Wandertrilogie im Glencoe


Publiziert von frmat , 7. November 2018 um 23:14.

Region: Welt » United Kindom » Schottland
Tour Datum:30 Oktober 2018
Wandern Schwierigkeit: T4+ - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: GB 
Zeitbedarf: 3 Tage
Aufstieg: 3200 m
Abstieg: 3200 m
Strecke:ca. 32km
Unterkunftmöglichkeiten:Einige Unterkünfte in Glencoe Village, Campingplatz, B&B, etc...
Kartennummer:Phonemaps, kostelose Android App

Die Aussicht auf eine Woche Urlaub in Schottland weckte in uns Vorfreude auf einen gelungenen Mix aus Wandern, Whisky und Fish'n'Chips. Wir sollten nicht enttäuscht werden...

Mit dem Flieger von Basel nach Edinburgh ist die Anreise denkbar unkompliziert. Etwas stressiger ist dagegen die Fahrt in die Highlands mit dem Mietwagen, nicht nur wegen des ungewohnten Linksverkehrs, sondern v.a. wegen der achterbahnähnlichen, engen Straßen, die im abendlichen Nieselregen nicht immer leicht zu befahren sind.

Trotz der kleinen Hindernisse trafen wir nach drei Stunden Fahrt in Glencoe Village ein, wo wir im Beechwood Cottage eine gute und preisgünstige Unterkunft gebucht hatten.

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Schwierigkeit und Verhältnisse:

  • Drei der vier von uns durchgeführten Touren, nämlich Bidean nam Bian, Sgorr Dhearg und Ben Lomond sind bereits behikrt. Aufgrund der herbstlich-winterlichen Bedingungen fallen unsere Schwierigkeitsbewertungen jeweils ein wenig höher aus.
     
  • Die Tage um Allerheiligen können nicht gerade als ideale Reisezeit beschrieben werden, wir hatten jedoch durchaus akzeptable Bedingungen.
     
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Dienstag, 30.10.2018: Bidean nam Bian (1200Hm, 10km, 5:45h)
Herbst in den Highlands: Das bedeutet rauhes Wetter, überzuckerte Gipfel, erfrischende Temperaturen und ein tolles Farbenspiel. Die Highlands wirken hinsichtlich ihrer absoluten Höhe zwar nicht wie eine enorme Herausforderung. Diese Berge deshalb zu unterschätzen wäre jedoch fatal, was wir aus einschlägiger Literatur (sehr empfehlenswert ist der Rother-Wanderführer von Ralf Gantzhorn) und unserer ersten Schottland-Reise bereits wussten. Ohja, wer anrückt, um die "Hügel" mal eben mitzunehmen, dem zeigen sie ruckzuck wo der Frosch die Locken hat. Entsprechend ausgerüstet brachen wir zu unserer Premieren-Tour im Glencoe auf.
Mit der Überschreitung des Bidean nam Bian stand gleich am ersten Tag ein richtiges Highlight auf dem Programm. Unsere Runde entspricht beinahe dem Routenvorschlag aus dem Rother-Führer. Gegen halb zehn starten wir am Wanderparkplatz gegenüber der Three Sisters. Zunächst senkt sich der nicht zu verfehlende Pfad hinab zum Glencoe River, der auf einer Brücke überquert wird. Anschließend windet sich der gut ausgebaute Weg das rechte Tal hinauf, wo wir nach knapp anderthalb Stunden auf ein breites Plateau treffen (1:30h, T2).
Hier schlägt der Rother-Führer den Aufstieg zum Stob Coire nam Locham über dessen Ostgrat vor. Wir wenden uns stattdessen nach rechts und wandern über flache Wiesen, die nunmehr meist schneebedeckt sind, auf den im unteren Teil breiten Nordrücken des Stob, wo sich der Blick hinab nach Glencoe öffnet.
Über den gutmütigen Nordrücken geht's anschließend hinauf an die Gipfelhänge. Die mit Schnee überzuckerten Blöcke verlangen ein umsichtiges Steigen, mindestens um einen verstauchten Knöchel zu vermeiden. Nach knapp drei Stunden inkl. Pausen stehen wir schließlich auf dem ersten Tagesziel, dem Stob Coire nam Lochan (1h, T3).
Gegenüber zeigt sich dankenswerterweise bald auch unser Hauptziel, der Bidean nam Bian, dem wir über den Diamond Buttress zu Leibe Rücken. "Pfeiler" ist zwar eine große Bezeichnug für den Nordgrat, ganz unterschätzen sollte man die Route bei Schneelage jedoch nicht. Die unter dem Schnee kaum wahrnehmbaren Pfadspuren verlieren sich immer wieder in den Flanken, direkt am Pfeiler hat man es mit IIer Kletterei zu tun, bei diesen Bedingungen sind wir hier durchaus im T4-Bereich unterwegs. Ein Ausrutscher würde teilweise auch im Lost Valley enden und ist daher tunlichst zu vermeiden. Eine gute halbe Stunde nach Abmarsch vom ersten Gipfel kommen wir jedoch wohlbehalten auf dem Bidean nam Bian an, und auch Petrus ist unserer gnädig und gewährt uns einige Minuten schöner Aussicht bei jedoch bitterer Kälte (30Min, T4, I-II).
Über den Ostgrat wandern wir, unterbrochen von einer kurzen Kraxelpassage, insgesamt unschwierig hinab zum weiten Sattel, der den Bidean nam Bian vom nächsten Munro trennt. Auch weil langsam das Tageslicht zur Neige geht entscheiden wir uns für den direkten Abstieg ins Lost Valley. Bei den heutigen Bedingungen ist das garnicht mal so einfach. Ein Pärchen ist mit Steigeisen unterwegs. Auch die uns schon seit langem begleitenden Belgier sind sich der besten Route nicht schlüssig. Statt die normalerweise schuttige Rinne (heute eine schöne Bobbahn) zu nutzen, steige ich die begrenzende Flanke vorsichtig hinab. Die gefrorenen Grastritte ermöglichen ein verhältnismäßig zügiges und sicheres Absteigen, wobei auch hier gilt: Ausrutschen verboten. Ab 800m haben wir endlich wieder Matsch und Felsen unter den Füßen und steigen schließlich problemlos ins breite Lost Valley (auch Hidden Valley) ab (1:15h, oben T3, dann kurz T4+, unten T2).
Der Rest ist gemütliches Auslaufen, mit etwas Spaßkraxelei im Flussbett nach der Schwemmebene und einem etwas nervigen Hatscher zurück zum Parkplatz (1:15h, vereinzelt T3, meist T2). Insgesamt war die Tour ein herrlicher Auftakt unserer Schottland-Reise.


Mittwoch, 31.10.2018: Pap of Glencoe (700Hm, 7km, 3:00h)
  
Nach dem durchaus nennenswerten Trip des gestrigen Tages bekamen die Muskeln heute ein vergleichsweise einfaches Programm aufgeladen. Über dem Dorf erhebt sich die markante Nase des Sgorr na Cìche, der gewöhnlich aber Pap of Glencoe genannt wird. Seine gut 700Hm sind in knapp zwei Stunden locker zu meistern.
Wir starten an einem Parkplatz unweit von Glencoe Village an der alten Straße und sparen somit je 15Min Gehzeit. Kurz entlang der Straße, dann wandern wir links durch ein Gatter und über einen guten Weg bergan. Rasch biegt rechts der Normalweg ab. Wir bleiben jedoch geradeaus, queren nach einigen Minuten einen Flusslauf und folgen im Anschluss schwachen Pfadspuren im Gras bergan. Das mordrige Ambiente wird durch gelegentliche Schlammlöcher untermalt, wasserdichte Schuhe erleichtern das Ganze enorm. Nach einer guten Stunde reckt sich über uns der Gipfelkopf in den grauer werdenden Himmel (1:05h, T1 und T2).
Hier tauchen auch erste Schrofen auf und das Gelände steilt auf. Ab und an braucht es die Hände für's Gleichgewicht. Ohne Orientierungsprobleme gelangen wir schließlich aufs geräumige Gipfelplateau (40Min, T3), wo v.a. die Sicht auf den hinteren Teil des Loch Leven überzeugen kann.
Um den Berg zu überschreiten steigen wir schließlich über den Normalweg (östliche Route) ab, verlassen diesen aber nach wenigen Metern und steuern die steilere Flanke direkt an, statt diese links zu umgehen. Über eine Rinne (20m I+) kommen wir bald in den weiten Sattel, der den Pap of Glencoe vom Aonach Eagach Massiv trennt. Wie gerne hätte ich diesen Grat gemacht, aber das Wetter ließ es einfach nicht zu. Naja, eine weitere Gelegenheit zum Wiederkommen (15Min, T3).
Der weitere Abstieg zum Parkplatz verläuft unspektakulär auf deutlicher Pfadspur (1h, T2), die durch Erosion an manchen Stellen zu einer tiefen Rinne ummodelliert ist. Unmittelbar bevor der Regen einsetzt erreichen wir wieder das Auto.

Am Nachmittag fahren wir bei typisch schottischem Wetter durchs Glen Etive, bestaunen den formschönen Buachaille Etive Mor (auch auf den schönen Curved Ridge mussten wir wegen Schnee und Eis verzichten, hmpf), und machen die klassischen Bond-Fotos, denn hier wurde eine Szene aus Skyfall gedreht.


Donnerstag, 01.11.2018: Sgorr Dhearg (1300Hm, 16km, 5:30h)
  Der Sgorr Dhearg mit seinen Nachbarn Sgorr Bhan und Sgorr Dhonuill steht etwas im Schatten der bekannteren Gipfel von Buachaille Etive Mor, Bidean Nam Bian und Aonach Eagach. Da das Wetter ohnehin keine Grattouren zuließ und der Kollege einen Ruhetag bevorzugte fiel die Wahl auf das Alternativziel.
Start der an sich netten Unternehmung ist das Örtchen Ballachulish, was außer einem Supermarkt nicht viel zu bieten hat. An der Grundschule und einem Bauernhof vorbei mache ich bei sonnigem Wetter auf, das Dreigestirn zu überschreiten. Sofern man die Kletterstellen umgeht handelt es sich um eine einfache T3-Wanderung, direkt am Grat wartet IIer-Kletterei - alles bei sommerlichen Verhältnissen wohlgemerkt. Danach sah es unten auch noch aus, sodass ich zügig zum Einstieg in den Grat auf 700m hinauf marschiere (1:15h, T2).
Mittlerweile umgibt mich recht dichter Nebel, der Boden ist von einer dünnen Schneeschicht bedeckt, die eine Umgehung der Kletterei in den Flanken vereitelt. Denn weder ist der Pfad durchgehend sichtbar, noch ist das Ganze ohne Risiko anzugehen, denn die Hänge sind schon recht steil, wie gesagt schneebedeckt und von Felsen durchzogen. Ein Sturz wäre maximal unschön. Da ich zudem auch alleine bin überlege ich kurz die Tour abzubrechen, was wohl auch vernünftig gewesen wäre. Aber wenn man schon mal da ist... angucken geht ja. Also steige ich die glibberigen Felsen hinauf, die zwar nirgends schwer sind, aber eher abwärts geschichtet und wirklich rutschig. Da auch die beste Route wegen Nebel und Schnee nicht ersichtlich ist bin ich froh, nach wenigen Metern wieder Wandergelände vorzufinden, heute ist hier beim besten Willen nix mit T3 zu bewerten. Eine weitere Kletterpassage passiert, dann ist der Weg zum Gipfel des Sgorr Bhan frei (1h, T4+).
Da ich mal gar keine Lust habe all das wieder runterzukriechen heißt es nun, die Flucht nach vorne anzutreten. Bei weiterhin starkem Wind, jedoch auch kurzzeitig besserer Sicht ist der Übergang zum Sgorr Dhearg jetzt einfach zu finden. Oben zieht es leider wieder zu, sodass jetzt die GPS-App zum Einsatz kommt, kommen muss! Leicht linkshaltend navigiere ich so gut es geht in den weiten Col Bhein a'Bheitir zwischen den beiden Munros des heutigen Tages (45Min, T2-3). Hier böte sich an, die Tour nach rechts abzubrechen. Allerdings bin ich momentan unter den Wolken und wie gesagt, wenn man schonmal da ist... Also weiter!
Diese Entscheidung bereue ich in der nächsten Stunde mehrfach. Sei es beim oben unangenehmen Schlussgrat im unübersichtlich verschneiten und teils ausgesetzen Blockgelände oder beim darauffolgenden Abstieg, wo mir die Schneekristalle waagerecht entgegenprasseln, sodass ich tatsächlich die Sonnenbrille aufsetzen muss um überhaupt weiterlaufen zu können. Aussicht fiel natürlich aus. Erst als ich den nächsten Col erreiche reißt es wieder ein wenig auf, ich kann das Meer sehen, zwar nur kurz aber immerhin. Zudem verrät mir die App nun, dass ich nach rechts abbiegen soll. Da ich keine Lust auf weitere Eskapaden habe suche ich die Route hinab. Was ich finde ist eine steile Geröllrinne, natürlich mit Schnee und Eis. Ernsthaft? Naja, auf alles zurück habe ich nun gar keine Lust, also teste ich die Rinne mal an. Auch wenn es technisch eigentlich trivial ist, heute ist der Wohlfühlbereich schon längst verlassen worden. Die Abrutschpartie erfolgt entsprechend langsam und hochkonzentriert. Als ich auf 600m mit einem Schaf das erste fremde Lebewesen des Tages treffe (ja die Schotten sind schlau und bleiben an solchen Tagen daheim am Kamin hocken), gibt's auch die erste feste Nahrung für die Tour. Nein, nicht das Schaf, sondern mehrere Schokoriegel. Vorher war für ein entspanntes Picknick keine Gelegenheit (1:15h, T4+).
Mittlerweile macht sich auch die Freude breit, es trotz widriger Umstände durchgezogen zu haben. Dank der guten Ausrüstung und etwas Bergerfahrung hat's auch ab und zu Spaß gemacht. Gemeinerweise sind die Gipfel nun frei, was mir zwar einen schönen Rückblick ermöglicht, mich aber dennoch ärgert. Wäre ich mal eine Stunde später gestartet. So marschiere ich hinab zu einer abgerodeten Fläche, folge dem Wanderpfad und stehe plötzlich vor einem Fluss, einem richtigen. Meinen die tatsächlich ernst, dass man da durch laufen muss, hmpf. Noch ein Ausrüstungstest bestanden. Der Rückmarsch nach Ballachulish entlang der Straße im nun wieder einsetzenden Regen ist zur Gänze unspaßig aber was soll's (1:15h, T2). Schließlich lockt am Horizont schon ein weiteres tolles Wanderziel, *hoch über dem Loch Lomond :)

Tourengänger: frmat


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Kommentare (5)


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pame hat gesagt:
Gesendet am 9. November 2018 um 02:48
Schöne Tour(en) mit tollen Bildern. Solch eine stimmungsvolle Herbstatmosphäre kannte ich aus den Highlands noch nicht.

frmat hat gesagt: RE:
Gesendet am 9. November 2018 um 14:41
Hallo pame, ja dein Tourenbericht zum Sgorr Dhearg war mir der Anlass diese Tour zu laufen, ist sie sonst doch nirgends beschrieben. Beim nächsten Mal würde ich mir aber bessere Sicht und weniger Schnee wünschen, um die Landschaft auch wirklich genießen zu können!

WoPo1961 hat gesagt:
Gesendet am 9. November 2018 um 09:19
Hi frmat
Mut wird belohnt... nicht immer, aber in deinem Fall definitiv. Denn wer fährt schon Ende Oktober/Anfang November nach Schottland in die Highlands??? Die Gegend ist um diese Zeit nicht gerade für seine konstanten Schönwetterfenster bekannt. 6nd die Verhältnisse an den Bergen, die du vorgefunden hast, zeigen das die Sonne nicht immer am blauen Himmel zu finden ist. Reeeespekt, wer trotzdem dort hinfährt und hinauf steigt!
Die Bilder von dort sind sehr eindrücklich.
Wir waren vor ca 10 Jahren in der Gegend u waren auf dem B. Etive Mor... Aber im Juli bei besten Bedingungen.
Grüße aus Flachlandhausen
WoPo

frmat hat gesagt: RE:
Gesendet am 9. November 2018 um 14:44
Hoi WoPo,
Mut wird belohnt? Zumindest wird Dummheit (diesmal) nicht bestraft. Bislang haben wir im Herbst auf den britischen Inseln recht gute Erfahrungen mit dem Wetter gemacht. In den Highlands ist es aber schon derb, das stimmt. Deinen Bericht zum BEM hab ich gelesen, leider war die Tour bei unserem Besuch beim besten Willen nicht zu verantworten. Aber vielleicht fahre ich mal mit dem Camper im Sommer durch Schottland, es gibt wirklich SO VIELE RICHTIG COOLE Ziele (An Teallach, A Maighden, InPin u.v.a.m.).
Beste Grüße ins schöne Westfalen!

WoPo1961 hat gesagt: RE:
Gesendet am 10. November 2018 um 00:01
Nee, nix Dummheit!! Zur (fast) richtigen Zeit am richtigen Ort sein.. DAS hast du geschafft. Viel besser kann es für schottische Verhältnisse nicht werden. Vor allen Dingen hattest du keine Probleme mit diesen lästigen Mistviechern... Den midges!! Da läßt es sich mit Wind, Schnee und kühlen Temperaturen doch gut leben.
Ich bin jedenfalls auch total begeistert von den Highlands und werde sicherlich noch das eine oder andere Mal dort herum schawenzeln.
Grüße aus dem hohen Norden
WoPo


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