Rundummerdumm: Teichoskopie in Nördlingen


Publiziert von Waldelfe , 30. Dezember 2018 um 20:41. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Deutschland » Südwestliche Mittelgebirge » Schwäbische Alb
Tour Datum:27 Oktober 2018
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Aufstieg: 6 m
Abstieg: 6 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Am besten aus nördlicher Richtung nach Nördlingen
Unterkunftmöglichkeiten:In Nördlingen - oder nördlich davon.

"Die Nördlinger Stadtmauer ist die einzige Stadtmauer Deutschlands, die einen vollständig erhaltenen, begehbaren und überdachten Wehrgang besitzt. Sie umschließt die komplette mittelalterliche Altstadt von Nördlingen und ist auf einer Länge von 2,6 Kilometern durchgängig begehbar."

Sagt die Wikipedia, also isses richtig.

Und in Nördlingen ist alles rund: Das Ries, die Stadt, die Kreisverkehre (ou Män! So doppeldeutig!), die Kreisverkehrsbeschilderung, Sonne und Mond, Lakritzschnecken, Kreissägen, die Pupillen der Nördlinger, Kreise, und natürlich die Sache, die das alles ist. Vor allem aber eines: die Stadtmauer. Nördlingen ist defi keine kreisfreie Stadt. Und dieser Tourenbericht ist demnach ein Rundschreiben.

Und so zogen Nik und ich an einem verregneten Kreistag aus, die Rundungen der wohlgerundeten Stadt zu erkunden. Doch so einfach ist das nicht. Es gibt gleich mehrererere entscheidende Entscheidungen, die zu treffen ganz entscheidend ist. Von diesen entscheidenden Entscheidungen hängt ganz entscheidend ab, welches Geherlebnis man beim Gehen erlebt. Diese Fragen lauten:

1. Wo komme ich her?

2. Wo gehe ich hin?

3. Was soll ich tun?


Übersetzt in Nördlinger Verhältnisse verhält es sich so:

1. Linksherum?

2. Oder rechtsherum?

3. Wo steige ich ein?


Das Schild spricht eine eindeutige Sprache: Linksherum. Wir sind ja auch in Bayern, da gehen bekanntlich die Uhren anders (und alles ist links), also ignorierten wir den Uhrzeigersinn. Linksherum.

Doch Vorsicht! Absturzgefahr! Betreten der Stadtmauer auf eigene Gefahr. Wir befinden uns also in Absturzgelände. Immerhin ist eine Mauer nichts anderes als der perfekte Grat: Schmal, und links und rechts geht es runter. Senkrecht, darin liegt die Perfektion. Und in der Überdachung. Welchen Grat kann man schon bei Regen bedenkenlos begehen? Sic. Den perfekten.

Die Stadtmauer ist von großer kulturhistorischer Bedeutung. Sie ist sozang (mal ehrlich - niemand sagt "sozusagen", oder?) ein Kulturkreis. Aus diesem Grund werde ich zu jedem Turm und jedem Tor bissl was erzählen.

Los ging's beim Deininger Tor. Die Rundroute ist ein Rundweg, was den Vorteil hat, dass man ohne größere intellektuelle Anstrengung am Ausgangspunkt wieder ankommt.

Das Deininger Tor betörte die Straße von Regensburg nach Wien (Nik ist mal von Wien nach Monaco gelaufen, aber das hat mit diesem Tor überhaupt nichts zu tun, abgesehen davon, dass es eventuell töricht ist). Während einer Belagerung im Jahr 1634 (Dreißigjähriger Krieg) eroberten kaiserliche Truppen den den Turm. Die Nördlinger - feueraffin wie die Hexenverbrenner nun einmal sind - fackelten nicht lang und fackelten den Turm daraufhin ab. Der heutige Bau entstand gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges.


Das Deininger Tor ließen wir schnell hinter uns. Weiter ging's mit unserem Rundgang auf dem Grat. Nächste Station war das Löpsinger Tor.

Das Löpsinger Tor sicherte die Handelsstraße nach Nürnberg. Es wurde vor 1388 erbaut, 1592 abgetragen und in den darauf folgenden Jahren im Stil des Deininger Tores neu errichtet. Eine Sonnenuhr, die bei schönem Wetter sicher etwas nützt, stammt aus dem Jahr 1837. Heute ist im Tor das Stadtmauermuseum untergebracht.

Ein Kopf (kein echter) an der Decke der Durchfahrt erinnert an die Nördlinger Sage vom „So G’sell so“, deren Schauplatz das Löpsinger Tor ist. Selber auschecken.


Wahrscheinlich wegen des Stadtmauermuseums war hier ein erhöhtes Kreiverkehrsaufkommen. Da die Tour überdacht ist - mit Rundhölzern vermutlich -, ist sie auch bei Regenwetter beliebt. Man achte also achtsam auf erhöhten Kreisverkehr.

Der Untere Wasserturm, durch den die Eger aus der Stadt hinausfließt, wurde im 15. Jahrhundert erbaut. Er war notwendig, um diese Schwachstelle zu schützen.
 

Man soll weder  Eger , noch Oger durchlassen, sonst  kann der Frömmste nicht in Frieden leben. Und prompt hielt Nik plötzlich inne. Wie ein Plotz. Was los sei, fragte ich. Er beschwerte sich über den Wegverlauf. Kreislaufbeschwerden. Jetzt hieß es: sc hnell handeln. Ich brauchte sofort einen Spitzturm.

Der Spitzturm wurde ebenfalls im 15. Jahrhundert erbaut. Sein Name stammt doch tatsächlich von seinem spitzen Turmhelm...
 

Bald ging es Nik wieder besser - rechtzeitig vor Erreichen des Baldinger Tors. Der rundliche Mann lief wieder rund, und wir setzten unseren Rundgang fort. Bald gelangten wir zum Baldinger Tor.
 

Das 1376 ersterwähnte Baldinger Tor schützte die Straße Richtung Würzfurt und Frankburg. 1430 wurde das Tor neu erbaut. Die Anlage ähnelte ursprünglich wohl dem Berger Tor. Bei der Belagerung 1634 wurde das Baldinger Tor beschädigt, als Spätfolge stürzte 1703 der Torturm ein.


Nik und ich hatten inzwischen einen Gesprächskreis gebildet, und befanden uns in einem intensiven Kreisgespräch. Rundheraus: Wir erfanden Nördlingenwitze. Wie nennt man es, wenn über Nördlingen Smog ist?

Dunstkreis.

Wir kringelten uns vor Lachen und kreisten weiter auf unserer Umlaufbahn um die Stadt. Die nächsten Stationen waren Kolturm und Tannenturm, zwei der so genannten Backofentürme.

Die Türme entstanden zwischen 1480 und 1520. Sieben dieser Backofentürme hatte die Stadtbefestigung zwischen Oberem Wasserturm und Spitzturm, fünf weitere bis zum Baldinger Tor, zwei dahinter.

Fleißige Backwarenkonsumer, die Nördlinger? Nein, der Name stammt vom ersten dieser Türme, heute auch "Tannenturm"  genannt, der 1481 unmittelbar neben dem Oberen Wasserturm am damaligen Backofen der Stadt errichteten worden war. Sein Name übertrug sich in der Folge auf alle in gleicher Bauweise auf hufeisenförmigem Grundriss errichteten Türme. Die Backofentürme waren außen an die Stadtmauer angesetzt worden, und dienten der Nahverteidigung. Eine Bresche in der halbrunden Außenwand bedeutete somit keine Bresche in der Stadtmauer selbst.

Backofenturm Nr. 5 (vor 1530) heißt auch "Kolturm". Er und der Tannenturm sind die einzigen namentlich ausgewiesenen Backofentürme. Einige der Türme wurden später abgerissen, andere werden heute von Vereinen genutzt.


Und wieder ging's rund! Bald gelangten wir zum Oberen Wasserturm.
 

Der obere Wasserturm wurde ab 1469 in nur drei Jahren errichtet. Durch den Turm fließt die Eger in die Stadt.


Gibt es eigentlich einen Kreißsaal in Nördlingen? Na klar! Im Kreiskrankenhaus!

Der Löwen- oder Pulverturm wurde 1535 ersterwähnt. Er diente als Batterieturm (irgendwo muss man seine Batterien ja lagern) und wurde in den Graben zwischen die Geschützbrüstung gesetzt. Der Turm hat einen hufeisenförmigem Grundriss und weist nach außen eine Geschützplattform mit Brüstung auf.
 

Wie nennt man es, wenn die Nördlinger ihre Stadtmauer renovieren? Runderneuerung....
 

Noch eine wichtige Straße: Das Berger Tor sicherte die Straße nach Ulm. Es wurde 1435/1436 von dem Baumeister Hans Rews errichtet. 1574/1575 wurden die Obergeschosse ausgebaut, damit erhielt das Berger Tor seine heutige Gestalt. Beachtenswert ist das kassettierte Tonnengewölbe der Durchfahrt, und eine Kanonenkugel aus dem Dreißigjährigen Krieg, die noch heute im Mauerwerk steckt.


Aah, die Geschichte Nördlingens. Vielleicht hat ja jemand schon im Rundfunk was darüber gehört.

Der Feil- oder Schuldturm (möglicherweise der Gefängnisturm der Stadt), stammt aus dem 14. Jahrhundert. Auf quadratischem Unterbau mit umlaufendem Wehrgang erhebt sich ein zweistöckiger Rundaufsatz mit konkavem Kegeldach.


Unser Rundwanderweg wandte sich nun langsam, aber sicher seinem Ende zu. Wir genossen nochmal die herrliche Rundumsicht auf die mittelalterliche Stadt, dann approachten wir die Alte Bastei.

Der Bau der Alten Bastei wurde 1554 begonnen, 1598 wurde das Bollwerk vollendet. Die Verteidigungsfestung konnte in zwei Stockwerken zehn Geschütze aufnehmen. Heute befindet sich hier die Freilichtbühne Nördlingen.


Nik und ich, die Kreisläufer auf diesem historischen Rundbau, näherten uns nun dem Reimlinger Tor. So langsam wurde klar, dass es sich bei diesen vielen Toren und Türmen um einen zusammenhängenden Themenkreis handelte.

Das Reimlinger Tor sicherte einst die Straße nach Augschburg. Auch es stammt aus dem 14. Jahrhundert  - es ist heute das älteste Stadttor Nördlingens. Die Aufbauten mit vorkragender Geschützplattform und der Turmwächterstube kamen allerdings erst später hinzu, ebenso das wehrhafte Vorwerk.


Wir beschlossen, die Rundwanderung abzurunden, und am Reißturm abreißen zu lassen.

Der 1408 ersterwähnte Reißturm ist vielleicht eher ein Reußturm, wurde er doch möglicherweise ebenfalls von Hans Rews erbaut. Seine jetzige Gestalt erhielt er 1644. Der runde Vorbau besitzt eine schwebende Welsche Haube.


Wir näherten uns schließlich unserem Ausgangspunkt. Der Kreis schloss sich. Obwohl - nicht ganz. Wir ließen unsere Gedanken noch ein wenig um Nördlingen kreisen, und besichtigten noch die Kirche St. Georg. Und den Daniel, immerhin das Wahrzeichen Nördlingens: Der rund 90 Meter hohe Kirchturm.

Der Rat der Stadt beschloss am 17. Oktober 1427 den Bau der Georgskirche. Der Chor war 1451 fertiggestellt, 1454 wurde mit dem Turmbau begonnen. Der Hochaltar von Friedrich Herlin wurde 1462, der Turm 1490 unvollendet vollendet. Mit der Schließung des Gewölbes 1505 war der Bau abgeschlossen. Seit 1523/1525 ist St. Georg evangelische Stadtkirche.

Der Bau besteht aus einem dreischiffigen Chor sowie der dreischiffigen, zwölfjochigen Halle mit zwölf Mittelsäulen. Das 93 Meter lange und über 20 Meter hohe Kirchenschiff macht St. Georg zu einer der größten Hallenkirchen in Süddeutschland. Den barocken Hochaltar schmücken spätgotische Holzskulpturen, die vom Niederländer Niclas Gerhaert van Leyden stammen.


Naja. Und vom Daniel aus hat man sowohl eine fantastische Rundsicht auf das Kraterrund, das Mauerrund und das Stadtrund, als auch einen fantastischen Rundblick auf das Kraterrund, das Mauerrund und das Stadtrund. Eine runde Sache.


Fazit:

Eine rundum gelungene Tour, mit einem Wort: Kreisklasse.

Tourengänger: Nik Brückner, Waldelfe


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentare (4)


Kommentar hinzufügen

Mo6451 hat gesagt: rund
Gesendet am 31. Dezember 2018 um 08:40
und ihr seid jetzt rundherum glücklich?

Alles Gute für 2019. Da läuft hoffentlich auch alles rund.

Monika

Nik Brückner hat gesagt: RE:rund
Gesendet am 31. Dezember 2018 um 12:30
Rundheraus: Ja! Wir sind rundum glücklich. Die Tour rundete das Tourenjahr aber auch ganz perfekt ab.

Vielen Dank für die guten Wünsche! Ebensolche für Dich,

Nik & Alex

WoPo1961 hat gesagt:
Gesendet am 31. Dezember 2018 um 09:25
Nu hab ich sooo viel über 30jährige Kriege, Verteidigungen und Kanonenkugeln erfahren, daß bei mir eine Frage auftauchte... und eine Antwort konnte mir der Bericht nicht geben. Gibt's in Nördlichen auch ein Kreiswehrersatzamt?
Guten Rutsch und ein gesundes 2019
...und nen Gruß aus Flachlandhausen
WoPo

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 31. Dezember 2018 um 12:31
Runde Kanonenkugeln, WoPo!

Und was das Wehrersatzamt angeht - wenn's eines gibt, dann ist es ganz bestimmt kreisrund!

Rutscht gut, liebe Grüße,

Nik


Kommentar hinzufügen»