Im Reich der tausend Gämse: Spitzmauer & Weitgrubenkopf


Publiziert von ZvB , 7. November 2018 um 12:00.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Totes Gebirge
Tour Datum: 5 November 2018
Wandern Schwierigkeit: T3+ - anspruchsvolles Bergwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Klettersteig Schwierigkeit: K2 (WS)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   A-OÖ 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 1940 m
Abstieg: 1940 m
Strecke:28,8km
Kartennummer:AV 15/2

Einmal im Jahr muss es einfach sein, die Übernachtung im Winterraum! Das Ende der Sommersaison ist natürlich am besten geeignet. Die Biervorräte sind noch frisch und fast vollständig erhalten. Noch muss der innere Schweinehund nicht vor meterhohem Schnee kapitulieren. Auch Resturlaub ist noch ausreichend vorhanden.

So wie auch ich, macht auch das Wetter in den Dolomiten Urlaub von der Sonne. Schade! Ein neues Ziel muss her, ein Ziel mit Winterraum, Klettersteig und Sonnenschein. Mit diesem alpinen Überraschungsei im Hinterkopf und der Homepage des DAV vor Augen ist bald etwas gefunden: Das Tote Gebirge. Die genauere Wahl fällt auf die Spitzmauer und das Priel Schutzhaus.

Da stehe ich nun um 09:00 Uhr morgens am ersten Parkscheinautomaten hinter Hinterstoder. Ein Tag kostet 4,-€, zwei bis sieben Tage kosten 7,-€. Manche Rabattsysteme werde ich niemals verstehen.
Na ja, immerhin könnte ich hier sieben Tage am Stück parken oder vielleicht in einer Woche noch einmal für einen Tag vorbeischauen, pardon vorbeiparken...

Nach einer halben Stunde bin ich unter den mahnenden Blicken der Spitzmauer immerhin bis zum Polsterstüberl gelangt. Ein rüstiger, sympathischer Pensionär begegnet mir. Wir kommen ins Gespräch. U.a. werde ich über das Geheimnis des nahegelegenen Schiederweihers aufgeklärt. Selbiger wurde vor wenigen Tagen per TV-Voting zum schönsten Platz Österreichs gekürt. Schon erheben sich warnende Stimmen und beschwören die Invasion durch die Armee der Toilettenhäuschen begleitet von Touristenströmen herauf. Den Schiederweiher selbst gibt es auch noch nicht so lange. Der wurde nämlich vom Hofbaumeister Johann Schieder bis 1902 angelegt. Warum? -  Das gilt es noch herauszufinden, durch den rüstigen, sympathischen Pensionär. Wir müssen uns verabschieden und ich folge weiterhin geradewegs dem Tal der Krummen Steyr.

Endlich geht es steil bergauf. Das wurde aber auch Zeit nach dem flachen Gelatsche. Auf etwa 800 m.ü.M gelangt man an den Fuß des Klinserfalls. Wenn man nicht schon Wasser hierher getragen hätte, dann wäre jetzt die beste, wenn nicht gar letzte Gelegenheit dazu die leeren Flaschen aufzufüllen.

Nach reichlichem Zickzack, dem Passieren des Gott-sei-Dank-Bankerls und eines „Märchenwaldes“, folgt man zuletzt der Trasse der Materialseilbahn zum Priel Schutzhaus. Oh, der Wirt ist da und aktualisiert die Bierbestände im Winterraum! Ach, Wasserkanister hätte es hier auch gegeben!? Ein wirklich schöner Winterraum! Es gibt Schlafplätze für mindestens sieben Personen. Wenn alle Seitenschläfer wären, dann würde es auch zehn Bergsteigerinnen langen. Diese Spielwiese habe ich aber heute ganz für mich alleine…

Der Wirt hat die Hütte schon wieder verlassen. Ein Gamsrudel streift ganz nah um die Hütte. Ein Gamsbock verfolgt sie immer in gebührendem Abstand. Die Gämsen haben jedoch keinen Bock auf den Gamsbock…

Der Abend wird sehr lang. Die Zeitungen, eigentlich als Anzündpapier für den Ofen gedacht, liefern nur wenige Neuigkeiten. Die Kreuzworträtsel sind z.T. schon gelöst. Memo an mich selbst: Beim nächsten Mal unbedingt die Enzyklopädia Galatika einstecken!

Allein im Winterraum zu sein, das liefert schon den Stoff für Grusel und Schauer über den Rücken. Deshalb bin ich froh als dem Wecker graut und der Morgen klingelt. Nudeln gibt’s zum Frühstück und bereits vor Sieben starte ich unter den argwöhnischen Blicken des Schutzhausgamsrudels los. Die ersten Sonnenstrahlen erleuchten erst wenig später die Spitzen der Spitzmauer.

Bis zum Einstieg in den Stodertaler Klettersteig begegnen mir unzähligen Gämsen. Hier sind sie gar nicht scheu. Ein kapitalistischer Gamsbock nimmt sich an einer Engstelle sogar das Recht heraus, diese zuerst zu passieren. Ich muss warten. Als er vor mir steht, schaut er mich frech an und wendet sich dann erst in die Latschen ab. „O.k., diese Mal hast Du gewonnen! Aber beim nächsten Mal … ich weiß, wo Du wohnst …“

Nach dem Erreichen der Klinser Scharte wird es schattig. Man gelangt unter die Nordwand der Spitzmauer. Durch den engen Felskanal weht mir der Wind kräftig entgegen. Erstaunlich ist, dass er schwächer wird, je höher und damit näher man an den Einstieg des Klettersteigs gelangt. Bei einem großen Block im Schutt lege ich das Gurtzeugs an. Wie war das jetzt? Mütze über oder unter den Helm? Man verlässt den Schutt. Es geht über einige leichte Felsbänder (I). Bald darauf sieht man schon den Einstieg. Leider liegt zwischen ihm und mir hartgefrorener Altschnee. Bewaffnet mit zwei spitzen Steinen überwinde ich die unangenehme Passage heil und bestaune die senkrecht in den Himmel weisenden Eisenklammern.

Der Stodertaler Klettersteig (B) leitet 200 Hm über eine steile Mauerstufe. Drei Leiterpassagen führen jeweils über 40 – 50 m kontinuierlich nach oben, jeweils verbunden durch etwas flachere Passagen und/oder Quergänge. Es handelt sich um einen schön angelegten Klettersteig mit homogenen Schwierigkeiten, der auch natürlich Griffe und Tritte geschickt in die Routenführung miteinbezieht. Ein letztes Altschneefeld sorgt nochmals für einen Adrenalinschub, dann ist der Durchstieg bereits geschafft. Zwischen den Gipfeln von Weitgrubenkopf recht und Spitzmauer links weht mir stürmisch der Föhn entgegen…

Vor dem Gipfelanstieg auf die Spitzmauer habe ich etwas Angst. Auch hier gibt es harten Altschnee und der Wind packt mich oft am Rucksack. Ich werde hin und her geschüttelt. Erst weiter oben in den Kalkterrassen lässt der Sturm deutlich nach. Nach letzten spannenden Stellen erreiche ich den Gipfel. Der Wind weht nur mehr schwach. Deshalb nehmen die Wolkenfetzen zu. Im Süden sieht man gar nichts. Kein Dachstein! Schade!

Nach der Spitzmauer nehme ich noch den Weitgrubenkopf mit. Hier unten weht der Wind wieder stürmisch. Ich knie mich hin, um weniger Angriffsfläche zu bieten. Wenn man hier vom Wind gepackt würde, dann weht es einen mindestens bis zum Einstieg des Stodertaler Klettersteigs hinunter, quasi Hike & Fly für Arme…

Der weite und nicht viel leichtere Abstieg (T3..T3+) über den Maisenbergsattel hält noch eine Überraschung bereit. Es gibt Gegenverkehr! Nein, kein Gamsbock, sondern ein Mensch. Wir pflichten uns gegenseitig bei, dass wir nicht miteinander gerechnet hätten. „Hat es da oben noch viel Schnee“, werde ich gefragt. Beim Blick auf sein spärliches Schuhwerk wird mir die Intention sofort klar und ich antworte wahrheitsgemäß. Er will sich noch bis 13:00 Uhr Zeit nehmen. Später treffe ich ihn wieder. Leider hat es von Zeit und Schuhen her betrachtet nicht für ihn gereicht…

Der Abstieg nimmt noch reichlich Zeit in Anspruch und mir begegnen noch tausende von Gämsen. Herrlich war es auf meinem ersten Ausflug ins Tote Gebirge.

Freilich habe ich auch wieder Fotos mitgebracht. Sie tragen alle den Desktop-Passepartout bzw. schwarzen Trauerrand. Aber das passt ja zum Toten Gebirge…

Tourengänger: ZvB


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Kommentare (1)


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georgb hat gesagt:
Gesendet am 11. November 2018 um 20:15
Bravo Zing, willkommen zurück auf der Hikr-Hauptseite. Jetzt kann ich wieder geistvolle Kommentare direkt unter den Bericht stellen und deine geistvollen Texte stehen der breiten Öffentlichkeit und der ganzen Welt zur Verfügung ;-)


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