Mit Stein & Bock: Eine "neue" Route durch die Seehore Ostflanke


Publiziert von Alpin_Rise , 14. November 2018 um 21:52.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Berner Voralpen
Tour Datum:11 November 2018
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE 

Das Südcouloir zum Seehore bietet sich für eine interessante Rundtour an, insbesondere früh oder spät im Jahr. Vom Wanderweg-Abzweiger beim Girehore hangelt sich die Route ohne Durchhänger über zwei Sättelchen von einer abgeschiedenen Geländekammer zur nächsten. Zum Schluss offeriert das Südcouloir oder der benachbarte Südsüdostgrat Kraxelgelände mit Direktausstieg zum Gipfel.
Während die meisten Seehornbesucher wohl auf eine Begegnung mit der örtlichen Steinbockkolonie hoffen, wünschte ich, die Hornträger nur aus weiter Ferne zu erspähen. Ihr Lieblingsrevier scheint die steile Ost- und Südflanke zu sein, wo sie regelmässig Steinschlag direkt auf die Route auslösen. Sinnigerweise waren die Tiere ausgerechnet in der zu querenden Ostflanke anzutreffen, was mir einerseits fast zum Verhängnis wurde, mich andererseits auf eine alte Route leitete - den direkten Anstieg durch die vogelwilde Seehorn-Ostflanke.


Steinbock sei Dank: Eine vergessene Route neu entdeckt

Der Abstecher zum Girehore (lohnend!) und der Übergang unmittelbar südlich sind von Felix oder Zaza beschrieben.
Ich folge nach dem Girehore der Route von Zaza: Hinter P. 1991 erstaunlich leicht (T4+) das Couloir und Band hinunter zur (auf der neuen LK namenlosen) Röti P. 1960, dem Aussichtsposten vor der Seehore Ostwand.
Bis hierher bereits einige tierische Begegnungen mit Auer- und Gemswild, nur die Steinböcke sind nirgends...? Kaum in der Querung zum Südcouloir Warnpfiffe und wie zur Verdeutlichung einige kopfgrosse Steingeschosse aus der Ostwand... verststanden, ich und quere zurück zu P. 1960. Für mich ein zu grosses Risiko, so bis ins Südcouloir zu queren. 
Abgesehen von einem kapitalen Bock - Talisman oder Unglücksbote? - in Wandmitte scheint die Truppe in Richtung Südcouloir zu ziehen, eine Linie direkt durch die Ostflanke ist frei und einen Versuch wert...?

Der Aufstieg durch die Ostflanke bzw. -wand ergibt sich dann erstaunlich logisch, immer den leichtesten Partien folgend: Start unmittelbar südlich von P. 1960 im ersten Couloir, das hinter dem grossen Gendarm endet. Dort exponiert unter einer steilen Bastion links in eine weitere, enge Felsrinne (kurz III, Schlüsselstelle, schön zu klettern). Dieses Couloir verlasse ich bald nach rechts, um auf einer schrofigen Rippe auf den Gipfelgrat auszusteigen, ca. 80 m nördlich des Seehore Gipfels - puh... der Aufstieg gelang zum Glück ohne gröbere Sackgassen. Übrigens beobachtete der Steinbock mein wohl nicht allzu elegantes Vorankommen, ohne auch nur einen Schritt zu machen. Sonderbare Tiere.
Der Abstieg durch die herrliche, arvenbestandene Nordflanke ist dann wesentlich beschwingter. Oben spätherbstliche, dünnee Schneedecke, zuweilen rutschige Trite. 

Wieder zu Hause stellt sich bald heraus, dass "meine" Linie exakt Route 127  des SAC-Führers entspricht. Da diese Route wohl in absehbarer Zeit nicht in digitaler Form aufbereitet wird, hier die originale Beschreibung aus dem Clubführer Berner Voralpen (1997) von Martin Gerber: 
"Seehore von E, von P. 1961 2 Std, WS"
Man geht von der Umgebung von P. 1960 (Röti) am Weg Alpetli - Untere Alp aus, um den Auslauf des südlich ausgerichteten Couloirs zu gewinnen, das sich zwischen dem Gendarm und er E-Flanke des Seehore hinaufzieht. Man ersteigt die Felsen dieses Couloirs bis zur Lücke. Von hier steigt man links haltend über Gras in Richtung auf ein Couloir an, das man durch einen felsigen Quergang erreicht. Das Couloir bildet etwas weiter oben eine felsige Verengung, die in hübscher Kletterei (II und III) durchstiegen wird. Man gelangt so in Grasgelände und verfolgt das sich nun stark ausweitende Couloir weiter, wobei sehr steile Grashänge mit Felspartien abwechseln. Die Route bildet eine S-Form und erlaubt es, den Kamm 30m rechts vom Gipfel zu erreichen. Die steilen, mit Felsen durchsetzen Grashänge, verlangen aufmerksames Steigen, da in diesem Gelände ohne Seil gegangen wird."

Bei der nachfolgenden Route R. 128 Seehore über den SSE-Grat [östlich des Couloirs], steht der Nachsatz: "Diese Route ist der vorher beschriebenen [127] unbedingt vorzuziehen, da sie weniger ausgesetzt ist und weniger Grasgelände aufweist."

Von einer Begehung rate ich wie der SAC-Führer eher ab, zu brüchig, exponiert und in den Couloirs steinschlägig. Lediglich die direkte und logische Routenführung hat ihren Reiz. 
Auch vom Südcouloir werde ich in Zukunft absehen, ausser ich könnte sichergehen, dass sich keine Steinböcke in der (schlecht einsehbaren) Ost- und Südwand tummeln.

Tourengänger: Alpin_Rise


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