Kaiserstuhl: auf der Jagd nach der Kuhschelle


Publiziert von Schubi , 6. April 2019 um 09:01.

Region: Welt » Deutschland » Südwestliche Mittelgebirge » Schwarzwald
Tour Datum: 7 April 2018
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 2:15
Aufstieg: 317 m
Abstieg: 317 m
Strecke:8,4 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Wanderparkplatz am Vogelsangpass, L115
Zufahrt zum Ankunftspunkt:s.o.

Kurz vorausgeschickt: ich habe hikr.org erst kürzlich entdeckt und dies ist meine zweite Tourenbeschreibung hier. Bin also dankbar für Feedback und Verbesserungs-Hinweise. 

Weil ich versuchen will, Touren passend zur gerade stattfindenden Jahreszeit zu veröffentlichen, möchte ich heute eine (recht einfache, sozusagen badisch-gemütliche) Rundwanderung aus dem April 2018 vorstellen, über zwei bemerkenswerte Erhebungen im Kaiserstuhl: den zentralen gelegenen (und dadurch mit perfekter Rundumsicht gesegneten) Badberg und den benachbarten Haselschacher Buck. Da bei unserer Tour im Frühjahr leider streckenweis die Kameratechnik streikte, stammt ein Teil der Bilder hier von einer Wiederholungs-Wanderung im Herbst 2018.

Die erste Aprilhäfte haben wir als Zeitraum gewählt, weil dann dort eines kleines botanisches Highlight zu bestaunen ist, das im restlichen Deutschland dank intensiver Landwirtschaft leider zwischenzeitlich komplett von der Bildfläche verschwunden ist: die Blüte der Kuhschelle, auch Küchenschelle genannt. Sie steht unter strengem Naturschutz. Der Badberg bietet mit seinem vielen Flächen an sonnengewärmten Halbtrocken-Rasen sozusagen das ideale Refugium für diese zart-behaarten Schönheiten und zieht deswegen jedes Frühjahr viele Botaniker und botanisch interessierte Leutchen an. Interessant in dem Zusammenhang ist, dass Halbtrocken-Rasen eigentlich ein Kulturlandschaft ist, also entstanden durch die jahrhundertelange regelmässige Mähung (Mahd) von Wiesenflächen zur Heugewinnung, die dem Wald mal vor langer Zeit duch Rodung abgerungen wurden. Ironischerweise bieten solche durch den Menschen über lange Zeit entstandene Kulturlandschaften oft die idealen Bedingunen für eine beachtliche Artenvielfalt und heutzutage dann ebene auch sehr seltene Pflanzen (solange halt ohne Chemie gearbeitet wird), siehe auch die Grinden-Hochflächen im Nordschwarzwald. Zum Glück steht der Badberg schon länger unter Naturschutz und so können hier übers Jahr verteilt noch so einige andere Highlights aus Fauna und Flora bewundert werden.

Ein nettes Kuriosum, eher von kulturhistorisch-geologischer Art (sozusagen der Namensgeber für den Berg) ist dann noch am südlichen Fuß des Badbergs zu entdecken: Das Badloch, eine heilkräftige Quelle mit Wasser, das ganzjährig 21 Grad Celcium warm ist. Es ist das letzte Zeugnis der einstigen vulkanischen Aktivität des Kaiserstuhls und leicht radioaktiv. Das Wasser fließt zunächst in ein Kneippbecken, in dem man Wassertreten kann, und von dort aus in ein größeres Wasserbecken. Im 1. Jahrhundert n. Chr. nutzten bereits die Römer die Heilwirkung des Badlochs. Beide Becken können jederzeit von müden Wanderern genutzt werden, sind aber oft recht arg von Algen durchzogen.


Start- und Endpunkt der Tor ist der Wanderparkplatz am Vogelsangpass an der L115. Dort starten wir Richtung Südwesten und können gleich die ersten schönen Panoramablicke übers Rebland des Kaiserstuhls und rüber zum Südschwarzwald erhaschen. Wir treffen auf zwei Kunstwerke, die den Blick in die Landschaft und das Wandern thematisieren. Weiter geht es auf einem nett geschwungenen Forstweg durch einen Buchenwald und wieder hinaus ins Rebland. Kurz darauf kommen wir durchs beschauliche Alt-Vogtsburg, wo wir ca. 100 Meter nordwärts entlang der L115 laufen, vorbei an der Dorfkirche, und dann auf der anderen Straßenseite nach rechts abzweigen. Hier gäbe es auch die einzige Einkehrmöglichkeit direkt an der Route, den Gasthof Rössle. Der Weg führt dann ein ganzes Stück am südlichen Fuß des Badbergs entlang. Wir passieren einen aufgelassenen Steinbruch, freuen uns über die kleinen blauen Punkte des Ehrenpreis und kommen zu einer Sitzgruppe. Dort zweigt rechts ein kurzer Pfad zum oben beschriebenenen Badloch ab, das wir natürlich kurz bestaunen. Benutzen wollen wir es ob der vielen Algen und der im Schatten doch noch niederen Temperaturen nicht wirklich (auf die Wirkung der leichten Radioaktivität wär ich aber schon mal neugierig gewesen ... wird also nachgeholt ;-)

Man könnte vom Badloch weiter durch Laubwald direkt auf den Badberg steigen, wir gehen aber erst mal am Fuße des Bergs gemütlich weiter durch die Reben und entscheiden uns spontan für einen kleinen Abstecher zur Straußenwirtschaft vom Weingut Vogel in Oberbergen. Eine Veschper mit einem Glas Grauburgunder stärkt uns für den jetzt folgenden kurzen, aber knackigen Anstieg auf den Badberg: es geht steil nach oben und die Frühjahrssonne in ihrer badisch-prallen Version treibt uns die ersten Schweissperlen auf die Stirn. Von hier an über den gesamten Badberg hinweg begleiten uns supergute Panorama-Blicke: auf die rundum gelegenen Weinterrassen, die der Topologie des Kaiserstuhls folgen (aber eigentlich auch Ergebnis einer ziemlich radikalen Flurbereinigung in den siebziger Jahren sind), zur Höhenlinie der Vogesen jenseits der Rheinebene und natürlich zum Südschwarzwald, der von Osten herübergrüßt. Oben auf der sonnenbeschienenen Grasfläche des Badbergs sehe ich etwas Blühendes schimmern, aber, nein: es sind nur Märzveilchen. Hier und da gesellen sich auch nette Schlüsselblumen dazu. An dieser Stelle ein Tipp für die spontane Pflanzenbestimmung unterwegs, sozusagen aus dem Handgelenk: die App PlantNet tut dafür hervorragende Dienste.

Weiter geht es über die Hochfläche über eine Pfad, der den sanft geschwungenen Grat mittig des Badbergs nachzeichnet. Mein Blick wechselt stetig zwischen tollen Fernsichten und kritischem Abtasten der umliegend nahen Grasflächen ... wo könnte sich die Kuhschelle denn nun verstecken? Ist sie überhaupt schon draussen? Und jep: auf einem nach Nordosten abschüssigen Hang (warum eigentlich nicht nach Süden/Westen? Wäre das doch zu warm?) finden wir endlich eine ganze Menge dieser raren Blumenspezies. Der Fotograf von uns beiden geht direkt in die Bauchlage über, robbt sich vorsichtig an die Blüten-Schönheiten heran und reizt die Naheinstell-Grenze seiner Optik aus. Der Weg durchläuft die Senke zwischen Badberg und Haselschacher Buck, wir passieren eine Schutzhütte und Infotafeln, die das Naturschutzgebiet und seine Geschichte erklären. Jetzt geht es entlang des Haselschacher Bucks weiterhin auf schön grasigem Trampelpfad bis zur nächsten Wegkreuzung, auch hier eine Schutzhütte mit netter Sitzgruppe. Ideal für eine abschliessende Veschper, denn hier hat man wieder einen schönen Blick nach Westen in Richtung Vogesen und auf die fein geschwungene Wiesen-Topographie unserer beiden "Berge" direkt zu unseren Füßen. Und weiter geht es entlang des Waldrands, direkt hinter der ersten Baumreihe, die ganze Zeit mit fantastischen Fernblicken. Wer will, läuft ab der Schutzhütte nicht entlang des Wadrands, sondern macht einen etwas weiteren Bogen und damit einen Abstecher hoch zum nahen Eichelspitz-Turm (512m). Schliesslich senkt sich unser Wanderpfad zum Vogelsangpass hinab und wir gelangen so wieder zum Ausgangspunkt unserer Wanderung.

Mit auf Tour: Amelie.

Fazit: nette kurze Wanderung über die zwei wohl aussichtsreichsten Erhebungen innerhalb des Kaiserstuhls. Deswegen auch ganz unabhängig von den lieben Kuhschellen zu jeder Jahreszeit toll. Wenn man spätnachmittags/abends läuft, hat man auch noch einen feinen Sonnenuntergang als Umrahmung.

Tourengänger: Schubi
Communities: Photographie


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Kommentare (4)


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Henrik hat gesagt: Gut verfasst und sehr
Gesendet am 6. April 2019 um 10:41
gut hingeschaut. Weiter so!

Schubi hat gesagt: RE:Gut verfasst und sehr
Gesendet am 6. April 2019 um 10:53
Vielen Dank!

ABoehlen hat gesagt:
Gesendet am 7. April 2019 um 16:17
Sehr schöner Bericht und ebensolche Bilder einer wundervollen Gegend! Weiter so!

Nebst den «zwei wohl aussichtsreichsten Erhebungen» gibt es noch den Neunlindenturm auf dem 555 m hohen «Ostgipfel» des Totenkopfs, dort geniesst man ebenfalls eine sehr umfassende Aussicht.

Liebe Grüsse
Adrian

Schubi hat gesagt: RE:
Gesendet am 7. April 2019 um 16:59
Vielen Dank für dein Lob! Du hast Recht, bei den „Aussichtsreichsten“ ist wohl ein bisschen die Begeisterung mit mir durchgegangen ;-) und der Totenkopf ist ja noch ein Stück höher ...
Ja, der Kaiserstuhl ist schon eine besondere Landschaftsform.
Schönen Gruß, Frank


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