Pik Lenin (7134m)


Publiziert von bnsndn , 12. November 2018 um 00:11.

Region: Welt » Kirgisistan » Transalai-Kette » Pik Lenin
Tour Datum: 5 August 2018
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Wegpunkte:
Geo-Tags: KS   TJ 
Zeitbedarf: 24 Tage
Aufstieg: 3500 m
Abstieg: 3500 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Osch über Pamir Highway nach Achik Tash
Unterkunftmöglichkeiten:BC, ABC

Hallo zusammen,

dieses Mal ging es etwas höher hinaus. Ziel war es, nun endlich einmal die 7000er-Marke am Pik Lenin zu knacken. An sich keine große Herausforderung, wenn die Akklimatisierung stimmt. Dennoch eine Expedition in wilder, eisiger Gletscherwelt, die trotz technischer Einfachheit nicht zu unterschätzen ist: Wetter, Höhe, Gesundheit und die lange Gipfeletappe sind wohl die größten Faktoren, die darüber entscheiden, ob der Gipfel erreicht wird oder nicht. Wir hatten Glück. Fünf unserer elf-köpfigen Diamir-Reisegruppe schafften den Gipfel, einer beinahe (bis ca. 7000m). Das ist eine gute Quote, denn es wurde uns erzählt, dass sie diese Saison bei etwa 20% lag.

Bevor ich nun in Kürze die einzelnen Etappen zum Gipfel beschreibe, zwei Punkte zuallererst:


Lohnt sich ein Reiseveranstalter oder besser auf eigene Faust?

Definitiv macht es Sinn, sich einer geführten Expedition anzuschließen. Es ist jedoch auch ohne weiteres möglich (selbst ohne Russisch-Kenntnisse), direkt bei den Agenturen vor Ort zu buchen und somit den Grad an Selbstorganisation zu steigern. Bisher hatte ich jede Bergtour selbst organisiert. Für meine erste Zentralasienexpedition (zudem erster Asienurlaub überhaupt) wäre mir das allerdings zu viel Arbeit geworden. Auch war es leichter, über einen Veranstalter die passenden Mitstreiter für solch ein Projekt zu finden als durch privates Engagement. Zudem bietet eine Expeditionsleitung eine gewisse Sicherheit, ohne dabei jedem Einzelnen weitgehende Autonomie und Eigenverantwortung am Berg zu nehmen. Daher war es, so wie es war, perfekt (auch der Preis...). An dieser Stelle vielen Dank an unseren Expeditionsleiter und Diamir! Auch die Agentur vor Ort centralasia-travel ist zu empfehlen, da wir einerseits perfekten Vollpensionsservice hatten und die Lage der Basecamps optimal ist.


Wie schwer/ernsthaft ist die Tour?

Der Pik Lenin gilt als (technisch) einfacher 7000er. Es gibt keine Felskletterei und im Eis ist die Schlüsselstelle (das sogenannte Messer bei der Gipfeletappe) je nach Bedingungen bis zu 55° (nur auf einigen Metern, die gesamten 80m sind deutlich unter 55°) steil, aber in der Regel mit Fixseil entschärft. Also vergleichbar mit Mont Blanc über eine der leichten Routen. 

Aufgrund dessen und weil das Basecamp (BC) auch per Auto und nicht nur per Heli erreichbar ist, ist der Berg sehr gut besucht. Vielleicht versuchen 500 Leute pro Saison (nur Juli-August) den Gipfel, schätzungsweise 150 davon erreichen ihn. Leider sind auch durchschnittlich 5 Tote pro Jahr  zu verzeichnen. Das zeugt von einer gewissen Ernsthaftigkeit, und zwar nicht nur aufgrund der Höhe. Eine Etappe birgt ein gewisses Eisschlag- und Lawinenrisiko, auch Spaltenstürze gehören an diesem Berg zum Standardprogramm. Das Wetter ist oft wechselhaft, Kaltlufteinbrüche aus Norden können auch im Sommer Schnee bis ins Basislager bringen.


Hier nun eine kurze Übersicht der Etappen:

Basecamp (BC: 3600m) - Advanced basecamp (ABC/Camp1: 4400m): Lange Wanderung über den Pass der Reisenden, von saftiger Wiese (u.a. Zwiebelwiese) über Geröll bis zum Gletscher. Gefahren: Potentieller Steinschlag in den Schuttquerungen, Überquerung des Gletscherflusses (je nach Bedingungen, bis Mittag oft noch leicht passierbar, Pferdeservice für ein paar Dollar verfügbar)

ABC - Erstes Hochlager (Camp2: 5300m)
Die objektiv gefährlichste Etappe. Nach Neuschneefällen besser meiden. Mit Eisschlag ist jedoch immer zu rechnen. Dabei jedoch nicht so dramatisch, wie sie aus ferner Perspektive erscheinen mag. Wenn man darin ist, weniger bedrohlich wirkend. Es handelt sich hierbei normalerweise um die einzige Etappe, die in Seilschaft gegangen wird (außer von den Portern). Ein spaltenreicher Gletscher in der mächtigen Nordflanke des Lenin. Schlüsselstelle ca. 30m 45° Eis und je nach Bedingungen Leiter(n) über große Spalte(n).

Camp2 - Zweites Hochlager (Camp3: 6100m)
Objektiv ziemlich sicherer Anstieg, der normalerweise nicht als Seilschaft gegangen wird. Dabei sollte man jedoch dennoch ein wenig nach Spalten Ausschau halten, die es vor allem in den beiden Steilaufschwüngen (40° Eis) vereinzelt gibt. Letzter Aufschwung vor allem mit schwerem Rucksack sehr anstrengend.

Camp3 - Gipfel (7134m)
In Beschreibungen oft als unmenschlich lang beschrieben, so dass manche noch ein drittes Hochlager auf über 6300m aufschlagen. Macht aus meiner Sicht jedoch keinen Sinn, da es mir lieber ist, mit wenig Gepäck eine lange Etappe zu laufen als sich die Mühe zu machen, Zelte noch weiter bis nach oben zu schleppen. Ja, der Weg zum Gipfel ist lang (habe allein 9,5h bis zum Gipfel gebraucht, ca. 5h für den Abstieg), was aber bei gutem Wetter kein Problem ist. Bis auf das Messer (auch ein bisschen ausgesetzt) technisch leicht, beim ersten Aufschwung im oft schneearmen Hang Trittsicherheit erforderlich. Spalten habe ich nur im unteren Teil bis zur Senke gesehen, im Plateau vor dem Gipfel habe ich keine gesehen (was natürlich nicht heißt, dass es keine geben muss). Hier kann also jeder in seinem eigenen Tempo ohne Seilschaftsverbund glücklich werden. Ein bisschen fies ist der 100m-Gegenanstieg. So sollte man bei der Rückkehr zum Camp3 nochmals bis zum Schluss eine Kraftreserve haben, um nicht kurz vor dem Camp noch im Schnee liegen zu bleiben.


Wie sind die Lager?

Wir hatten Vollpension in den Basislagern, was ich nur empfehlen kann. In den Hochlagern darf man dann ja ohnehin selbst kochen. Beide Basislager werden von sehr engagierten jungen Chefinnen geführt, die den Laden voll im Griff haben. Keine leichte Aufgabe bei ständig wechselndem Andrang von Bergsteigern und den harten Bedingungen am Berg.

BC: Idyllisch gelegen in blühender Wiese mit Blick auf den noch 15km entfernten Pik Lenin. Ab und zu kommt eine Kuh vorbei. Geräumige Zweimannzelte mit Bettdecken und Nachttischlampen (!) bieten die perfekte Erholung. Es gibt Wi-Fi, eine Sauna (Banja), 3 Toiletten mit Spülung, Waschgelegenheiten mit fließend Wasser und einen Supermarkt mit Lebensmitteln und Bergsportausrüstung. Es handelt sich also schon fast um eine All-inclusive-Hotelanlage. Gemütliche Liegestühle laden zum Chillen ein, ein Lagerarzt bietet sich an, bedeutende Körperfunktionen wie die Blutsauerstoffsättigung zu messen, und dreimal am Tag gibt es Essen in einer gemütlichen Jurte. Das Essen ist wirklich gut, sieht man einmal von Ziegenfett ab, das allen von uns nicht ganz gut bekommen ist. So gehören gewisse Magen/Darmbeschwerden bis zu einem gewissen Grad einfach dazu, der westliche Magen ist da nicht ganz so robust. Auch sollte man Knoblauch mögen. Die Temperaturen sind super hier, tagsüber bis zu 15-20 Grad, nur morgens frisch im einstelligen Plusbereich. Aber selbst hier kann es auch im Sommer einmal Schneefall geben.

ABC: Der Luxus ist im Vergleich zum BC nur ein bisschen reduziert. Kein fließendes Wasser, keine Toilettenspülung und keine Bettdecken mehr, sonst ähnlich. Selbst das Essen vergleichbar mit dem im BC, was erstaunlich ist, wenn man bedenkt, dass alles per Pferd und Esel hierher transportiert wird, z.B. unzählige Wassermelonen, die es oft als Nachtisch gibt. Die umgebende Landschaft ist natürlich eine andere. Man befindet sich auf einer Schuttmoräne umgeben von Gletschern mit einem gewaltigen Blick auf die Pik-Lenin-Nordflanke, in der man ständig Seilschaften klein wie Ameisen erblickt. Temperaturrange hier: tagsüber meist einstellige Plusgrade, nachts oft ordentlich frostig.

Camp2: Das unangenehmste Lager von allen. Hier sollte man nicht länger als nötig verweilen. Die Zeltplätze sind meistens uneben, was daran liegt, dass das Lager sich nach dem verheerenden Unglück im Jahr 1990 nicht mehr in der Senke befindet sondern am lawinensicheren Südhang daneben. Man befindet sich an der Grenze von Gletscher zu Schutt, hier hat es Spalten (manche direkt neben Zelten) und der Toilettengang gestaltet sich aufwändig, langes Luftanhalten bei aperen Verhältnissen ist von Vorteil. Ebenso kann es in den Zelten tagsüber unfassbar heiß werden (die Location wird nicht umsonst frying pan genannt: Sonne+Schnee, wenig Wind), man hat also nur die Wahl zwischen angenehmer Temperatur (draußen, meist um den Gefrierpunkt oder sogar etwas darüber) oder Schatten (drinnen), beides gleichzeitig geht nicht. 

Camp3: Ein bisschen das Gegenteil von Camp2. Gelegen auf dem Wind ausgesetzter Kuppe, eben, praktisch keine Spalten, kühl, also normalerweise dauerhaft unter 0°C. Früh morgens um die -20°C. Hier hat man zudem eine gigantische Aussicht in das wilde, verschneite Pamir von Tadschikistan. Man fühlt sich auch deshalb nicht so eingeengt hier, weil man einen kleinen Spaziergang zum sanft runden Pik Rasdelnaja machen kann. Der lange Grat zum Pik Lenin ist weitgehend einsehbar und man kann sich mental auf den Gipfelsturm einstellen. Im Zelt ist es tagsüber angenehm, was die Temperaturen betrifft, nur früh morgens (wir starteten um 2:15 Uhr) ist es etwas unbequem, sich aus dem schön warmen Schlafsack raus aus dem Zelt zu wagen. Aber das nimmt man in Kauf, wenn man motiviert Richtung Gipfel startet.


Wie ist das Wetter?

Ein ganz entscheidender Punkt. Betrachtet man die Liste der erfolgreichen Gipfelstürmer auf der Homepage von centralasia-travel, fällt auf, dass sich die Gipfelbesteigungen an bestimmen Tagen häufen, dazwischen liegen oft Tage ohne einen einzigen Gipfelerfolg. Das bedeutet also, dass schlechtes Wetter nicht wirklich selten vorkommt und man seine Gipfelstrategie sehr gut planen sollte, da ja der summit push vom ABC drei (mit Abstieg vier) Tage in Anspruch nimmt. Selbst an guten Tagen kann eine Gipfelbesteigung unmöglich sein, weil beispielweise frischer Neuschnee liegt und selbst wenn der Aufstieg ins Camp3 möglich ist, kann am selben Tag der Gipfel unmöglich sein, weil am Grat oben der Wind zu stark ist. Dennoch gibt es hier kein Islandwetter. Viele Tage verlaufen morgens klar und im Laufe des Nachmittags zieht es zu. Die klassische flache Druckverteilung wie man sie auch aus den Alpen kennt. Der Tiefdruck (Bodendruck) ist aufgrund des Kontinentalklimas weniger dramatisch, da die Feuchtigkeit fehlt und zudem in der Höhe oft der Rücken des persischen Golfs bis nach Zentralasien vorrückt. Es gibt allerdings auch Troglagen und dies führte in unserem Fall dazu, dass an zwei Nächten in Folge ordentlich Neuschnee fiel, weswegen wir unseren summit push um 2 Tage nach hinten verschieben mussten. Da kann es im nahen Osch strahlend sonnig (wie meistens dort) sein, der Lenin kann in Wolken eingehüllt sein. Der Sommer-Monsun spielt aufgrund der nördlichen Breite keine Rolle, daher sind die warmen Monate Juli/August die geeignetsten. Für die Planung eignen sich folgende Wetterseiten:



Nun zum konkreten Ablauf, ich fasse mich kurz:

20./21.07.
Flug München-Istanbul-Bischkek-Osch. Danach Stadtführung bei völliger Übermüdung. Besichtigung des Suleiman-Bergs, draußen 37°C, im Höhlensystem ca. 20 Grad kälter. Besuch Markt und später Chillen an der Cocktailbar am Pool, noch nie günstigere Cocktails getrunken. Gemütliches Abendessen in lauer Sommernacht.

22.07.
5-6-stündige Fahrt von Osch ins BC, die letzte Stunde schaukelt es gewaltig in der steppenartigen Landschaft. Einrichten im Lager und kleine Wanderung.

23.07.
Vormittags Entspannung, nachmittags Wanderung bis auf ca. 4200m

24.07.
Vormittags Check der Zelt/Kocherausrüstung, nachmittags Entspannung

25.07.
5-stündiger Aufstieg ins ABC. Bis zu 20kg pro Person werden mit Pferden transportiert.

26.07.
Akklimatisierungstour auf ca. 4800m. Ein Teilnehmer bleibt aufgrund gesundheitlicher Probleme im ABC.

27.07.
Entspannung

28.07.
Üben der Spaltenbergung, Entspannung

29.07.
Weiterer Ruhetag wegen Neuschnee, nach gemeinsamer "Krisensitzung" beim Frühstück

30.07.
Anstrengender Aufstieg zum Camp2 in zwei 4er-Seilschaften. Zwei weitere bleiben im ABC aufgrund kürzlicher Todesfälle am Berg.

31.07.
Anstrengender Aufstieg zum Camp3. Oben ein wenig Kopfschmerzen. Abstieg ins Camp2. Zwei Teilnehmer bleiben wegen Unwohlsein/Erschöpfung im Camp2, zwei kehren vor Camp3 wegen körperlicher Beschwerden um.

01.08.
Abstieg ins ABC.

02.08.
Ruhetag im ABC.

03.08.
Aufstieg ins Camp2 in 6er-Seilschaft. Zwei bleiben aufgrund körperlicher Probleme im ABC, darunter auch der Expeditionsleiter. Er hält mit uns fortan Funkkontakt.

04.08.
Aufstieg ins Camp3. Dieses Mal keine Kopfschmerzen.

05.08.
Gipfeltag: Die ersten 4 Stunden in klirrender Kälte und Dunkelheit mit kalten Füßen bis unterhalb des Messers. Dann Auseinanderlaufen der Gruppe, anstrengend das Messer hoch und anschließend ewiger Hatsch. Im großen Plateau Pause sitzend im Schnee und mühsam weiter hoch den Schlusshang. Gipfel als Zweiter der Gruppe erreicht um 11:40 Uhr bei optimalen Bedingungen: -11°C, kein Wind. Nun ist es also geschafft, die Sicht ist überwältigend und auch dem Kopf geht´s der Höhe entsprechend gut. Konzentrierter Abstieg, insbesondere am Messer. Danach zunehmend torkelnder Gang und mit fast letzter Kraft den Gegenanstieg hoch. Ankunft Camp3 um ca. 17 Uhr.

06.08.
Abstieg bis Camp2, dort alles packen und mit maximalem Gepäck (>20kg) bis ins ABC mit freundlichem Empfang. Abends Gipfelkuchenparty.

07.08.
Abstieg ins BC. Erste Dusche nach 2 Wochen ohne. Abends Vodka/Cognac-Party fast bis zur Besinnungslosigkeit.

08.08.
Vormittags Erholung, nachmittags kleine Wanderung zu einem schönen See.

09.08.
Überreichung der Urkunden und zweiter Gipfelkuchen. Fahrt zurück nach Osch.

10.08.
Besuch Markt in Osch, Stadtspaziergang, Besichtigung Lenin-Denkmal.

11.08.
Flug nach Bischkek, dort Stadtrundgang.

12.08.
Flug Bischkek-Istanbul-München


Noch ein paar kleine Anekdoten:

Die Welt ist ja bekanntlich klein. So traf ich im BC eine Zweiergruppe: Onkel und Neffe. Später kamen wir im ABC nochmals intensiver ins Gespräch und dabei stellte sich heraus, dass die beiden doch tatsächlich Verwandtschaft in meinem kleinen Heimatdorf haben. Sie erreichten einen Tag nach uns den Gipfel, und das in kompletter Eigenregie, Respekt!

Im ABC gab es auch einen Lagerarzt. Dieser weckte mich bei meinem Nachmittagsschlaf, worauf ich gerädert aufstand und mich vor seinem Zelt in der Kälte platzierte, um aufgerufen zu werden. Das Warten dauerte mir zu lang und ich ging verärgert zurück ins Zelt. Das war meine einzige Begegnung mit dem ABC-Arzt. Beim BC-Arzt war ich einmal freiwillig aufgrund der Neugier auf die Ergebnisse.

Ein Expeditionsteilnehmer ist auch Arzt. Wir nannten ihn Dr. Bob, er konnte uns in Sachen Höhenmedizin immer Ratschläge geben und hatte stets eine halbe Apotheke dabei, die uns bei Bedarf zur Verfügung stand. Glücklicherweise war ich nie in dem Maße angeschlagen, darauf angewiesen zu sein, aber es ist ein gutes Gefühl zu wissen, im Notfall professionelle Hilfe erwarten zu können.

Ein 67-jähriger waghalsiger Japaner wollte den Gipfel alleine bezwingen. Der Lager-Funker im ABC gab dazu folgendes Statement ab: Bis Camp 3 kommt er, wenn er weiter geht, stirbt er. Der Japaner war dann doch vernünftig und ging nicht weiter. Der Funker war gleichzeitig auch immer Ansprechpartner für die Bedingungen am Berg. Von ihm wissen wir, dass die Lawinen in der Saison vielleicht ein/zwei Mal bis zum Weg kommen, nicht öfter. Das war während unseres ABC-Aufenthalts der Fall. Eisschlag kann jedoch immer auftreten, sein Tipp hierzu: Schauen und gegebenenfalls rennen (in Seilschaft und Höhe sehr ambitioniert).

Als ich im Camp3 einmal nachts raus musste (die Lösung mit der Flasche fand ich irgendwie nicht so angenehm), fand ich meine Stirnlampe nicht. Deswegen musste ich, kletternd über meinem Zeltkollegen und fast platzend, verzweifelt den Reißverschluss suchen. In letzter Sekunde gelang es mir das Zelt zu öffnen und in Socken (die Innenschuhe hatte ich nicht an) noch ein paar Meter über den Schnee zu rennen, bevor ein Wasserfall aus mir heraus plätscherte. Danach genoss ich kurz den unfassbaren Blick in den Sternenhimmel und begab mich zurück ins Zelt. Wegen der trockenen Luft wurden meine Socken nicht nass und ich konnte sie am nächsten Tag anbehalten.

Bei der Vodka/Cognac-Party haben wir den ganzen Vodka-Bestand des BC vernichtet. Deswegen waren wir gezwungen mit Cognac fortzufahren, was definitiv keine gute Idee war. Ich weiß noch, dass sich eine Russin zu uns gesellte, die beteuerte, sich zurückzuhalten, um am nächsten Tag fit zu sein... Dann wachte ich auch schon morgens im Zelt auf, ohne mich an den Rest des Abends zu erinnern.

Mein angenehmer Zeltkollege erlangte Berühmtheit für sein stundenlanges Abchillen im Liegestuhl, manchmal genüsslich mit einem Bier. Am Ende hing ihm das Essen im BC zum Hals raus und er weigerte sich zuerst seinem Liegestuhl zu entfliehen. Gut, dass er es dann doch tat, denn an diesem Tag gab es sein Lieblingsgericht.

Einen Heli haben wir nie gesehen. Zur Begründung hieß es: Der sei zur Zeit kaputt.

Nach der Tour war ich 5kg leichter und bestand gefühlt zur Hälfte aus Knoblauch.


Abschließende Tipps:

  • Die komplette Ausrüstung werde ich hier nicht aufzählen. Das weiß jeder Bergsteiger selbst, der ein solches Projekt plant. Ich möchte jedoch wärmstens die Spantik-Expeditionsschuhe empfehlen. Sie sind gemütliche und perfekte 7000er-Stiefel. Ich gebe zu, dass die Füße zwar am Anfang der Gipfeletappe etwas kalt waren, das waren sie aber auch bei manchen mit 8000er-Schuhen. Der Spantik ist meiner Meinung nach ein super Kompromiss und man kann ihn sogar neu für ca. 350€ bekommen. Ich kaufte ihn nach ausgiebiger Internetrecherche direkt ohne Anprobieren in 45.5 und er sitzt einfach perfekt (Habe normalerweise eher 43.5-44).
  • Obwohl es in den Basislagern von Zeit zu Zeit Strom gibt, ist es nicht verkehrt, noch ein Solarpanel mitzunehmen, um maximal flexibel zu sein. Bei der hohen Sonneneinstrahlung hat man somit Handy oder Akkus für Kamera/Stirnlampen ruckzuck selbst aufgeladen.
  • Zwei Schlafsäcke machen Sinn, um weniger zu schleppen. Einer (-10°C komfortabel) fürs ABC und einer für die Hochlager (-20°C komfortabel).
  • Es macht durchaus Sinn, in den Hochlagern Zelte zu mieten. Wir verfolgten eine Mischtaktik aus eigenen Zelten und Mietzelten, um maximal flexibel zu sein. Außerdem macht es gerade wegen des Platzmangels in Camp2 Sinn, dort ein Zelt zu mieten, um einen halbwegs ebenen Schlafplatz zu haben. 
  • Die Akklimatisierungstaktik, wie wir sie durchgeführt haben, würde ich als optimal bezeichnen. Von Ankunft BC bis Gipfel 2 Wochen. Vor dem Gipfel drei (zwei vor ABC Ruhetag und eine beim summit push) Übernachtungen in Camp2 und eine in Camp3, das genügt.


Hier befindet sich eine Vielzahl (viel heißt viel) an Bildern zur Tour:

https://www.fels-und-eis.de/pik-lenin-7134m/


Ich würde mich freuen, wenn ich den ein oder anderen neugierig gemacht und vielleicht sogar dazu gebracht habe, selbst die Tour in Angriff zu nehmen. Mit Hochtourenerfahrung und am besten einem 6000er in der Tasche, ist der Pik Lenin als Einstieg ins Expeditionsbergsteigen der nächste logische Schritt und ebnet Wege für Höheres.

Zum Schluss möchte ich mich bei allen Teammitgliedern, dem Expeditionsleiter und dem ganzen Service-Personal in den Basislagern herzlich bedanken. Durch sie wurde dieser Expeditionsurlaub zu einem unvergesslichen Erlebnis! 


Tourengänger: bnsndn


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Kommentare (7)


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jfk hat gesagt:
Gesendet am 12. November 2018 um 21:26
Hoi bnsndn

Gratuliere zum Lenin! Ein eindrücklicher Berg. Hoffentlich konntest du viele positive, unvergessliche Erlebnisse mit nach Hause nehmen. Ich kann sicher noch lange vom Gipfel zehren.
War von Mitte August bis Mitte Oktober ebenfalls in Kirgistan unterwegs.

Gruss Jonas

bnsndn hat gesagt: RE:
Gesendet am 12. November 2018 um 23:50
Vielen Dank! Ja, so ist es, kann man lang von zehren. :)
D.h. du warst dann vor einiger Zeit schon oben? Oder erst jetzt so spät noch im Jahr?

Viele Grüße
Björn

jfk hat gesagt: RE:
Gesendet am 16. November 2018 um 16:42
War am 30.8. oben. Vermutlich einer der letzten in dieser Saison.

bnsndn hat gesagt: RE:
Gesendet am 19. November 2018 um 00:31
Glückwünsch! Respekt, Ende August waren die Bedingungen sicherlich schon nicht mehr die besten...

flohof hat gesagt:
Gesendet am 4. Dezember 2018 um 10:18
Toller Bericht!

Stefan_F hat gesagt:
Gesendet am 27. Oktober 2020 um 14:37
Hallo bnsndn,

vielen Dank für den tollen Bericht und natürlich noch herzlichen Glückwunsch zum Gipfel!
Ich möchte mich ausdrücklich für die vielen guten Informationen in dem Bericht bedanken. Für jemanden der noch nie so etwas gemacht hat, es aber vor hat, ist der Bericht so in der Form Gold wert! Mir ist da erstmal egal, wer sich vor wessen Zelt übergeben musste (was man oft anderswo liest), aber es ist sehr gut zu wissen welche Taktik, welcher Veranstalter oder welche Ausrüstung günstig ist und welceh Details man beachten sollte.

beste Grüße
Stefan

bnsndn hat gesagt: RE:
Gesendet am 12. November 2020 um 01:00
Hallo Stefan,

vielen Dank, das freut mich! :) Dann viel Erfolg bei der Unternehmung! Bei weiteren Fragen stehe ich gern zur Verfügung.

Viele Grüße
Björn


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