Millionen Jahre an einem Tag: Durch die Bletterbachschlucht auf's Weißhorn


Publiziert von H. Brückner , 17. März 2019 um 16:25. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:25 Oktober 1989
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 950 m
Abstieg: 950 m
Strecke:12km

"Südtiroler Naturwunder" heißt ein Wanderbuch, das der ganzen Familie viele großartige Ausflüge und Wanderungen in Südtirol beschert hat. Von Hanspaul Menara, einem legendären Südtirol-Autor. Die Eislöcher, der Regenstein, die Säulenfichte - und auch die Bletterbachschlucht war darunter. Schon damals, in den 80ern, noch vor dem Geoparc (mit coolem c!) bekannt als der Grand Canyon Südtirols.

Wir waren häufig dort, bestimmt drei, vier mal. Und einmal verbanden wir - Nik und ich - eine Tour durch die Schlucht mit der Besteigung des 2317 Meter hohen Weißhorns, einem der beiden markanten Gipfel, die die Bletterbachschlucht überragen. Ursprünglich hatten wir auch den anderen eingeplant, das Schwarzhorn, der erschien uns dann aus der Nähe betrachtet, als bergwanderisch nicht besonders interessant, so dass wir uns auf den Felsgipfel des Weißhorns beschränkten.

Also ab ins Auto, Opus Avantras "Strata" eingelegt, und los! Wo wir damals immer parkten.... Na, heute befindet sich dort der Geoparc Bletterbach mit Besucherzentrum und GEOMuseum, und heute parkt man dort, direkt am Besucherzentrum (Anfahrt hier). Früher stieg man auf Wanderwegen hinunter in die Schlucht, zum sogenannten Taubenleck, heute tut man das - natürlich - auf Trails.



Auf einem dieser Trails stiegen wir also die 130 Meter hinunter, zuletzt über steile Stiegen, hinab in die Bletterbachschlucht, zu der Stelle, die Taubenleck (1414m) heißt, bei den stillgelegten Bergwerksstollen. Und hier steht man mitten in der Schlucht.

Die Bletterbachschlucht, mit ihren 400 Metern hohen Wänden, ist ein offenes Buch, in dem man mehr als 40 Millionen Jahre Erdgeschichte nachlesen kann - beginnend vor etwa 280 Millionen Jahren. Seit der letzten Eiszeit vor ca. 18.000 Jahren hat sich nämlich der Bletterbach auf einer Strecke von 8 Kilometern bis zu 400 Meter tief in unterschiedliche Erdzeitalter eingegraben, und dabei schätzungsweise zehn Milliarden Tonnen Gesteinsmaterial ins Etschtal verfrachtet. Die Gesteinsschichten, durch die er sich dabei gegraben hat, und die man heute in den Felswänden sehen kann, die die Schlucht begrenzen, geben Aufschluss über ihre Entstehung sowie das Klima und die Umweltbedingungen auf der Erde vor hunderten Millionen von Jahren.

Am Bach angekommen, wandten wir uns nach links, und gingen im breiten, geröllbedeckten Bett des Bletterbachs zwischen den himmelhohen Schluchtwänden taleinwärts.

Die untersten, rötlichen Gesteinsschichten, gehen zurück auf heftige Vulkanausbrüche vor 280 bis 260 Millionen Jahren. Heute nennt man dieses Gestein "Bozener Quarzporphyr", weil es die Landschaft rund um Bozen prägt.

Unter den imposanten Felswänden wanderten wir die Schlucht hinauf. Etwa 400 Meter weiter oben macht sie eine scharfe Rechtskehre, von der aus es hinauf zum Butterloch geht. Dort am Butterloch (1550m) passiert man einen imposanten Wasserfall.

Durch Erosion wurden große Teile des Porphyrs im Laufe von Jahrmillionen abgetragen. Darüber lagerten sich Sande ab, die unter großem Druck zu bunt gefärbten Sandsteinschichten (Grödner Sandstein) gepresst wurden. Spuren von Tieren und Pflanzen sind in diesen etwa 200 Meter starken Schichten eingeschlossen.

Später befand sich hier eine Lagune, die immer wieder austrocknete, nur um immer wieder überflutet zu werden. Im Schlamm bildeten sich weiße und rötliche Gipsknollen, an denen man diese Schichten heute erkennen kann. Sie sind älter als 250 Millionen Jahre.


Über Eisenstiegen geht es hier eine etwa 50 Meter hohe Felsstufe hinauf. Oberhalb kann man dann einen kurzen Abstecher nach links zu einem Aussichtspunkt mitnehmen.

Nach dem Butterloch wird die Klamm wieder breiter, und ihre Wände nicht mehr so steil. Ganz hinten zieht sich der Talkessel etwa eintausend Höhenmeter hinauf bis zum Gipfel des Weißhorns, der nun ins Blickfeld rückt. Etwa 600 Meter weiter die Schlucht hinauf erreicht man auf 1636m die Kreuzung des Schluchtwegs mit dem Gorzsteig.

Nach dem katastrophalen Ereignis, das unter anderem zum Aussterben der Dinosaurier geführt hat, lagerten sich vor 252-235 Millionen Jahren die so genannten Werfener Schichten ab. Sie sind heute rund 400 Meter stark und bergen viele Fossilien. Darüber liegt das nur wenige Meter starke Richthofen-Konglomerat, das von Flüssen abgelagert worden ist. Darüber befindet sich nur noch der weiße Sarldolomit des Weißhorn-Gipfels. Dieses Gestein wurde in einem tropischen Meer durch die kalkbindende Algen gebildet.

Wir verließen den Grund der Bletterbachschlucht auf dem Gorzsteig, rechts hinauf und hinaus aus der Schlucht. Er führt über einen teilweise bewaldeten Hang auf die schönen Lahner Wiesen.

Auf dem Weg vom Talgrund zum Gipfel des Weißhorn durchschreitet man nun jene 280 Millionen Jahre Erdgeschichte, die der Bletterbach mit der Kraft des Wassers freigelegt hat. Er hat vor 18.000 Jahren begonnen, jene Schlucht in den Berg zu reißen, die die gesamte Schichtfolge, vom uralten Porphyr bis zum vergleichweise jungen Sarldolomit, offenlegt.

Auf den Lahner Wiesen angekommen, stößt man dann auf den Zirmersteig, der, von Oberradein kommend, zum Gipfel des Weißhorns hinaufführt. Er folgt dabei der Geländekante, die die Bletterbachschlucht in die Bergflanke gerissen hat. Wir wandten uns also nach links, und folgten dem Zirmersteig bergauf (Markierung "W").

Der abwechslungsreiche Steig führt entlang der Bletterbachschlucht und ist wegen der atemberaubenden Tiefblicke in den hinteren Teil der Schlucht bei Bergsteigern sehr beliebt. Auf dem letzten Drittel der Strecke führt er aus dem Wald heraus, und durch üppige Latschenbestände.

Oberhalb der 2000-Meter-Marke gabelt sich der Weg: Links könnte man auf dünner Wegspur die Westflanke des Weißhorns auf halber Höhe zwischen Gorz und Gipfel hinüber zum Nordwestgrat queren (sehr lohnend!). Wir stiegen aber geradeaus und zunehmend steiler hinauf zum felsigen Nordgipfel (2313m), auf dem das Gipfelkreuz steht.

Der Gipfel des Weißhorns ist eigentlich ein kurzer Nord-Süd-Grat. Das Gipfelkreuz befindet sich an dessen nördlichem Ende, der höchste Punkt befindet sich am Südende auf 2317m. Und so wanderten wir noch auf dem weitläufigen, greiten Grat hinüber zum eigentlichen Gipfel des Weißhorns (auch Corno Bianco, 2317m).

Das weithin sichtbare Weißhorn beherrscht mit seinem direkten Nachbarn, dem Schwarzhorn, das Regglberger Hochplateau. In seiner Westflanke befindet sich der "Görz" genannte Kessel, in dem die Bletterbachschlucht ihren Ausgang nimmt. Im Osten fällt das Gelände zum Lavazèjoch ab, hinter dem sich der Zanggen und weiter nordöstlich der Latemar erheben.

Den Olperer kann man von hier aus sehen, den Hohen Riffler, den Schlern, den Rosengarten, die Tofanen, den Latemar, die Pala, ganz nah im Südwesten der Fennberg mit seinem schönen Klettersteig, im Westen die nördliche und zentrale Brenta, dahinter Adamello und Presanella, dann Königspitze, Zebru und Ortler, Hoher Angelus, Weißkugel, Similaun, den Ifinger, den Hirzer und und und! Herrlich!

Seinen Namen hat der Berg übrigens von dem weißen Dolomit seines Gipfels, der ihn markant von dem rötlich-grauen Quarzporphyr des Schwarzhorns abhebt. Interessant ist, dass zwischen den beiden Berggipfeln eine geologische Störung verläuft, die Trudner Linie, entlang derer das Schwarzhorn einst um mehr als 1000 Meter gegenüber dem Weißhorn angehoben wurde. Später trug die Erosion den Gipfel bis zum Quarzporphyr hinunter so weit ab, dass die beiden Zwillingsberge heute in etwa gleich hoch sind.

Wir stiegen auf dem Nordgrat vom Gipfel ab (Markierung "5"), der auf den ersten Metern einiges an Trittsicherheit verlangt. Knapp unterhalb des Gipfels befindet sich eine kleine Kletterstelle (I), die weniger Geübten möglicherweise Probleme bereiten könnte: Hier sind Stahlseile befestigt. Wer gut aufpasst, und sich gut festhält, sollte aber gut durchkommen.

Der weitere Abstieg bietet dann keinerlei Schwierigkeiten mehr, dafür aber viel Aussicht: Der Abstieg verläuft weiterhin auf dem Grat, der weiter unten in einen breiten Rücken ausläuft, und bietet noch einmal faszinierende Einblicke in die Schlucht des Bletterbachs. Auf etwa 2230 Meter Höhe kommt von links der Weg, der die Ostflanke des Weißhorns quert, herüber, danach tritt man in den lichten Bergwald ein, wo der Weg sich scharf nach links wendet.

Durch den Nadelwald geht es weiter hinunter bis zu einer großen Wiese mit einem Wegkreuz. Hier stößt man auf einen Forstweg, auf dem sich die Tour nun fortsetzt.

Etwa eineinhalb Kilometer weiter, nach einer Linkskurve, zweigt ein Weg links hinunter ins Butterloch, wir hielten uns hier weiter auf dem Fahrweg, der nun auf die Schönrast zuhält, einen Gipfel, der auch den Namen  Kaltherber  trägt, und auf Italienisch Pausabella heißt. An einer Wegkreuzung wandten wir uns nach links, zur Lahner Alm (1583m).  Von dort aus gelangt man in wenigen Minuten zurück zum Parkplatz Geoparc Bletterbach (1540m).


Hinweis

Damals konnte man einfach so in die Schlucht hinunterwandern, heute zahlt man für die Bletterbachschlucht Eintritt. Das geschieht am Parkplatz des Besucherzentrums (Bushaltestelle). Der Eintrittspreis beträgt offenbar 6€, 3€ bei Anfahrt mit dem öffentlichen Bus. Die Gebühr beinhaltet das Begehen der Bletterbachschlucht, den Besuch des Besucherzentrums Geoparc und des Geomuseums Radein. Auch ein Leihhelm ist im Preis inbegriffen - in der gesamten Schlucht besteht heute aufgrund von Steinschlaggefahr Helmpflicht!

Tourengänger: Nik Brückner, H. Brückner


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