Hochtour im Zeichen des Klimawandels


Publiziert von Flos , 1. Oktober 2018 um 13:29.

Region: Welt » Schweiz » Uri
Tour Datum:30 September 2018
Wandern Schwierigkeit: T4- - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Klettersteig Schwierigkeit: K2- (WS-)

Der Tiefenstock bildet den Abschluss des Tiefengletschers und ist ungefähr zwischen Galenstock und Dammastock zu verorten.
Da ich ihn bisher noch nicht bestiegen hatte und ich mit einem Hochtouren-Neuling unterwegs war und daher einen ungefährlichen Gletscher begehen wollte, hatte ich den Tiefenstock als Ziel ausgewählt.
Ich möchte hier keinen kompletten Tourenbericht schreiben, sondern eher ein paar Gedanken zum Ausdruck bringen.
Der Tiefenstock war einige Zeit nicht mehr begehbar für den Amateur-Bergsteiger, da der schwindende Gletscher eine steile, glatte Felswand hinterlassen hat. Vor einigen Jahren wurde dort ein Klettersteig (oder besser eine Leiter) eingerichtet, damit jedermann wieder hochkommt.
Das ist jedoch ein paar Jahre her und mittlerweile klafft wieder eine ordentliche Lücke zwischen Gletscher und dem ersten Klettersteigbügel. Es hilft nichts: Hochziehen am Fixseil ist angesagt. Bei mehreren Seilschaften ist zudem Schlange stehen vorprogrammiert. Wir waren gestern drei Seilschaften und jede benötigte ca. 10-15 Minuten, um bis zum ersten Bügel zu kommen.
Weiter oben ist es einfach, aber Vorsicht ist angesagt, da viel loses Gestein herumliegt. Am nördlichen Tiefensattel angekommen staunte ich nicht schlecht: Die Südflanke war komplett schneefrei. Dasselbe Bild zeigt sich beim Blick auf den Galenstock-Nordgrat. Gipfel, die eigentlich immer hoch genug waren, um das ganze Jahr mit Schnee und Eis bedeckt zu sein, sind nunmehr nur noch reine Felsgipfel.
Auf dem Rückweg donnerte es aus den Felsflanken vom Gletschjoch und dem südlichen Tiefensattel andauernd. Ich beobachtete auch - kurz bevor wir den sterbenden Gletscher überqueren mussten - eine riesige Steinlawine. Das viele lose Gestein überall, die vielen Felsabbrüche, - alles Zeichen, dass hier oben etwas nicht mehr stimmt.
Kurzum: Ich verstehe, dass Hüttenwarte etc. ein Interesse daran haben, dass ihre Hausgipfel weiter begangen werden können. Allerdings zweifle ich schon sehr an meinem eigenen Tun, wenn Routen nur noch über Eisenbügel zu begehen sind. Sollte man nicht vielleicht einmal innehalten und einfach damit leben, dass gewisse Routen nicht mehr möglich sind ?
Oder wollen wir die Leitern jedes Jahr um neue Tritte erweitern bis in 10 bis 20 Jahren gar nichts mehr vom Gletscher übrig ist.
Ich erstaune auch immer wieder, wie wenig die Leute eigentlich reflektieren darüber, was sie tun. Klar, die Bergsteiger haben nur einen winzigen Anteil am Co2-Aussstoss, aber sollten nicht diese gerade mit gutem Beispiel vorangehen?
Ich wette, dass der Grossteil der Berggänger mit dem Auto anreist (auch ich mache das hin und wieder) -  sie übernachten in immer grösseren Hütten, die von immer mehr Helikoptern versorgt werden müssen. Im Winter wird nach Japan zum Freeriden geflogen, da dort der Pulver anscheinend noch üppig vorhanden ist. Den Gletscherrückgang und die Narben in Form von hässlichen, glatten Felsplatten kann jeder sehen. Die Verletzung der Natur ist nicht mehr rückgängig zu machen. Trotzdem könnte ein jeder etwas beitragen, dass wenigstens das, was wir im Moment noch in der Bergwelt zu finden ist, so gut wie möglich erhalten bleibt. Die Wunden werden zwar zur Kenntnis genommen, aber ignoriert und beim nächsten Mal wird wieder mit dem Auto angereist.

Tourengänger: Flos



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