Abenteuerliche Überschreitung von Alpler Torstock und Schächentaler Windgällen


Publiziert von Bergamotte , 14. September 2018 um 15:36.

Region: Welt » Schweiz » Uri
Tour Datum:12 September 2018
Wandern Schwierigkeit: T6+ - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-UR 
Zeitbedarf: 6:15
Zufahrt zum Ausgangspunkt:PW ins Mettener Butzli (Fahrbewilligung 10.-)
Kartennummer:1172 / 1192

Eigentlich hatte ich das Projekt Alpler Torstock vor längerem ad acta gelegt. Zu anspruchsvoll erschien mir die Begehung der wenig bekannten, eindrücklichen Trutzburg im Schächental, die fast nur noch über Sportkletterrouten erreicht wird. Doch nach ma90in94s erfolgreicher Begehung im 2016 kam wieder Bewegung ins Projekt und in Tobi fand ich den perfekten Begleiter. Und heute hat es, nach etwas Anfangsschwierigkeiten, sogar zur Überschreitung gereicht. Übrigens, der Alpinführer von Toni Fullin unterschlägt diese zwei klassischen Routen kurzerhand und wir mussten auf die Ausgabe von 1970 zurückgreifen.

Um 9:15 laufen wir vom Parkplatz auf dem Mettener Butzli (1967m) los. Nach meinem happigen Pensum vom Vortag konnte ich Tobi diesen späten Start abringen. Der Aufstieg ins Alpler Tor (2447m) verläuft zügig und ereignislos. Wer mag, schaut unterwegs noch auf dem markanten Berglichopf vorbei. Im Tor behelmen wir uns und queren direkt dem Wandfuss entlang bis zu den zwei Kaminen. Der rechte Kamin führt direkt zur grossen, gut sichtbaren Höhle. Wir halten uns an den Führer (R. 146b) und nicht die Variante von ma90in94 und steigen im linken Kamin bis zur Kette hoch (Abstieg Kletterroute? Für unsere Route ohne Bedeutung). Von hier kann man über ein abdrängendes Gesimse nach rechts queren. Tobi geht vor, aber mir ist das zu heikel. Abbruch ohne grosse Diskussion. Die untersten Meter im linken Kamin sind im Abstieg heikel (III-), weshalb ich hier ein erstes Mal auf das Seil zurückgreife (Bohrhaken vorhanden). 

Nächster Versuch über die Ostflanke (R. 146a), dessen Vorbau sich durch erneutes Queren dem Wandfuss entlang erreichen lässt. Wir blicken die Flanke hoch und lächeln: "Jaja, T6-Plaisirgelände". Naja, das Lachen sollte uns bald vergehen. "Plaisir" trifft auf den unteren, grasigen und gut gestuften Teil vielleicht zu. Weiter oben aber, im felsigen Teil, steilt das Gelände nochmals auf. Die Stufung ist passabel, aber eben, Steilheit und Ausgesetztheit sind extrem - wohl T6+. Nach gut fünf Minuten haben wir den heiklen Teil hinter uns und über Gehgelände erreichen wir den Alpler Torstock (2620m). Der letzte Eintrag im Gipfelbuch ist übrigens wenige Tage alt und stammt vom einheimischen Topalpinisten Dani Arnold. Regelmässig begangen werden offensichtlich nur noch die Kletterrouten (Westflanke, SE-Kante).

Nach dem Aufstieg ist vor dem Abstieg. Am Torstock, wo es keine einfache Route gibt, gilt das ganz besonders. Wir entscheiden, es nochmals über die Kaminroute zu versuchen. Hierzu folgen wir dem Südgrat bis zu einer längeren Kette (Ausstieg Kletterroute), wo wir links in die Flanke absteigen. Die obersten Meter sind extrem steil, weshalb wir wiederum aufs Seil zurückgreifen. Anschliessend durch passabel gestuftes, aber weiterhin sehr steiles Gras (T6) rechts abwärts zu einem kleinen Absatz. Von hier führt eine schwache Rinne zur grossen Höhle (T6/II) runter (vor Ort offensichtlich). Diese markiert das obere Ende der eingangs erwähnten rechten Rinne. ma90in94 stieg hier direkt runter. Wir hingegen halten uns an den Führer: Wenige Schritte unterhalb der Höhle befindet sich ein Felsspalt. Dieser ist so eng, dass wir zunächst mit dem Pickel ein paar Grabungsarbeiten verrichten... schliesslich zwängen wir uns (ohne Rucksack) durch. Anschliessend wenige Meter runter, um über das eingangs erwähnte Gesimse in die linke Rinne zu queren. Warum geht das nun plötzlich im Abstieg, wo ich doch schon im Aufstieg kapituliert habe? Ganz einfach, wir seilen nochmals. Wobei, Kletterkünstler Tobi macht das alles free-solo. Dann auf mittlerweile bekanntem Weg zurück zum Wandfuss. Hurra, was für eine spektakuläre Abenteurer-Route!

Der Tag ist noch jung und der Windgällen-Westgrat liegt direkt zu unseren Füssen. Eigentlich ist das eine bekannte, perfekt eingerichtete und blau markierte Kletterroute. Mit wenigen Umgehungen kann sie aber auch durch den ambitionierten Alpinwanderer begangen werden. Kurze Querung dem Westfuss entlang bis zur Verschneidung, welche zum Grat hochführt. Das ist schöne IIer-Kletterei im festen Fels, kein Vergleich zum überaus brüchigen Torstock. Anschliessend folgen wir über längere Zeit den Wegspuren und Markierungen über den Grat, wobei es ein paar treppenartige Felsbänder zu überwinden gilt. Dann die klettertechnische Schlüsselstelle des Tages: ein knapp 20 Meter hoher, fast senkrechter Aufschwung, den man durch eine Verschneidung erklettert. Wobei, gemäss ma90in94 könnte man ihn linksrum umgehen. Die ersten 10 Meter (III) klettere ich frei, bei den nächsten 10 Meter hilft mir wiederum unser Seil - Tobi hatte sich zuvor raufgewürgt (auch) unter Zuhilfenahme einer vorhandenen Schlinge.

Anschliessend folgt bereits der Schlussaufschwung zum Gipfelgrat. Wir umgehen ihn rechterhand über breite Schuttbänder. Das ist vor Ort offensichtlich und Gehgelände. Wenig später lässt sich der Gratrücken unschwierig erkraxeln (viele Varianten). Ich hatte vergessen, was für eine vorzügliche Fernsicht, v.a. Richtung Mittelland, die Schächentaler Windgällen (2764m) bieten. Das dürfte einen Teil ihrer Beliebtheit erklären. Und ebenso die Tatsache, dass man sie ab Mettener Butzli übers Unter Band in gerademal 800Hm erreicht. Das ist denn auch unsere Abstiegsroute zurück zum Ausgangspunkt.

Tourengänger: Tobi, Bergamotte
Communities: T6


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Kommentare (8)


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DonMiguel hat gesagt:
Gesendet am 14. September 2018 um 15:53
Du hast hier gleich ein paar schöne Touren in Serie! Gratuliere. Die Höhle mit Spalt sieht abenteuerlich aus! Ich bin leider noch nicht gross aus meinem Kanton "rausgewandert". Grüsse Micha

skysnow hat gesagt:
Gesendet am 14. September 2018 um 21:21
Hallo Bergamotte
Gratulation zum Alpler Torstock ! Habe ihn auch einmal durch die Grasflanke probiert zu besteigen, es hatte im Herbst kein Gras mehr, einer der wenigen die mir in meiner Region noch fehlen.
Lg Schneeracer

Bergamotte hat gesagt: RE:
Gesendet am 15. September 2018 um 10:35
Hoi Stefan. Ja, Du kannst die Region ja und in auswendig. Bist Du im Sommer auch so aktiv wie im Winter? Gruss, Gabriel

skysnow hat gesagt: RE:
Gesendet am 15. September 2018 um 11:41
Hallo Gabriel, Im Sommer mache ich schon weniger Touren, als im Winter, habe wieder ein neues Projekt das ganze Jahr Skitouren, im Sommer einmal im Monat, es ist aber recht schwierig mit dem schönen Sommer, 13 Monate habe ich jetzt gemacht, es gibt ein Tiroler der macht das schon 5 Jahre, habe ihn zufällig im Stilfser Joch im August angetroffen.
LG Stefan

ma90in94 hat gesagt:
Gesendet am 15. September 2018 um 16:58
Ich dachte mir, dass Dir der Alpler Torstock keine Ruhe läßt und er irgendwann mal dran glauben muß. Nun kann der Normalbergsteiger schon unter drei Routen auswählen, von denen Du zwei gut beschrieben hast. Die Querung von der linken in die rechte Rinne im oberen Teil habe ich auch mal versucht, war mir aber zu schwer und zu luftig.
Gruß Günter

Bergamotte hat gesagt: RE:
Gesendet am 16. September 2018 um 09:10
Ja, die obige Querung gemäss Führer ist aus meiner Sicht sehr heikel, deshalb der anfängliche Abbruch (und ich breche sonst kaum je ab).

Ich hätte gerne Deine Variante gewählt. Uns war aber nicht klar, wo genau Du vom linken in den rechten Kamin gewechselt hast. Du schreibst, zuunterst sei es leicht überhängend gewesen. Das würde eigentlich dafür sprechen, dass Du schon zu Beginn rechts eingestiegen bist, oder?

ma90in94 hat gesagt: RE:
Gesendet am 16. September 2018 um 13:11
Der rechte Kamin ist doch am Einstieg überhängend.. Unmittelbar darüber hab ich vom linken Kamin in den Rechten gequert. Könnte bei der kleinen Höhle über dem Überhang, 1. Bericht, 6. Foto sein.
Danach geht es zwar gefühlt beinahe senkrecht hinauf, aber Tritte und Griffe sind immer ausreichrend vorhanden.

Bergamotte hat gesagt: RE:
Gesendet am 16. September 2018 um 19:32
Ich denke, ich weiss schon, wo Du meinst. Sah vor Ort aber auch nicht besonders anmächelig aus. Ich frage mich, ob es nicht am einfachsten wäre, sich zuunterst den überhängenden Teil hochzuwürgen. Man könnte da recht gut klemmen und spreizen.


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