Jubiläumsgrat (Zugspitze, 2962m) aus dem Tal


Publiziert von alpensucht , 6. Oktober 2018 um 03:06. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Wetterstein-Gebirge
Tour Datum:29 September 2018
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Klettersteig Schwierigkeit: K3 (ZS)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D   A 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 2600 m
Abstieg: 1950 m
Strecke:Eibsee - Zugspitze - Biwak - Alpspitze - Osterfelder - Kreuzeck ca. 16km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Beschilderung zur Talstation der Zugspitzbahn folgen. Parkplatz aber sehr teuer!
Zufahrt zum Ankunftspunkt:per ÖPNV von Hammersbach

Eibsee - Stöpselzieher -  Zugspitzgipfel  T4, WS (Klettersteig), I, 4h 50min
Nach langer Anfahrt und sehr kurzer Nacht zu dritt im Auto beginnen wir um 4:40 Uhr in Nebel, Nässe und Dunkelheit den Aufstieg vom unfassbar teuren Parkplatz am Eibsee (14€ pro Nacht). Mit Hilfe der genauen AV-Karte und einiger Wegweiser finden wir den richtigen Zugang über Pistengelände mit Wegspuren über die Grenze zu Tirol. Hier führt der gute Weg (T3) bald nur noch hinauf zur Wiener Neustädter Hütte. Noch umhüllen uns feine Wassertröpfchen und Finsternis. Beim Ausschalten der Stirnlampen sehen wir, es wird allmählich heller.

Aus dem Latschengürtel in Schutt und Geröll führt der schöne Steig durch die steile Flanke teils über steile Felsstufen und über kurze Passage mit Sicherungen (T4, I) empor. Mittendrin gelangen wir über die dicke Nebelsuppe, bevor es richtig hell wird - ein atemberaubender Moment. 6:55 Uhr. Die ersten zarten Farben färben den östlichen Horizont hinter dem Waxensteinkamm. Der Fels ist trocken. Ein wenig Schnee liegt in den flacheren nordseitigen Wandpartien.
Nach rund 3h erreichen wir die Unterkunft der Naturfreunde, nehmen eine Kleinigkeit für den Energienachschub ein und erledigen dringende Notdurft.
Die ersten Gäste treten vor die Hütte, noch keiner ist im Klettersteig.

Eine junge Dame liest die Bedienungsanleitung des Klettersteigsets, sie sei noch nie einen gegangen. Sie fragt besorgt, ob das schwer sei, beim Blick auf meinen Gurt mit Abseilgerät und Schlingen. Wenn man so etwas noch nie gemacht habe, sei es anspruchsvoll, bekommt sie von mir als Antwort. Schon eile ich meinen vorausgegangenen Tourenpartnern hinterher, während der Tourenpartner der Dame ihr beruhigend zuredet.

Hauptsache vor der Masse im Klettersteig! Check. Mehr als notwendiges Übel nehmen wir das Eisen in die Hand, bzw. unter die Schuhe. Meine beiden Tourenpartner Jowiesl und Christoph klettern sehr gern im alpinen Gelände. Doch gerade als die erwartete Vereisung ab etwa 2600m zunimmt, bin ich mit meinen Zustiegsschuhen sehr froh um die Sicherung durch die Drahtseile. Nach Absprache steige ich zügig voran um den verspäteten Marschtee am Münchner Haus bestellen zu können (vorher telefonisch abgesprochen, Gewicht sparen!). So gelange ich in der Morgensonne gegen 9:30 Uhr oben an und werde vom ersten Wirt zunächst auf Warten verwiesen.
Sehr gern! Dieser Fernblick! Diese Stille vor dem Ansturm der Seilbahnnutzer! Dieses geschäftig-konzentrierte Treiben aller Angestellter hier oben! Diese Vorfreude auf den Tanz auf der Gratschneide!!
20min später treffen meine beiden Tourenpartner ein und wenig später bekommen wir unsere 4l Tee für 13€. Vom neuen Born im Gebäude der Tiroler Zugspitzbahn erfahren wir erst tags darauf.


Jubiläumsgrat "hinab" bis zur Biwakschachtel  T6, II, ZS (Klettersteig),  6h 15min
Nach ausgiebiger Pause besuchen Johannes und Christoph noch den Gipfel. Inzwischen sind die ersten Seilbahntouris auch am Start. 10:30 Uhr. So reihe ich mich in die Schlange der famosen Gipfelaspiranten ein und bin froh bald hinter dem Ausstieg vom Höllentalklettersteig zu sein. Da ist das Gelände nordseitig noch ziemlich vereist. Ich nehme teils die direkten Gratfelsen (II) und warte auf die beiden Tourenpartner. 10:50 Uhr.

Die ersten richtig ausgesetzten Passagen gehen wir noch etwas zögerlich aber sicher an. Bald nehmen wir wieder Tempo auf. Christoph klettert alle Passagen sicher ab, obwohl er noch recht neu beim klassischen Bergsteigen ist. Er hat Übung aus seilfreien Begehungen bis in den III. Grad im Elbsandstein. Dennoch biete ich an vielen Stellen das Seil an, was aber meist abgelehnt wird. Ein Pärchen vor uns sichert mehrere Stellen und zwingt uns an einer Abseilstelle zu warten. 12:10 Uhr. Das bietet die Gelegenheit das Seil ebenfalls zum Abseilen vorzubereiten. 24m Einfachseil sollen auch nicht umsonst mitgenommen worden sein. Außerdem nimmt unsere Konzentration langsam etwas ab, weil wir nur so wenig geschlafen haben und nun schon lange unterwegs sind.
In sich häufenden Ausdrücken des Staunens, Genießens und der Anstrengung kraxeln wir so vor uns hin, überholen bald das Pärchen, das öfter sichert. Wir nehmen an einer glatten IIer-Traverse von ca. 15m auch nochmal das Seil heraus und sichern uns gegenseitig von einem Ring über die ausgesetzte Passage.
Am letzten Buckel vor der Inneren Höllentalspitze pausieren wir einige Zeit. Dann geht's vielleicht 150Hm im C-Klettersteig hinauf zu deren Gipfel. 15:15 Uhr. Zwei Biwakplätze gibt es hier. Inzwischen sehen wir auch mehrere weitere Seilschaften vor uns und wurden auch bereits mehrmals überholt.

Christoph und Johannes kommen nun mehr sehr langsam voran. Das Wetter bleibt heute aber stabil. Nur die Plätze auf der Biwakschachtel könnten knapp werden. Gemeinsam klettern wir langsam weiter. Kaum zu glauben, dass noch mehrere Seilschaften hinter uns sind! Um 16 Uhr passieren wir den  flachen Gratabschnitt, wo der Brunntalgrat zur Knorrhütte hinab zieht. Und eine Stunde später gelange ich an das Biwak. Da sitzen um die 15 Bergsteiger davor herum. Ist mir zu diesem Zeitpunkt komplett wurscht. Ich setze mich hin und hoffe, meine beiden Kameraden kommen auch gut hier an. Ich konnte einfach nicht mehr warten, sondern wollte endlich hier ankommen. Deren Ankunft bekomme ich gerade noch mit, dann schlafe ich im Sitzen für fast eine Stunde.
Dann gibt es kaltes Abendbrot. 20 Menschen müssen mit 12 Betten klar kommen. Das heißt eben, wo nachmittags noch drei Platz hatten, müssen nun fünf nebeneinander schlafen. Sonnenuntergangsfotos, Vorstellung der Namen der "Kuschelnachbarn", Ohrstöpsel rein und über 9h Schlaf bleibt mir vergönnt trotz Kälte. Haben nämlich die warmen Schlafsäcke nicht mitgeschleppt.

Höllentalgrathütte - Alpspitze  T6, II, S (Klettersteig), 5h 40min
So wache ich am nächsten Morgen einige Zeit vor Sonnenaufgang auf, bekleide mich mit allen Schichten, schnappe mir Fotoapparat und die Nahrungstüte und setze mich sehr lange an den Handyplatz. In Ruhe und kühler Sanftheit erwacht ein freudiger Tag. Einige gesellen sich bald zu mir, darunter auch meine Gefährten. Wir vereinbaren im ersten Sonnenlicht unterwegs richtig zu frühstücken. Das wird ja häufig überbewertet. Dass ich eigentlich trotzdem längst für eine ordentliche Grundlage an Kohlenhydraten gesorgt habe, weiß keiner. Die letzten lauwarmen Schlucke Tee werden geteilt. Nun gilt es die Trinkvorräte gut einzuteilen.

Gegen 8 Uhr beginnen wir erst als vorletzte Gruppe den Anstieg zur Äußeren Höllentalspitze. Bald geht es über die steilsten Abschnitte leider wieder am Drahtseil dahin. Wir versuchen den Bezug zum Fels zu behalten und nutzen das Metall möglichst wenig, außer wenn es sich zu sehr aufdrängt oder es zu lange dauert, bzw. zu schwierig ohne Drahtseil wäre.
Ca. um 9:30 Uhr erreichen wir die Vollkarspitze bei allerlei Gesprächen. Nach einer kleinen Fotoeinlage auf einem kecken Gratzacken erreichen wir gegen 10:45 Uhr die westseitige Traverse unter dem Hochblassen. Hier wird es wieder schattig-frisch und vereist. Drüben oberhalb der Grieskarscharte kommen gerade zwei Zweierseilschaften an, die noch in den Grat einsteigen wollen. Nach deren Info soll es am Folgetag gleich morgens schlechtes Wetter geben. Nach kritischem Ausfragen meinerseits, da sie vorher meinten, sie wollen nach dem Grat in das Höllental absteigen, kommen meine Gefährten auch oben an. Ein wenig Sorge bereitet mir, dass die vier quasi noch zum Gipfel müssen, da es nachts bereits oben schneien wird.

Über die brüchigen Gratfelsen (II) klettern wir direkt hinab in die Grieskarscharte, wo ein Wanderpärchen etwas unschlüssig umher schaut. 12:30 Uhr. Ich lasse meine beiden Freunde voraus steigen und führe die Wanderer den Südwestgrat der Alpspitze herauf. Am Gipfel ereilt mich ein Gefühl wie an einem schönen Sonntag im Volkspark Friedrichshain: mind. 50 Leute besetzen den höchsten Punkt, weit über 50 steigen die Ostflanke hinab und weitere 30 steigen noch die Ferrata hinauf... Welch ein Trubel an diesem wunderschönen Sonntag! Wir lassen uns unsere Reste schmecken und trinken bis auf 200ml alles aus.
Jowiesels Schuhsohle hat sich inzwischen komplett vom Schuh gelöst. Den restlichen Abstieg legt er mit einem Schuh ohne Sohle zurück. Kabelbilder war nicht mit von der Partie und Tape hat nicht gehalten...

Bei allerlei Späßen und geteilten Erinnerungen vergeht einige Zeit, bis wir ein Abflauen des Ansturms spüren und uns an den Abstieg machen.

Alpspitzferrata hinab zum Osterfelder Kopf  T5, I, WS+ (Klettersteig), 1h 30min
Noch oft weichen wir ins ungesicherte Gelände aus, damit alle Aufsteiger keine Pause wegen uns einlegen müssen. Ganze Familien und Sportgruppen haben heute noch das eine Ziel, das wir hinter uns gelassen haben. Nachdem ich beinahe über einen Schuh mitten am Klettersteig bei einer pausierenden Gruppe gestolpert wäre, werde ich von dem Besitzer noch mit Fragen über meinen neuen Hochtourenrucksack gelöchert. Als würde dieser oder jener Rucksack Gipfelerfolge garantieren...

Auch ganz unten steigen unentwegt mehr Leute ein. Bei der letzten Pause unter dem Einstieg verbrauchen wir die letzte Flüssigkeit. Meine zerlöcherten Petzl-Handschuhe habe ich wohl irgendwo liegen gelassen. Auf dem Hauptweg angekommen treffen wir auf sehr viele Menschen. Zwei davon überholen uns im Laufschritt im Trailrunstyle. Ich mache mir den Spaß, den beiden mit meinem schwereren Gepäck zu folgen. Sie überholend frage ich sie lachend, ob sie schon nicht mehr können. Viele Lacher - meines verstummt, als die beiden erzählen, sie seien heute von der Höllentalangerhütte aus gestartet, in 3,5h zum Gipfel gerannt, 2h geschlafen und dann den Jubi "gegangen". Gemeinsam trinken wir ein alkoholfreies Bier, nachdem ich unseren Tisch von Essensresten, Tabletts und Gläsern befreit habe.

Über den Längenfelder hinab zum Kreuzeckhaus  T2, 45min
Für den letzten Abstieg zum Kreuzeckhaus wählen wir den Weg über den Längenfelder. Da ist es ruhiger und ich kenne den unteren Abschnitt noch nicht. Deshalb schauen wir wiederholt auf unsere Karte. Jowiesel trifft nun inzwischen unsere Entscheidungen. Er möchte in zwei Jahren den ersten Lehrgang für die DAV Trainer C Bergsteigen Lizenz (Tourenleiter) absolvieren. Ich vergebe dabei spaßeshalber verbale Häkchen oder Kreuzchen... Kurz vor 17 Uhr erreichen wir endlich das Kreuzeckhaus, zu dem ich barfuß hinauf laufe. Eine schöne Fußmassage! Einen kühlen Bach ziehe ich dem dennoch vor. Ausgelassen und voller Zufriedenheit erwarten wir das gute Abendessen.
 
Tags darauf steigen wir nur noch im starken Regen über den Jägersteig nach Hammersbach ab, nehmen den  Bus zum Eibseebahnhof und fahren nach Hause. Die Entscheidung meiner Fußbekleidung von zu Hause aus war nicht einfach. Außer in den kurzen, leicht vereisten Passagen waren die Zustiegsschuhe aber vorteilhaft, weil leichter, beweglicher und mit besseren Klettereigenschaften.

Diese Tour werde ich wohl noch oft auf ähnliche Weise gehen und mindestens einmal an einem Tag auf Zeit - für Flachlandbewohner ein echtes Mammutprojekt!



Tourengänger: alpensucht, jowiesel
Communities: T6, Klettersteige


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