand ich ehrlich gesagt ziemlich harmlos obwohl abends das Grass schon etwas feucht geworden ist. Hat sogar Markierungspunkte.

Abkürzungen zwischen den 7 Churfirsten
Waren auch im Dunklen mit SwissTopo App immer gut zu finden. Teilweise jedoch hohen Grass welches nachts durch den Tau nass war. Somit immer wieder triefend nasse Füsse und zu den Folgen davon komme ich später noch.

Chäserugg
Wirklich schade, dass es in der Bergstation ausserhalb der Betriebszeiten Tatsächlich keinen einzigen Wasserhahn gibt. Somit konnte ich meine zu dem Zeitpunkt leeren Wasservorräte nicht auffüllen und musste noch bin zum eingezeichneten Brunnen nach dem Höchst warten.
Da es jedoch immer noch dunkel war und ich nach der durchgewanderten Nacht etwas müde wurde gönnte ich mir ein 40 minütiges Schläfchen auf einer Holzbank in der Gondelstation. 

Abstieg Tristencholben
Der Abstieg vom Tristencholben sollte dann eine der Schlüsselstellen der Tour werden. Die von Delta beschriebene Schafreiti habe ich irgendwie nicht richtig gefunden und stattdessen eine (wahrscheinlich) neue Route durch die Ostflanke gelegt. Von oben sah es eigentlich immer sehr vielversprechend aus war dann aber an vielen Stellen von Felsbändern versperrt. Am Schluss habe ich dann trotzdem einen Weg gefunden der wahrscheinlich aber schon so T6+ IV-. Im Aufstieg sicher eine Hammerroute (Foto 1, Foto 2).

Schiffloch
Den einzigen Teil der Tour welchen ich vorher schon mal gemacht hatte. Wenn auch in die andere Richtung. Teilweise war es noch ziemlich nass und schmierig aber da es ja mittlerweile gut ausgelaufen ist ja halb so wild.

Gamsberg
Irgendwann will ich die Westkante schon mal machen aber da war mir unterwegs das Risiko um drehen zu müssen und dann einen Haufen Zeit verschwendet zu haben doch etwas hoch. Also habe ich die Route durch die Nordflanke genommen und bin das Doppelgleis runter.

Sichli bis Malunfurggel
Richtig geiles T6 Gelände. Zwischendurch auch etwas hohes Gestrüb was etwas nervig war. Gerade der letzte Abstieg durch die Rinne zur Malunfurggel ist ja der Hammer.

Chrummenstein/Alvier
Ein paar überbleibende Schneefelder haben mir das Leben etwas schwer gemacht, da ich keine Lust hatte mit den Laufschuhen mehr als nötig Stufen zu treten also genau schauen musste wo ich die quere. Dadurch bin ich auch ordentlich in Geröll gekommen und langsam wurde das absteigen im Steilgras auch etwas mühsam mit immer müder werdenden Beinen. Aufm Gross Alvier dann die ersten Menschen seit dem Busfahrer in Arvenbühl gesehen.

Chammegg
In der Chammegg habe ich dann doch tatsächlich fast 45 Minuten das verdammte Fixseil suchen müssen. Keine Ahnung ob ich ein paar Beschreibungen falsch gelesen hatte oder ob es umgelegt wurde. Eigentlich hätte ich es nicht wirklich gebraucht aber ich wollte vermeiden einfach in der falschen Flanke runter zu steigen und über einem Felsband zu landen. Als ich es dann mal hatte ging es recht zügig runter.

Abstieg nach Sargans
Der Abstieg nach Sargans runter sollte dann noch mal richtig Mühsam werden. Am Anfang einfach immer viel zu flach um ordentlich Höhenmeter zu vernichten und Bergab zu joggen war irgendwie keine richtige Option mehr, da ich mittlerweile einige Blasen an den Füssen hatte und auch dazwischen meine Fusssohlen extrem schmerzten. Also einfach vor mir hin gewandert bis ich dann Ewigkeiten später endlich beim Bahnhof Sargans angekommen bin.

Zwischenzeiten
Arvenbühl                 18:06
Leistchamm              19:12 (1:06)
Selun                        21:26 (3:20)
Chäserrugg Ankunft   4:04 (9:58)
Chäserrugg Start        5:27 (11:21)
Nideri                          6:47 (12:41)
Gamsberg                 10:16 (16:10)
Gauschla                   18:05 (23:59)
Sargans                     21:45 (27:39)

Ausrüstung:
- Dynafit Feline Vertical Schuhe. Das gleiche Model wie bei der Via Alta und in T6 Gelände momentan mein Favorit. Warum jemand in so Gelände hohe Wanderschuhe anziehen würde verstehe ich persönlich nicht.
- Salomon S-Lab Peak 20 Rucksack. Aussreichend Volumen und guter Tragekomfort. Habe die Stockhalterung so für mich angepasst, dass ich die Stöcke befestigen und abnehmen kann ohne sie zusammen zu falten (ähnlich wie SKIMO Skibefestigungen). Für so eine Tour essentiell, da ich es sicher über 30 mal gemacht habe.
- 6 500ml Softflask für insgesamt 3 Liter. War gerade so ausreichend. Vor dem Start etwas getrunken und dann in der Nacht nicht so viel gebraucht. Beim Höchst-Brunnen dann noch mal einen Liter getrunken und wieder 3 L gefüllt. Vor dem Alvier konnte ich dann noch mal 1 L unter einem Schneefeld füllen.
- leichte fixllängen Trekkingstöcke. Habe die Mittlerweile immer öfter dabei und bei dieser Tour essentiell.
- lange Hose und Windjacke welche ich nur kurz am Morgen an hatte.
- KEIN Pickel. Der stört mich mehr im T6 Gelände, da man nie richtig im Flow klettern kann und solange es nicht wirklich nass ist bringt er mir auch nicht wirklich viel. Ausserdem sehe ich das persönlich etwas als schummeln, da es dann ja fast immer einen mega Griff hat und es psychologisch um einiges einfacher wird.

Verpflegung:
- 10 Energygel (teilweilse mit Koffein)
- 4 Rigel
- eine Waffel
- ein Sandwich
- Isopulver (meist mit Koffein) für die 3L am Start und die 4L am Höchst-Brunnen
Immer noch nicht besonders viel aber schon mal mehr als auf den meisten anderen langen Touren von mir. Gerade die zusätzlichen Gel haben mir glaube ich geholfen und bis zum Gauschla hatte ich gut Energie. Für den letzten Abstieg hätte etwas mehr Koffein-Iso sicher nicht geschadet.

Zerstörte Füsse:
Das grösste Learning das ich aus der Tour ziehe ist, dass ich besser auf meine Füsse hätte achten müssen. In der Nacht und am Morgen sind sie vom Tau im Grass immer wieder komplett nass geworden auch auch wenn es mich wegen der warmen Temperaturen nicht gestört hat so hat die Haut an den Fusssohlen mit der Zeit doch ordentlich gelitten. Am Schluss haben mich die schmerzenden Füsse glaube ich am meisten an einem schnelleren Abstieg gehindert.
Ich hätte unbedingt wasserdichte Socken für die nassen Passagen und mindestens ein Paar Wechselsocken mit nehmen müssen. Alle Ultra-Trail Läufer werden sich jetzt wahrscheinlich wundern wie ich so lange brauchen könnte um das zu lernen aber ich habe glaube ich einfach Glück mit überdurchschnittlich robusten Füssen, sodass es bisher bei langen Touren im trockenen noch nie so ein Problem war.

https://www.strava.com/activities/2504738385

Tourengänger: jakobme


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Kommentare (11)


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schnafler hat gesagt: chapeau!!
Gesendet am 8. Juli 2019 um 15:49
geile siech du - super gemacht! bin auch voll für lightweight etc. - du machst das aber in perfektion. weiter so!!

3614adrian hat gesagt: Unglaublich!
Gesendet am 8. Juli 2019 um 17:52
Gratulation zur wahren Monstertour. Hast sicher viele eindrückliche Momente erlebt.

Gruss
Adrian

dominik hat gesagt:
Gesendet am 8. Juli 2019 um 20:25
Holy Moly, jetzt hast aber echt einen rausgehauen. Congrats!

Delta Pro hat gesagt:
Gesendet am 8. Juli 2019 um 21:24
Absolut eindrücklich und unglaublich!! Herzliche Gratulation!
Bis zum Sichelchamm waren wir fast genau gleich schnell. Wo mich vor 8 Jahren der Mut verlassen hat, bist du weitergezogen. Chapeau! Läge für mich heute weit jenseits vom Machbaren.
Auch die Beschreibung der kompromisslosen Ausrüstung, Organisation und die Erfahrungen sind sehr interessant und hilfreich.
Gruss Delta

jakobme hat gesagt: RE:
Gesendet am 9. Juli 2019 um 00:07
Danke für die Komplimente und danke besonders noch mal für die Inspiration. Auf einem der 7 Churfirsten Gipfel hatte ich mir in der Nacht noch mal deine Zwischenzeiten angeschaut und da auch gemerkt, dass wir ziemlich auf die Minute genau gleich lange unterwegs waren. Hat mich aber nicht wirklich gewundert, da du ja schon lange leicht und schnell unterwegs bist.

Alpin_Rise hat gesagt: Imposant
Gesendet am 8. Juli 2019 um 22:25
besonders, dass du noch neue Routen wie Tristencholben Ost einbaust. Leistchamm Ost ist z.B. eine glatte IV und sehr exponiert. Mir selbst im Aufstieg zu haarig.

> warum jemand in so Gelände hohe Wanderschuhe anziehen würde
Ein Grund können nicht ganz so trainierte bzw. stabile Fussgelenke / Füsse sein. Trailrunners brauchen doch nochmals einen Tick mehr Ausdauer und stetige Konzentration.

Gratulation und G,
Rise


kopfsalat hat gesagt: RE:Imposant
Gesendet am 8. Juli 2019 um 23:23
... vielleicht haben die Wanderschuhe an, weil sie keine nassen Füsse bekommen wollen ... ;-)))

jakobme hat gesagt: RE:Imposant
Gesendet am 9. Juli 2019 um 00:01
Haha ja das kann natürlich sein

jakobme hat gesagt: RE:Imposant
Gesendet am 9. Juli 2019 um 00:00
Danke für den Link. So nach etwa IV hat es sich auch angefühlt. Hatte noch beim Bericht schreiben etwas recherchiert aber irgendwie in Erinnerung gehabt, dass es der Ostgrat des Hinteren und nicht Mittleren war und war deshalb etwas verwirrt warum immer nur von einem IIer geschrieben wird.
Stetige Konzentration finde ich an den meisten T6 Stellen da eh keine so schlechte Idee und ich habe das Gefühl, dass ich mit den weichen Schuhen den Untergrund einfach viel besser spüre und natürlich mehr Gummi in Kontakt bringe was die Reibung erhöht.

Alpin_Rise hat gesagt: RE:Imposant
Gesendet am 9. Juli 2019 um 09:55
Gemäss Fotovergleich hast du den Ostgrat des Mittler Leistchamm begangen, der Ostgrat des Hinter Leistchamm ist im Vergleich "leicht" (Stufe T5+, II).

Ein Plus der hohen Schuhe seh ich mehr im weglosen "leichten", überwachsenen/lebendigen Gelände oder auf Schneefeldern. Dort bin ich deutlich sicherer (und schneller) als in Trailrunern. Da > 90% der Bergläufer auf Weg(spur)en unterwegs sind, bleibt wegloses Running im oberen Schwierigkeitsbereich eine Spezialistendisziplin.

G, Rise

tricky hat gesagt: Genial
Gesendet am 9. Juli 2019 um 07:54
Gratuliere zu dieser tollen Kompromisslosen Tour.


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